Zurück im Alltag

Es musste ja so kommen: Nach der Reise entlang des Grünen Bandes hat mich jetzt der Alltag wieder und ich bin zurück in der guten, alten Tretmühle. Heute beschäftige ich mich nach Feierabend mit der treuen DR400 – die alte Dame hat mich während der 1517 km nicht im Stich gelassen und jetzt möchte ich sie wieder in die schöne Suzi zurück verwandeln. In der Hauptsache bedeutet das den Rückbau des Acerbis-Tanks und der modifizierten Sitzbank. Ist natürlich kein großes Problem.

Dann gönne ich meiner Suzi noch eine Füllung frischen Motoröls, reinige den Ölfilter und den Luftfilter und entferne überhaupt den gröbsten Dreck der Reise. Noch einmal ein paar Schrauben kontrolliert und die Kette geschmiert – und voila – schon sind wir bereit zu neuen Taten.

So praktisch der 18l-Acerbis-Tank auch ist – für den Alltag ist er mir zu häßlich und so verschwindet er wieder und wartet auf seinen nächsten Einsatz.

Ein bisschen peinlich ist es mir schon und der „richtige“ harte Endurotreiber wird sich mit Grausen abwenden: Ich montiere den hochglanzpolierten Motorschutz und gebe sogar zu, dass er mir gefällt.

Durch Deutschlands Mitte

Eine Reise mit drei alten Enduros entlang des Grünen Bandes

Es war Thomas Idee! Irgendwann im Sommer 2011 überrascht er mit dem Vorschlag, im kommenden Jahr mit seiner alten Honda XL500 das Grüne Band zu befahren. Ehrlich gesagt wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht einmal, was das Grüne Band überhaupt ist.

Wikipedia sagt dazu: Das Grüne Band Deutschland ist ein Naturschutzprojekt mehrerer deutscher Bundesländer, auf dem fast 1400 km langen Geländestreifen entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze einen Grüngürtel zu schaffen. Beim Grünen Band handelt es sich im Kern um den Bereich zwischen dem sogenannten Kolonnenweg (Lochplattenweg) und der ehemaligen Staatsgrenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, der zwischen 50 und 200 m breit ist.

Den Vorschlag finde ich damals grandios – und nicht nur ich.Es finden sich sogleich potentielle Mitfahrer und zu besten Zeiten sind wir eine Gruppe von 6 Interessenten. Bis es dann soweit ist, bleiben noch drei Teilnehmer übrig: Thomas als der Vater des Projektes, Suse und meine Wenigkeit. Alle drei fahren wir 80er Jahre Enduros, deren fortgeschrittenes Alter dem Vorhaben eine besondere Würze verleiht.

Anfangs wollen wir das Grüne Band komplett von Süden nach Norden befahren, werden aber schnell in die Realität zurück geholt: So ein Vorhaben ist innerhalb von 10 Tagen nicht zu schaffen – zumindest dann nicht, wenn das Ganze stressfrei ablaufen soll. Ende des Jahres existiert dann eine Grobplanung, bei der das Projekt in der Rhön beginnen soll und bei der am Ende die Vorderräder unserer Enduros ins salzige Wasser der Ostsee tauchen sollen. Später werden wir erleben, dass auch diese Planung der Realität nicht standhalten wird.

Einige Eckpunkte des Projektes werden sich jedoch nicht mehr ändern und sind klar fixiert:

  1. Die Reise wird am 26.6.2012 beginnen und am 7.7.2012 enden.
  2. Wir werden so oft und so viel wie möglich Kolonnenwege befahren.
  3. Autobahnen sind tabu, Bundesstrassen müssen die Ausnahme sein, sind aber eigentlich zu vermeiden.
  4. Wir reisen ohne Zelt und ohne Zimmerbuchung. Dabei werden wir versuchen, preisgünstige Privatunterkünfte oder Pensionen zu finden.
  5. Für Notfälle sind Schlafsäcke dabei, um auch mal in Wartehäuschen, Scheunen, Schafställen oder Burgen übernachten zu können.
  6. Die Fahrt muss stressfrei bleiben, daher gibt es keine festen Ziele und keine Mindestkilometer.
  7. Es wird keine waghalsigen Manöver und keine allzu illegalen Aktionen geben.
  8. Im Vordergrund stehen Spaß, Entspannung und Vergnügen.
  9. Am letzten Tag werden wir das Treffen des GN-Forums bei Trendelburg besuchen.

Mitte Juni ist alles bereit: Die alten Enduros wurden gründlich gecheckt und gewartet, Verschleiß- und Sturzteile sind beschafft, die Gepäckunterbringung scheint gelöst – das Projekt kann beginnen.

