Fuhrparkreduzierung

Ein Tag großer Veränderungen für mich – aber das im Rahmen meiner Welle der Vernunft. In den letzten Monaten war es immer häufiger so, dass Besitz – in diesem Falle Motorradbesitz – zu einem Gefühl der Belastung geführt hat. Das kann nicht der Sinn der Sache sein und so habe ich weiter an der Reduzierung des Fuhrparks gearbeitet. Und an diesem Samstag gingen gleich zwei Maschinen weg – zum Glück innerhalb der AiA. Das macht den Trennungsschmerz etwas leichter. Ohnehin ist es verrückt, wie nahe hier Trennungsschmerz und Erleichterung beieinander liegen.

Jedenfalls kommen heute Andreas, der Kahlgryndige, mit Verena und dazu Justus. Andreas übernimmt mein gesamtes Planeta-Arsenal, dass damit in die bestmöglichen Hände überhaupt kommt. Als langjähriger Jupiterfahrer ist ihm die Marke IZH bereits vertraut, und dass der Wechsel von der zweizylindrigen Jupiter zum langhubigen Einzylinder Planeta nur von Vorteil sein, ist zumindest mir völlig klar.

Und gleichzeitig übernimmt Justus die SV650 – entweder für eine gute Freundin oder vielleicht auch zum Selberfahren. Auch Justus strafft und reduziert derzeit seinen Fuhrpark – das scheint mir momentan ein verbreiteter Trend zu sein.

Mit der Planeta gebe  ich ein Motorrad auf, dass ich sehr gern hatte und mit dem ich mich identifiziert habe. Und die SV650 war zweifellos das beste und vernünftigste Motorrad, dass ich je hatte. Und dennoch: Es überwiegt letztendlich das Gefühl der Erleichterung und der Wegfall einer Belastung. Und ganz ehrlich: Es ist ja nicht so, dass ich jetzt nichts mehr zum Fahren hätte: Da stehen immer noch drei 500er Rotaxe, eine 400er Suzuki-Enduro ist in Arbeit und das Motorrad meiner Träume – eine W650 – steht quasi vor der Tür. Also alles gut.

Die Planeta steht in Mücke bei Egon, die SV bei mir in der Scheune. Die Suzi überführe ich also gegen 11:00 und mache einen dicken Umweg und damit eine letzte 80km-Fahrt über den Vogelsberg. Ab Ullrichstein ist der Vogelsberg ein einziges kaltes Nebelloch mit nassen, gefrierenden Straßen und vereistem Visier. Und dennoch schön zu fahren .....

Beim Abstieg von Ullrichstein verschwindet der Nebel sehr schnell und es gibt sogar stellenweise trockene Straßen. Diese letzte Fahrt mit der SV wird damit doch noch zum richtigen Vergnügen und es macht riesigen Spaß, noch ein paar mal blitzschnell auf 160 km/h zu kommen. Hier an der Fachwerkkirche in Ruppertenrod ist die Fahrt dann aber auch beinahe zu Ende - nur noch 5 km bis zu Egon.

Angekommen in Mücke bei Egon sind Verena, Andreas und Justus bereits vor Ort. Nach kurzem Smalltalk beschäftigt sich Andreas mit Polja, der Solo-Planeta, und startet gerade zu einer kleinen Probefahrt. Obwohl: Ich habe ihn gewarnt: Die Kupplung trennt, ähhh sehr schlecht oder nach dem langen Stehen vielleicht auch erst einmal überhaupt nicht.

Andreas fährt einfach los, kracht beinahe gegen das gelbe Rotax-Gespann von Egon, umschifft aber in letzter Sekunde die gelbe Gefahr und fährt dann einfach mit nicht-trennender Kupplung vom Hof. Ich hätt's wissen müssen: Ein IZH-Fahrer kommt mit solchen Kleinigkeiten locker klar.

Die Probefahrt verläuft ohne Probleme, Schäden oder Blessuren. Kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Kahlgryndige und die Planeta eine gelungene Symbiose eingehen werden.

Die Entscheidung pro Planeta scheint gefallen .....

