Fünf Tage im Eichsfeld

Wappen_Landkreis_EichsfeldMeine erste Begegnung mit dem Eichsfeld ist sehr, sehr lange her und literarischer Natur: In einem grausigen Roman über den Dreißigjährigen Krieg wurde immer wieder diese Landschaft erwähnt, die unter dem Krieg böse gelitten hat. Viele Jahre später – inzwischen ist Deutschland nicht mehr zweigeteilt – lese ich ab und zu Reiseberichte aus dem Eichsfeld. Aber mit der wirklichen Begegnung muß ich bis ins Jahr 2012 warten. Bei der Befahrung diverser Kolonnenwegen, also alter Grenzpfade, geraten meine Gefährten und ich auch ins Eichsfeld – und sind von der Landschaft als auch von den Menschen hier positiv beeindruckt. Wir nehmen uns alle vor, diesen zauberhaften Microkosmos zwischen Werragebirge und Thüringer Wald noch einmal zu bereisen.

In leicht veränderter Besetzung findet unsere zweite Reise in das Eichsfeld im August 2013 statt. Meine Reisegefährten sind diesmal Suse und Reinhard und als Reisefahrzeuge haben wir nicht die Enduros, sondern drei englische Motorräder gewählt. Ob die leicht übergewichtigen dreizylindrigen Thunderbird 900 eine gute Wahl sind, wird sich schnell heraus stellen.

Die Testfahrten mit den Donnervögeln verliefen allesamt sehr ordentlich und wir sind guten Mutes, die richtige Wahl getroffen zu haben. Am Dienstag, den 6. August 2013 um 8:30 beginnt unsere Reise in das Eichsfeld mit einem letzten Vogelsberger Frühstück in Ilsdorf bei Reinhard.

Die Wetterprognosen sind leider nicht besonders gut, und wir rechnen damit, noch trocken das Eichsfeld zu erreichen, dann zwei Tage mit Starkregen und Hagel zu verbringen um die Heimfahrt dann wieder trockenen Fusses zu bewältigen. Klingt nicht toll, aber wir müssen es nehmen, wie es kommt. Und es kommt völlig anders. Doch dazu später.

Unsere Reisekonstellation mit einer jungen Lady und zwei alten Männern mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen – uns jedoch kommt das total normal vor. So what!

6. August 2013: Aufbruch und Ankunft im Eichsfeld

7. August 2013: Die drei Metropolen des Eichsfeldes

8. August 2013: Der Kyffhäuser

9. August 2013: Chaos im Harz

10. August 2013: Eichsfeld Adieu

 

Und falls jemand tatsächlich noch nicht weiß, wo sich das schöne Eichsfeld befindet: Hier ist die Karte dazu.

eichsfeld

Im Nahbereich

Eigentlich sollte ich am MG weiterschrauben oder die Thunderbird für die Fahrt ins Eichsfeld vorbereiten – eigentlich. Aber ich mache beides nicht sondern fahre mit Jürgen und Reinhard zu einer Art Dienstgespräch. Wir diskutieren, ob eine gemeinsame Fahrt nach Niederösterreich im August im Bereich des Möglichen liegt. Dieses Gespräch werden wir am Nidda-Stausee führen und danach noch ein wenig in der näheren Umgebung sinnlos Benzin verbrennen.

W650

Unterwegs mit sehr unterschiedlichem Maschinenmaterial: Königswellen-Twin, V-Twin und Reihendreizylinder. Passt trotzdem.

W650

Zuerst sollte das Arbeitsgespräch am Antrifttal-Stausee stattfinden, dann bei Doro auf dem Hoherodskopf und gelandet sind wir dann am Nidda-Stausee.

Niederösterreich Treffen

Es scheint nicht ganz einfach zu sein, eine Niederösterreich-Reise im August terminlich unter einen Hut zu bringen. Jedenfalls kommen wir heute zu keiner Entscheidung.