Die Teilnehmer

Tag 1: 26.6.2012

Tag 2: 27.6.2012

Tag 3: 28.6.2012

Tag 4: 29.6.2012

Tag 5: 30.6.2012

Tag 6: 1.7.2012

Tag 7: 2.7.2012

Tag 8: 3.7.2012

Tag 9: 4.7.2012

Tag 10: 5.7.2012

Tag 11: 6.7.2012

Tag 12: 7.7.2012

Nach diesen 12 Tagen wird meine Suzuki 1517 km mehr auf dem Tachometer haben. Alle drei Enduros haben uns gut und sicher über die gesamte Strecke getragen und von Pannen und Schäden sind wir verschont geblieben – die kleinen Sturzschäden gehen auf unsere eigene Kappe. Wir haben unglaublich viel von Deutschlands Mitte gesehen und wir haben wunderbare Menschen getroffen – mehr kann ich von einem Urlaub nicht erwarten.

The day before …

… the Green Line – das ist heute. Denn morgen soll die Reise beginnen und natürlich ist damit der heutige Tag geprägt von letzten Vorbereitungen.

Es beginnt mit dem letzten Spaziergang mit Leihhund Yellow – für die nächsten 10 Tage. Das stimmt mich ein wenig traurig und auch Yellow scheint irgend etwas zu ahnen. Toll wäre es gewesen, wenn ich ihn am Wochenende mit zum Gespanntreffen an den Möhnesee genommen hätte – jaja, wäre, hätte. Im nächsten Jahr werde ich versuchen, Yellow an das Gespannfahren zu gewöhnen.

Heute bin ich mal wieder der bravste Hund der Welt …….

…. und vertrage mich sogar mit weißen Ziegen – und das, obwohl mich im letzten Jahr ein verwegener Ziegenbock gerammt hat.

Dann gehts zuhause an die DR400 – in letzter Minute will ich heute den bisher versäumten Gabelölwechsel nachholen. Aber natürlich treten auch dabei wieder Probleme auf: Der Vorbesitzer hatte ja einen Sturz mit der Suzi und dabei ist ein Gabelholm über den Asphalt geschrammt. Dabei wurde der Kreuzschlitz der Ölablassschraube komplett glatt geschliffen – da ist kein Schraubendreher mehr anzusetzen. Mit einem kleinen Meißel und viel Geduld gelingt es aber, die Schraube heraus zu bekommen.

Also  248 ml frisches 20er Gabelöl hinein – wäre aber nicht wirklich nötig gewesen: Das alte Öl ist noch goldgelb. Egal, jetzt ist es gemacht.

Nun wird gepackt und beladen, so dass ich morgen innerhalb weniger Minuten fertig sein werde. Werde aber das Gefühl nicht los, dass ich viel zu viel eingepackt – und trotzdem die Hälfte vergessen habe.

Eine Rolle, kleine Seitentaschen und der Rucksack – mehr soll und darf nicht mit. Mit dem Acerbis-Tank mit 18 Litern Fassungsvermögen bin ich jetzt natürlich weit vorn und kann auf die Mitnahme eines Reservekanisters verzichten. Wir sind bereit!

Der Ruf des Grünen Bandes

Ja, der Zeitpunkt rückt näher und es wird ernst: Nächste Woche, am Dienstag, den 26.6. um 11:00 soll es los gehen. Heute haben sich alle vier potentiellen Teilnehmer noch einmal getroffen, die letzten Kleinigkeiten diskutiert – und erst jetzt glauben wohl alle, dass diese Fahrt entlang des Grünen Bandes wirklich und wahrhaftig stattfindet. Mir zumindest geht es so.

Dann habe ich der DR400 noch eben den dicken Acerbis-Tank angebaut. Obwohl: So „mal eben“ war das auch wieder nicht. Grundsätzlich passt der Tank zwar, aber kleinerer Anpassungen an der Sitzbanknase und den Befestigungsbohrungen der Sitzbank waren schon nötig. Die Rundfeile musste doch ein paar Milimeter Material abnehmen.

Einen passenden Benzinhahn hatte ich noch – scheint auch alles dicht zu sein und so habe ich jetzt ein dickes Spritfass auf der Suzuki. OK, dadurch hat sie zwar viel von ihrer Schönheit verloren, aber das nehme ich in Kauf – immerhin kann ich jetzt auf die Mitnahme eines Reservekanisters verzichten. Und nach der 10-tägigen Fahrt kommt ja sowieso wieder der originale Tank drauf.

Zum Lackieren des Acerbis-Tanks hat die Zeit leider nicht mehr gereicht – in Rot hätte das natürlich etwas besser ausgesehen. Muß alles später gemacht werden, man kommt ja zu nix.

Großer Tank, kleine Packtaschen – fehlt noch die Gepäckrolle und dann sind wir eigentlich startbereit. Werde morgen aber noch eine kleine Probefahrt machen und den Tank befüllen. Bin gespannt, was da tatsächlich hinein passt, schätze, so mindestens 15 Liter.

Bei den Großen …

Zu den Großen an den Gederner See soll es heute gehen: Dort findet das Treffen der DrBig-Fahrer statt und wir werden dort die großen 750er und 800er Einzylinder von Suzuki sehen. Und womöglich treffe ich dort Bambi aus dem GN-Forum, der nebenbei auch ein 800er Big fährt.