Justus hat sich derweil ein paar Sekunden mit der Suzi beschäftigt und von Ruth und Egon einige spezielle SV-Tipps erhalten. Die beiden harmonieren optisch ganz vorzüglich - Justus ist einfach ein V-Mann 🙂

Nun werden einige Kisten mit Ersatzteilen in den kahlgryndigen Transporter eingeladen. Hatte doch recht viele Teile sowohl für die SV als auch die Planeta gesammelt. Das Jäger-und-Sammler-Gen ist schon sehr ausgeprägt bei mir. Die chinesischen Schwerlastregale leeren sich gewaltig.

Justus streift sich eine spätsommerlich anmutende Bekleidung über, hockt sich auf die SV und fährt los, als hätte er nie etwas anderes gefahren. Dabei hat dieser kurzhubige und hochdrehende Sportmotor so gar nichts mit seinen sonst favorisierten Motorkonzepten zu tun. Aber ich weiß aus eigener Erfahrung: Die SV macht einfach Spaß. Geringes Gewicht, ausreichend Power, prima Fahrwerk, agiler Motor. Mehr braucht kein Mensch, so schrieben bereits 1999 einige Motorrad-Tester.

So, und nun sind zwei weitere Maschinen aus meinem Fuhrpark verschwunden. Nach einer ganz kurzen Phase der Wehmut spüre ich, wie erneut das Gefühl der Belastung reduziert wird und die Erleichterung überwiegt. Ich würde mal sagen: Alles richtig gemacht, ist OK so. So what!

 

Was für ein Oktobertag !

Dieser letzte Oktobertag des Jahres 2011 bietet ein unglaubliches Wetter! Bereits am Vormittag wird es warm und wärmer, die Sonne scheint vom fast wolkenlosen Himmel und die Temperaturen steigen auf gefühlte 20°. Wer ein fahrbereites Motorrad sein eigen nennt und ein wenig Zeit hat, der muss jetzt einfach fahren – und genau das tue ich,  zur Entspannung und als Therapie.

Die SV650 hab ich jetzt auch schon fast einen ganzen Monat nicht bewegt – das wird sich heute ändern.Nach der langen Standzeit hat die Batterie ein wenig Mühe, den Motor zum Leben zu erwecken. Aber es klappt ohne Starthilfe und nach ein bisschen Luft auffüllen, Kette kontrollieren und Scheibe und Scheinwerfer reinigen bin ich unterwegs. Es ist einfach herrlich, ohne die dicken Winterklamotten der letzten Tage zu fahren, fast wie im Frühjahr.

Eine lange Reise soll das heute nicht geben, aber ich stelle mir so 100 gepflegte und lockere Kilometer vor. Wie fast immer, zieht es mich zunächst in den Vogelsberg und über Wohnfeld und Altenhain nach Schotten.

Und neben dem Wahnsinnswetter gerate ich bereits nach wenigen Kilometern mitten hinein in den Indian Summer - und diesmal richtig. Überall scheint quasi über Nacht die rote Farbe aus den Bäumen und Büschen hervor gebrochen zu sein. Das ist exakt der Herbst im Vogelsberg, wie ich ihn liebe. Dass er allerdings erst im November so auftritt, wundert mich schon. Aber was ist in unserer Welt überhaupt noch so, wie man es erwartet? Quasi nix ....

Da heute ein normaler Wochentag ist, gönne ich mir auch eine Fahrt durch den Laubacher Wald und wieder zurück bis Schotten. Am Falltorhaus soll heute ein Kaffeetrinken für die Saisonkennzeichenfahrer stattfinden, aber ich sehe im Vorbeifahren nur 2, 3 Maschinen und halte deshalb gar nicht erst an. Das mache ich erst später mitten auf der Strecke um zu zeigen, dass Suzuki-Gelb im Herbst fast eine Tarnfarbe ist.

Wenn ich schon mal in Schotten bin, kann ich auch eben beim Kawasakihändler Dirk reinschauen - vielleicht ist mal wieder ein Blick auf die W 800 drin. Zuerst meint Dirk, es wäre keine W mehr da, sein Vorführer sei verkauft. Aber dann fällt ihm ein, dass er das gute Stück ja zum Überwintern hier hat und natürlich kann ich mir das gute Stück ansehen.