Nidda Stausee

Wir schauen uns noch den Nidda-Stausee an, der ja wirklich nur ein besserer Teich ist.

OTC

Während Jürgen nun zum Mittagessen fährt, besuchen Reinhard und ich kurz das Oldtimer Cafe. Es ist nicht allzu viel los dort und neben den beiden Tigern ist das Maschinenmaterial sehr Milwaukee-lastig.

W650

Anschliessend kurven wir noch runde 100 km durch das Kinzigtal um dann über Hoosenfeld wieder in Richtung Vogelsberg zu fahren. Hier entsteht gerade ein Werbefoto im Stil der 70er Jahre mit einem dreizylindrigen Engländer und einem Fahrer in stilsicherer Bekleidung.

Caferacer

Und falls jemand wissen möchte, wer diese tollen Lederjacken herstellt: Die Antwort …..

Caferacer

…… sehr ihr hier. Als ich nach 150 km wieder zu Hause bin, begebe ich mich doch noch an die letzten Vorbereitungen für meinen Donnervogel. Obwohl: Bei diesem Motorrad habe ich das Gefühl, jederzeit und ohne besondere Maßnahmen quer durch Europa fahren zu können. Wir werden sehen, ob dem wirklich so ist. Für eine statistische Auswertung sind unsere drei Thunderbird schon eine aussagekräftige Menge.

Der englische Patient

Seit drei Wochen habe ich den MGF nicht mehr bewegt – leider nicht ohne Grund. Der Motor hat Kühlflüssigkeit verloren und es hat sich heraus gestellt, dass diese über die Zylinderkopfdichtung heraus gesuppt ist. Da ist er also, der HGF, der Head Gasket Failure, wie er im MG-Forum genannt wird.

Bisher konnte ich mich nicht überwinden, die Reparatur anzugehen, aber heute ist es doch soweit. Mit Reinhards Hilfe wollen wir zumindest die Demontage diverser Teile angehen und wenigstens den Auspuff komplett entfernen. Mal sehen, wie weit wir kommen.

Yellow

Früh am Morgen, noch vor der großen Hitze, steht der Gang mit Yellow an. Irgendwie scheint ihn die Hitze auch ein wenig verrückt zu machen und er geht sehr unkonzentriert an der Leine.

Yellow

Da fehlen wohl mal wieder ein paar disziplinarische Übungen, die wir sofort beginnen.

Yellow

Nur 10 Minuten Übungen, und schon ist mein Yellow wieder ganz der alte. Die Begegnung mit einem anderen Rüden verläuft jetzt auch hundetypisch und völlig unproblematisch. So soll es sein.

Vespa

Eine tiefe Ahnung sagt mir, dass ich heute nicht zum Motorradfahren komme und deshalb dehne ich die Rollerfahrt nach Ilsdorf auf runde 40 km aus – ganz ohne Zweirad an so einem schönen Tag, das geht einfach nicht.

Thunderbird

Angekommen in Ilsdorf sehe, dass bereits an einem englischen Patienten geschraubt wird – aber nicht am MG, sondern an Reinhards Thunderbird. Das sollte wohl eigentlich nur eine letzte Durchsicht vor der Eichsfeldfahrt werden, aber dabei wurde ein Fehler erkannt und behoben: Der Lüfter der T-Bird lief falsch herum und hat Luft vom Motor weg geblasen, anstatt Frischluft hineinzupusten. Das dürfte erklären, warum die Temperatur-Kontrollleuchte so oft geleuchtet hat.

MGF

Dann aber geht es an den wirklichen Patienten, den MG. Der Motor im Vordergrund dient dazu als Anschauungsobjekt, an dem wir sehen, wie diverse Teile entzfernt werden müssen. Sehr hilfreich!