Aus den zunächst geplanten beiden kleinen Enduros von Reinhard und mir wurden dann plötzlich vier Maschinen, als Jörg mit der PanEuropean sowie eine schicke schwarze Dreizylinder-Tiger dazu kamen – eine recht heterogene Truppe also. Die Route an den Gederner See führte uns über Freienseen, Gonterskirchen, Einartshausen, Rainrod, Glashütten und Steinberg – sehr schön zu fahren und auf solchen Strecken verschwimmen die Unterschiede zwischen einer XL250 und einer PanEuropean.

Bei leicht bewölktem, trockenem und stark windigem Wetter erreichen wir nach kurzer Fahrt den Gederner See. Glaubt es oder lasst es bleiben: Aber ich war noch niemals direkt am Gederner See, obwohl er quasi vor meiner Haustür liegt. Und man kann nicht sagen, dass es dort hässlich ist.

Aber es handelt sich um einen perfekt durch organisierten Campingbetrieb, auf dem das DrBig-Treffen statt findet. Nur mit einer Tageskarte ist es möglich den Platz zu betreten – aber OK, nehmen wir in Kauf und fahren durch die Schranke am See entlang zum Ort des Geschehens.

Etwas abseits vom See liegt der Platz der DrBig-Freunde – und stellt sich recht leer dar. Aber klar, bereits der Platzwart hatte darauf hingewiesen, dass die meisten Teilnehmer auf einer gemeinsamen Ausfahrt wären. Egal, wir schauen uns die Daheimgebliebenen an.

Was für ein Service: Jörg beschafft Holzunterlagen für die Seitenständer unserer Maschinen. Dabei wird gleich darüber nach gedacht, mit dem Plasmaschneider eine Kleinserie solcher Unterleger aus VA herzustellen — vielleicht in Form eines Fußes oder einer Bärentatze.

Plötzlich kommt mir meine DR400 irgendwie so winzig und klein vor …..

Da sind die Suzuki Groß-Enduros doch eine andere Liga. Ich bezweifele stark, dass ich auf diesen Maschinen mit den Füßen noch Bodenkontakt bekomme.

Seltsamerweise gefallen mir inzwischen solche Reisenduros richtig gut – und die Big-Motoren sollen ja für viele Kilometer gut sein, was mir sehr sympathisch ist.

Sehr schöne Farbgebung an dieser 800er.

Aber wie bereits erwähnt, ist das Heerlager ziemlich ausgestorben durch die gemeinsame Ausfahrt. Und natürlich treffe ich auch Bambi mit seiner Marlboro-Big nicht, weil er unterwegs ist. So verlassen wir nach einer Stunde den netten Platz wieder und ziehen zum Mittagessen auf den Hoherodskopf an Doro’s Büdchen.

Angekommen am Hoherodskopf gibt es prima Currywurst mit Pommes, jede Menge Sonnenschein und noch mehr feinsinnige Konversation. Hätte gut noch ein paar Stündchen dort oben verbringen können.

Einige Mitglieder der Black Knights, des lokalen Polizei-Motorrad-Clubs, sind mit ihren Über-Enduros ebenfalls an Doro’s Büdchen. Gewaltigen Maschinen, diese GS.

Tiger und PanEuropean verabschieden sich und Reinhard und ich zirkeln mit unseren Mini-Enduros noch ein wenig durch den Vogelsberg und schauen uns beispielsweise den Totenköppel in Meiches an.

Das Spiel von Sonnenlicht und Schatten auf unseren Enduros versuche ich, hier festzuhalten.

Die alte Kirche auf dem Totenköppel stammt wohl aus dem 14. Jahrhundert.

Eine unglaublich einfache Kirche ohne Prunk und Glitzer – schlicht und arm wie es der Vogelsberg um diese Zeit wohl auch war.

Relativ neu auf dem Totenköppel ist die Hinweistafel mit markanten Punkten der Umgebeng sowie deren Höhe und Entfernung.

An diesem Tag reicht der Blick weit ins Land hinein bis zum Großen Inselsberg im Thüringer Wald – immerhin 86 km entfernt.

Nur wenige Kilometer weiter, zwischen Meiches und Köddingen, besuchen wir jetzt die Schwalmquelle – einen Ort, den ich schon seit über 30 Jahren versuche, zu finden. Bisher erfolglos, aber heute ist es soweit: Wir erreichen und „entdecken“ die Schwalmquelle.

Und es ist so einfach: Am Hinweisschild anhalten, ein paar Meter dem Pfad nach unten folgen ….

….. und voila, schon stehen wir vor der Schwalmquelle. Ich muß bei meinen frühen Versuchen sehr, sehr blind gewesen sein. Und damit ist unsere heutige kleine Reise fast beendet – zuhause angekommen sind wir 120 km gefahren. War sehr schön.