Und da steht sie, eine W800 in wunderschönem Metallic-Grün. Aber heute kann ich erstmals ohne Neid und ohne Verlangen hinsehen, denn in kurzer Zeit werde ich selbst eine W haben: Eine W650.

Klick hier, um einen Blick auf meine zukünftige W650 zu werfen.

Nach kurzem Aufenthalt gehts weiter in Richtung Nidda. Am Stausee bekomme ich einen Mini-Indian-Summer geboten.

Auf verschlungenen Pfaden erreiche ich das Hungener Seenland und an einem der vielen Seen will ich ein kleines Päuschen einlegen. Kaum bin ich abgestiegen, lässt sich dieser kleine rotschwarze Käfer auf meinem Tankrucksack nieder. Possierlich .....

... aber innerhalb von Sekunden werden es mehr und immer mehr. Im Helm, in den Jackentaschen, in den Ärmeln, auf der gelben Suzi, die wohl für eine Dotterblume gehalten wird - alles voller Marienkäfer. Es müssen Tausende, ach, was sag ich, Hunderttausende sein. Und jetzt wundere ich mich nicht mehr, dass bereits in Schotten beim Kawahändler so ein Tierchen in meinen Helm gekrochen ist.

Die Luft surrt und brummt nur so und nicht nur auf mir und der Suzi lassen sich die Burschen nieder. So etwas habe ich in der Konzentration noch nicht erlebt. Vor ein paar Jahren im Frühjahr gabs mal etwas ähnliches mit Maikäfern, aber das hatte aufgrund der Grösse der Maikäfer eine andere Dimension. Die prallten damals wie Geschosse vor mein Visier.

Ich schaffe so gerade noch ein Foto, bevor ich kapituliere und vor den Heerscharen an Käfern flüchte. Schätze, so an die 100 Stück sitzen auf und hinter der Verkleidung meiner Suzi, immer wieder taucht einer im Helm auf - es ist lustig, aber auch nervig. Bis Tempo 120 halten die Käfer es auf der Verkleidungsscheibe aus und ich muss auf über 140, um die Brut nach und nach los zu werden.

Dieser herrliche Tag hat aber auch seine Schattenseiten - im wahrsten Sinne des Wortes. Durch die tiefstehende Herbstsonne und das Schattenspiel in den Waldstücken passiert es, dass ich plötzlich fast im Blindflug segele. Ist nicht ungefährlich, aber das kennt ja jeder, der an solchen Herbst- oder Wintertagen unterwegs ist. Muss man halt etwas vorsichtiger sein und bedenken, dass es auch manchem Entgegenkommer so geht.

Nun gehts zurück in den Vogelsberg, zuerst zum Tanken nach Ullrichstein und dann zur Volkssternwarte nach Stumpertenrod.

Jetzt habe ich die 80.000er Marke mit der Suzi geknackt - und habe dennoch grösstes Vertrauen in die Maschine. Hätte keinerlei Bedenken, nach einer kurzen Ölstandskontrolle direkt nach Österreich zu fahren und in der Steiermark den Gerhard zu besuchen. Die Suzi würde das sicher locker mitmachen. Aber so sind eben japanische Motorräder. Bereits vor 30 Jahren hab ich eine 6000 km Urlaubsfahrt durch Skandinavien gemacht - mit eine Honda CB 750 K2, die ebenfalls über 80.000 km gelaufen hatte.

Logisch: Je später es wird, umso extremer werden die Lichtspiele. Daneben komme ich immer wieder durch Waldstücke, in denen der Strassenbelag noch feucht und durch abgefallene Blätter aalglatt ist. Das ist Fahren im Herbst in all seinen Nuancen.