Runde sechs Stunden schrauben wir an dem MG und das war nicht immer die reine Freude. Es geht schon sehr eng um den Motor herum zu und viele Teile sind, naja, sagen wir, schwer zugänglich. Gegen 20:00 sind aber Auspuff, Krümmer, Aunsaugbrücke, etliche Kühlschläuche und Nebenaggregate abgebaut. Nur zu oft war dabei die pure Fingerakrobatik gefragt. Eindeutig: Alleine hätte ich das nie hingekriegt.

Vespa

Nach den langen Stunden der Schrauberei lasse ich mich von der braven Vespa wieder auf Umwegen nach Hause bringen – jetzt ist es aber auch genug.

Durch das Rheintal

Das Rheintal, Rheinhessen, Hessen, Hunsrück, Soonwald – alles Begriffe, die ich zwar kenne, aber bisher nicht so richtig zusammen bringen kann. Das soll durch eine kleine Motorradfahrt durch das Rheintal anders werden, und gleichzeitig ist diese Fahrt ein letzter Test für den Besuch im Eichsfeld in der kommenden Woche. Schließlich müssen wir doch vorab klären, ob Suse, Reinhard und ich auch fahrtechnisch harmonieren.

Heute treffen wir uns um 8:30 zum zweiten Frühstück in Ilsdorf und spätestens um 9:00 soll es losgehen – dass es dann doch 9:30 wird, hat aber nachvolllziehbare Ursachen.

Vor dem zweiten Frühstück fahre ich noch schnell in den Nieder-Ohmener Netto-Markt  und kaufe einen 7″ Tablet-PC, den es ab heute dort für 79 € gibt. Darauf wollen wir die heutige Route als Bilddatei packen und das Tablet dann unterwegs als Kartenersatz nutzen. Ist auch erst einmal ein Test.

Um 9:00 ist es noch angenehm warm, aber es soll ja heute ein höllenheisser Tag werden. Wie recht die Wetterfrösche damit haben, werden wir schon bald spüren. Aber die ersten Kilometer sind prima.

Meine persönlichen Erfahrungen mit dem Rheintal beschränken sich auf einen Besuch in Rüdesheim vor vielen Jahren, wobei ich den kitschigen Weintourismus damals eher abschreckend fand – allerdings habe ich die Landschaft dabei nicht berücksichtigt.

Britbikes

Nur leicht verspätet starten wir die britischen Quarterhorses, die frisch geölt und betankt schon mit den Hufen scharren.

Britbikes

Wie angekündigt fordert der Kaffee des zweiten Frühstücks seinen Tribut durch mehrfache Pinkelpausen. Und weil wir ständig irgendwelche Flüssigkeiten nachkippen, bleiben uns diese Pausen auch den gesamten Tag erhalten. Diese erste Pause ist noch im Taunus notwendig und hier fallen auch die ersten Bekleidungsteile. Es wird wärmer!

Britbikes

Habe ich schon erwähnt, dass die Pinkelpausen-Intervalle heute recht häufig sind? Hier haben wir eine am Südrand des Taunus und gleichzeitig haben wir ein wenig den Überblick im Bereich von Schlangenbad und Bad Schwallbach verloren – aber nur ganz kurz.

rheintour

Wir sind wieder auf Kurs.

Britbikes

Endlich haben wir bei Eltville den Rhein erreicht und nehmen bereits bei Rüdesheim die Fähre, um auf der anderen Seite des Rheins weiter zu fahren. Die Überfahrten mit der Fähre, so kurz sie auch sind, bereiten mir von jeher großes Vergnügen. Ach ja: Die Strecke zwischen Eltville und Rüdesheim am Rhein entlang war schon recht nett. Nur den versprochen Mäuseturm bekomme ich dann doch nicht geboten.

Britbikes

In Rüdesheim ist quasi jeder Vorgarten ein kleiner Weinberg und die Hänge sind fest in der Hand der Weinbauern.

Britbikes

Das gesamte Rheintal ist ausgesprochen geschichtsträchtig, wovon überall Burgen, Schlösser, Klöster, Kirchen oder Mautstationen künden. Alles ist voller Fotomotive und ich komme mit dem Fotografieren nicht mehr nach.