Kurz vor daheim halte ich noch eben beim Merlauer Schlüsseldienst, um aus dem vorhandenen Rohling endlich einen Zweitschlüssel für die Suzi machen zu lassen. Aber das scheint richtig schwierig zu sein, denn der neue Schlüssel hakelt und lässt sich kaum im Zündschloß drehen. Es dauert einige Zeit, bis wir auf das Zündschloß selber als Ursache kommen. Werde es morgen mal mit Benzin innerlich reinigen, ausblasen und mit Graphitpulver behandeln. Da dürfte nämlich mal jemand Öl hinein gesprüht haben ... wer das wohl gewesen ist? 🙁

Der Tag und die Fahrt gehen genau so schön zu Ende, wie sie begonnen haben. Immer wieder faszinierend, wie schnell 100 km mit der Suzi abgespult sind - heute waren es doppelt so viel. Und noch immer wundere ich mich, dass ich derart viel Spaß mit einem Motorrad habe, dass mir eigentlich gar nicht liegen dürfte: Zu hochdrehend, zu sportlich, zu kurzhubig, zu unklassisch. Ganz ernsthaft denke ich darüber nach, diese Suzi auch dann zu behalten, wenn die W650 in der Garage steht. Nur so als Ergänzung, nicht als Konkurrent.

 

Frankfurter Speckgürtel, der Main und ein Motorrad namens G80

Seit der Entdeckung der ebay-Kleinanzeige mit der G80 schlafe ich nicht mehr gut! Dann musste auch noch der erste Besichtigungstermin verschoben werden, aber heute, am Tag der Deutschen Einheit, ist es soweit. Bereits um 7:00 bin ich mit der gelben SV startklar, denn ich muss vor 10:00 am Ziel sein. Dazu muss man wissen, dass ich mich im Rhein-Main-Gebiet quasi überhaupt nicht auskenne und mit einigen Verfahrern rechne.

Um 7:00 ist es noch dunkel, kalt und nebelig – andererseits sind die Strassen noch menschenleer. Da fahre ich eigentlich am liebsten und auch heute gefällt mir diese Fahrt in den beginnenden Tag hinein.

Der Tank reicht noch für ca. 100 km, das sollte genügen. Aber meine Geldbörse ist ziemlich leer und das kann mir nicht gefallen. Wer weiß, ob ich nicht doch ein wenig Bares benötige. Also erst einmal nach Grünberg an den Geldautomaten der Sparkasse. Auch hier bin ich um diese Zeit völlig allein.

Über Grünberg und Hungen geht's in die Wetterau. Auf den Wiesen und Äckern hängt überall der Frühnebel - ein hübscher Anblick. Hier entschliesse ich mich, in Wölfersheim und bis Bruchköbel auf die Autobahn A45 zu fahren.

Auf den gut ausgebauten und um diese Zeit noch leeren Strassen der Wetterau komme ich gut voran - natürlich unter völliger Missachtung des Landstrassen-Limits von 100 km/h. Jetzt geht die Sonne als glutroter Ball auf und verspricht erneut einen warmen und schönen Tag.

Sehr schnell erreiche ich die Auffahrt Wölfersheim und tuckere zwischen 130 und 150 km/h in Richtung Hanau. Auch die Autobahn ist noch herrlich leer, aber es wird wieder nebeliger und der Asphalt ist stellenweise richtig nass.

Eine Pinkelpause gönne ich mir auf dem leeren und leicht verschmuddelten Parkplatz wenige Kilometer vor der Abfahrt Erlensee. Dort verlasse ich aber die A45 und quäle mich durch etliche schlecht beschilderte Orte und grauenhafte Umleitungen über Erlensee, Bruchköbel, Mittel- und Wachenbuchen nach Maintal. Dort muss ich in Dörnigheim die Fähre über den Main finden, was auch nicht gerade einfach ist.

Aber es gelingt - ohne Navi und ohne Karte, aber mit der freundlichen Unterstützung einiger Einheimischer. Eine nette Dame in Bruchköbel versetzt mich beinahe in Panik als sie berichtet, dass die Fähre in Dörnigheim wegen Wartungsarbeiten nicht fährt, aber das erweist sich zum Glück als Irrtum. Später erfahre ich, dass die Rumpenheimer Fähre gerade still steht , also war es nur eine kleine Verwechselung. Hier habe ich die Anlegestelle gefunden und warte auf die Rückkehr der Fähre, was nur wenige Minuten dauert.

Für 60 Cent bringt mich der Fährmann über den Main. Ich liebe Wasser und Fähren und geniesse auch diese kurze Fahrt entsprechend.

Bereits die letzten Kilometer waren wieder sehr nebelig und auf dem Main ist der Nebel noch stärker.

Der Ferryman bringt uns heil über das wilde Gestade und nach ein wenig Sucherei finde ich auch den Ortsteil Dietesheim. Ich erinnere mich, hier vor ein paar Jahren mal eine Hessische Meisterschaft im Grosskaliberschiessen mitgemacht zu haben und es fällt mir ein, dass ich damals ähnlich intensiv suchen musste. Habe aber sehr gut geschossen und einige Titel geholt und das gibt mir Hoffnung auf einen erneut erfolgreichen heutigen Tag. Jetzt habe ich mein Ziel erreicht und es ist noch nicht einmal 9:00.

Und das ist der Grund meiner heutigen frühen Fahrt: Eine Harris Matchless G80 aus den 80er Jahren mit dem 500er Rotax-Motor, wie er mir aus meinen Emmen wohlbekannt ist. Ralf, der Anbieter, wollte damals unbedingt und um jeden Preis dieses Motorrad besitzen und hat auf der Veterama das Prachtstück gekauft. Gefahren hat er es aber so gut wie nie - aber haben wollen reicht auch für mich als Grund völlig aus.

Wir schieben die schöne G80 aus dem engen Hausflur und ich betrachte sie mir ausgiebig. Die englische Schule ist klar erkennbar, obwohl viele italienische Zutaten benutzt wurden: Del'Orto Vergaser (36mm), Pailoli Gabel und Federbeine sowie Brembobremsen. Nach wenigen Sekunden - es mögen auch Milisekunden gewesen sein - bin ich entschlossen, die Matchless zu kaufen.

Das Konzept der Matchless ähnelt durchaus dem der MZ Silverstar, scheint aber konsequenter und mit besseren Zutaten umgesetzt zu sein. Dazu ist die englische Linie sehr gut getroffen und das passt einfach.

Die hintere Bremsanlage kommt mir extremely british vor .....

.... wozu besonders die konische Radnabe beiträgt. Also was soll ich sagen: Ralf und ich sind uns ruckzuck handelseinig, ich hinterlasse eine Anzahlung und packe dafür schon mal etliches an Dokumentation in den Tankrucksack. Abholen werde ich die G80 später.

Zufrieden mit der Aktion trete ich gegen 10:00 wieder die Heimreise an. Jetzt finde ich die Mainfähre sofort und freue mich auf eine weitere kleine Überfahrt.

Der Nebel hat noch einmal an Intensität zugenommen. Für die Rückfahrt verzichte ich auf die Autobahn-Benutzung und quäle mich anfangs wieder durch den Frankfurt-Hanauer Speckgürtel und halte dann über Nidderau auf Friedberg zu. Spätestens ab da kenne ich mich wieder ganz gut aus.

Einmal verfranse ich mich aber noch und bemerke erst hier, am EON-Wasserkraftwerk, dass ich mich quasi schon in Hanau befinde. Also zurück nach Maintal.

Nidderau, Niddatal, Wöllstadt, Friedberg, Reichelsheim, Echzell - ohne Pause treibe ich die SV jetzt bis hoch auf den Berg von Stornfels, dem letzten Ort der Wetterau. Dahinter beginnt schon wieder der Vogelsberg und nun bin ich sehr bald zu Hause. Das muss auch so sein, denn in Lardenbach ist heute Oktoberfest und da will ich mir eine schöne knusprige, salzige und fette Haxe holen. Und so geschieht es.

Rein lesetechnisch sind die nächsten Abende gerettet - und die Themen werden dabei nur Matchless und Rotax heissen. Die nächste Frage ist jetzt aber, was ich nun verkaufen und abgeben soll - denn im Prinzip reite ich nach wie vor auf der Welle der Vernunft und reduziere meinen Fuhrpark. Das mag im Moment anders aussehen, aber es gilt nach wie vor. Ihr werdet sehen!

 

 

Mal wieder: Der Hessenpark in Neu-Anspach

An so einem schönen Frühherbsttag nicht Motorrad zu fahren, wäre ein schwerer Frevel – also wird eine Ausfahrt geplant. Der erste Plan war eine kleine Gespannunterweisung für einen Neuling (Marc) mit anschliessender Gespannausfahrt mit 4 Beiwagenmaschinen. Aber das hat sich leider zerschlagen und so kommt der Hessenpark ins Spiel. Die Tageszeitung berichtet von einer Schlepperschau dort und dass als besondere Attraktion eine gewaltige Kartoffel-Dämpfmaschine vor Ort sein wird, die leckere Kartoffelgerichte für die Besucher herstellt. Und nach drei Jahren Pause sollte man sich den Hessenpark ruhig mal wieder anschauen.

Um 11:00 treffen Ruth, Egon und Reinhard bei mir ein, ich schaue noch schnell nach dem Öl der SV 650 und dann gehts über Hungen und Friedberg nach Neu-Anspach. Rein fahrerisch ist die Route nicht besonders anspruchsvoll, aber heute ist ausnahmsweise mal nicht der Weg das Ziel, sondern das Ankommen.

Über die Fahrt in den Hessenpark gibt es nicht viel zu berichten. Wir bewegen uns meist auf schnellen, aber auch stark befahrenen Bundesstrassen. Nett ist beim Tankstopp in Hungen dieser kleine gelbe Fiat 500, der farblich vorzüglich zu meiner SV passt.

Auch die Mitfahrer mögen den kleinen Reklameflitzer und der Besitzer, ein italienischer Pizzeriabesitzer, ist von der Zusammenstellung in Gelb begeistert.

Wir haben den Hessenpark erreicht und wie erwartet, ist der Besucherandrang enorm. Alle Parkplätze, auch die für Motorräder, sind rappelvoll. Egal, wir stürzen uns mit in das Gewühl.

Hier beginnt der Park und zeigt uns historische Gebäude aus dem Hessenland, quasi ein hessischer Microkosmos.

Für Reinhard, ab heute auch Julius genannt, ist der Besuch eine Premiere. Deshalb hier das Beweisfoto: Reinhard war im Hessenpark.

Der Park empfängt dich mit einem Markplatz, auf dem wiederaufgebaute Gebäude aus ganz Hessen sich zu einem „neuen“ Ort zusammen gefunden haben.

Ist es Zufall oder ist mein Hundeblick durch Leihhund Yellow neu geschärft worden? Jedenfalls fallen mir heute viele Hunde auf, aber so eine Ansammlung von 5 oder 6 gewaltigen Neufundländern ist natürlich auch nicht zu übersehen.

Irgendeine landwirtschaftliche Spezialmaschine werkelt hier – leider weiss ich nicht mehr, um was für einen Apparat es sich hier handelt.

Eine gewaltige Menge an Schleppern hat sich hier eingefunden und wir erkennen etliche Oldtimervereine aus dem Voglesberg hier wieder. Alles was in der Schlepperszene Rang und Namen hat, ist heute in Neu-Anspach vertreten.

Ein Schild in Sütterlinschrift – und obwohl ich diese Schrift in der Volksschule noch gelernt habe, gelingt es mir nicht, das Geschreibsel zu lesen. Aber Reinhard und Ruth schaffen es – Respekt.

Parallelen zur Motorrad-Oldtimerszene: Manche Exponate sind derart gut und schön restauriert, dass ein wenig die Authentizität verloren gegangen ist. Die Gratwanderung zwischen Überrestaurierung und idealer Patina ist sicher schwierig. Mir persönlich ist aber mittlerweile ein Fahrzeug mit altersgerechter Patina lieber als ein perfekt restauriertes. Das war mal anders, aber ich habe meine Ansicht dazu geändert.

Der orangene Bautz ist für die harte Arbeit auf dem Feld viel zu schade.

Eine der wichtigsten Stationen des heutigen Tages ist die Kartoffeldämpfanlage, an der wunderbare Kartoffelgerichte serviert werden. Für ganz kleines Geld bekommen wir hier eine herrlich einfache und schmackhafte Mahlzeit. Wie beinahe überall gilt auch hier: Einfachheit ist genial.

Vor einem Holder-Weinbergschlepper wirkt auch der normal grosse Reinhard wie ein Riese.

Ein in unseren Breiten ungewöhnliches Nutzfahrzeug ist der österreichische Pinzgauer, der hier zusammen mit etlichen Unimogs ausgestellt wird.

In einer alten Blaudruckerei werden wunderschöne alte Drucke gezeigt. Erstaunlich, dass diese Technologie in vielen Ländern der Welt bekannt und verbreitet war: Von China über Südamerika bis nach Hessen.

Windmühlen gab es auch in Hessen und keineswegs nur in Holland oder Norddeutschland.

Eine weitere Windmühle in völlig anderem Stil.

Ein Schmeerofen, wie er beispielsweise im Raum Kirtorf und Neustadt früher recht häufig war. Bis heute war ich der Meinung, dass in diesen Öfen etwas essbares hergestellt wurde, aber in Wahrheit wurde hier Pech produziert.

Meine netteste Begegnung des Tages ist dieser chinesische Shar-Pei, der gar nicht so faltig ist, wie ich immer glaubte. Ein wunderschöner Hund mit herrlich ausgeglichenem Charakter – der Bursche würde mir auch Spass machen.

Ruth glaubt sich in ihre Kindheit zurück versetzt: Ihr Vater hatte ebenfalls eine Stellmacherei, allerdings nicht in Hessen, sondern in Nordhorn in Schleswig-Holstein.

Schlepper in dieser Auto-ähnlichen Bauweise haben mich schon immer fasziniert.

Die langen Wege und die starke Hitze haben uns in unseren Motorradklamotten doch ordentlich geschlaucht und es wird nun Zeit, sich wieder den kühlen Fahrtwind um die Nase wehen zu lassen. Aber vorher stehen Ruth und Egon noch beim Park-internen Bäcker nach frischem Brot an.

Zurück auf dem Parkplatz schauen wir uns noch ein paar Besucherfahrzeuge an und dann gehts auf Nebenstrecken über Butzbach zurück in den Vogelsberg.

Egon kennt ein paar spezielle Strässchen an der Nahtstelle zwischen Taunus und Wetterau, die eher an Österreich als an Hessen erinnern. Dummerweise zickt nach dieser Rast Reinhards Honda ein wenig und sie muss durch längeres bergabrollen wieder in Gang gebracht werden. Danach springt die gute XL aber wieder prima an. Nach 150 km ist dieser schöne Tag für uns gegen 18:00 zu Ende.

 

 

 

 

70 Kilometer vor dem grossen Sturm

Die Vorhersagen für den heutigen Sonntag sind derart, dass es bis zum späten Mittag trocken, warm und schwül ist und dass dannach der grosse Regen mit Sturm und Hagelschauern kommen soll. Seltsamerweise habe ich keinen Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Vorhersage und beschliesse deshalb eine Ausfahrt, die mich niemals wirklich weit von der heimischen Garage entfernt. Auf diese Weise kommen auch nur 70 km zusammen, eine lächerliche Entfernung, aber ich bleibe dafür trocken.

Als ich gegen Mittag starte, haben sich Hitze und Schwüle bereits gelegt und es beginnt, sich leicht zuzuziehen. Bei diesem Wetter lässt es sich sehr gut fahren und angenehm leicht fahre ich kurz zum Falltorhaus. So oft wie in diesem Jahr bin ich an diesem Bikertreffpunkt noch nie gewesen - nach wie vor ist das aber nicht der beste Ort für mich. Immerhin falle ich mit der SV hier nicht weiter auf.

Es wird sichtbar dunkeler und windiger, der ohnehin dünn besuchte Treffpunkt leert sich mehr und mehr. Kurz nach der schwarzen Kawasaki verlasse ich ebenfalls den Ort - aber nach Hause will ich noch nicht. Ein wenig versuche ich mein Glück und schwenke über Laubach in Richtung Grünberg.

Bei Stangenrod beschliesse ich, kurz auf die Autobahn zu fahren, den Motor mal richtig auszufahren und dabei die Batterie vernünftig zu laden.

Und so mache ich das! Mal kurz auf 180 beschleunigt, an der nächsten Ausfahrt das Asphaltband wieder verlassen und dann ab nach hause. Die ersten Regentropfen bekomme ich noch ab, bevor wir zuhause ankommen. Nur 30 Minuten später kommen dann die angekündigten Regenmassen zusammen mit Hagel und Sturm herunter. Hat also alles gepasst heute und 70 Kilometer sind besser als nix.