Britbikes

Auch meine beiden Reisebegleiter erfreuen sich an der kurzen Rheinüberquerung.

Britbikes

Noch auf dem Schiff bekomme ich von Suse einen Crashkurs in Sachen Bandana – die erste Unterweisung vor etlichen Wochen hat nicht gereicht. Aber jetzt sitzt das!

Britbikes

Nun folgt eine längere Fahrt auf der anderen Rheinseite – sehr schön zu fahren und voll gepackt mit feinsten Motiven. Nur gibt es ganz wenig Orte, wo Du vernünftig anhalten kannst. Irgendwo vor St. Goar laufen wir quasi in letzter Sekunde ein Restaurant mit Rheinterassen an, dass noch eine halbe Stunde geöffnet hat.

Beim Parken der Britbikes hält ein PKW und ein Mann spricht uns wegen der drei Thunderbirds an. Er hat das gleiche Motorrad in der Garage stehen und freut sich, mal drei davon zusammen zu sehen – kommt ja auch nicht allzu oft vor. Wir sind uns einig, dass die Thunderbird „ein einwandfreies Motorrad“ ist. Nett!

Rheinterassen

Das Warten auf unsere Mahlzeit vergeht wie im Fluge mit der Betrachtung der beiden Seiten des Rheintals und mit Reinhards Erläuterungen dazu. Schön, wenn man auf einen native scout zurückgreifen kann.

Salate auf den Rheinterassen

Ohne jede Absprache wählen wir alle drei den frischen Salat und nehmen dazu reichlich Getränke zu uns. Lecker! Und ja, mittlerweile ist es nicht mehr warm, sondern glühend heiß. Die afrikanische Hitze strömt in großen Mengen ungehindert nach Deutschland, und wir kriegen sie voll ab.

Britbikes

Es geht weiter durch das Rheintal und immer schön am Wasser entlang. Normalerweise hätte ich hier im Minutentakt anhalten können, aber die Möglichkeiten dazu sind nicht gut. Das schlimmste aber ist die Tatsache, dass ich an der Loreley vorbei brettere. Unverzeihlich, und die einzige Entschuldigung ist, dass ich ein Denkmal mit einer riesigen Frauenstatue mit langem, blondem Haar erwartet habe. Dafür halte ich an diesem Fleckchen, wo es auch einiges zu sehen gibt: Eine Schiefertafel, eine Burg, …..

Britbikes

…. eine Zollstation im Rhein, Weinberge auf der anderen Rheinseite, …..

Britbikes

und karge und weinlose Hänge am Hunsrückseitigen Ufer.

Britbikes

In St. Goar besteigen wir erneut die Fähre und lassen uns wieder auf die andere Seiten schippern.

Britbikes

Auch bei dieser kurzen Fahrt kommt die Kamera nicht zur Ruhe – überall springen mich die Fotomotive an.

Britbikes

So viele Schlösser und Burgen auf engem Raum dürfte es nicht oft geben.

Kurz nach dem Verlassen der Fähre ist der Rhein ruckzuck verschwunden und wir tauchen ins Binnenland ein. Anfangs ist die Route noch durch schattige Wälder recht angenehm, aber bald fahren wir durchs offene Land und, noch schlimmer, durch endlose Ortsdurchfahrten.

Britbikes

Geleitet von einer inneren Stimme führt uns Reinhard nun zur Hollermühle, einem idyllischen Plätzchen tief im Wald und abseits der Strasse. Hier fühlen wir uns auf Anhieb wohl.

Britbikes

Traumhaft schön, versteckt und ein absoluter Geheimtip ist diese Hollermühle. Schätze, hier waren wir nicht zum letzten mal.

rheintour2

Unterwegs irgendwo im Rhein-Lahn-Kreis, einer mir fremden Gegend zwischen Rheingau, Taunus und Westerwald.

Jetzt wird die Fahrt ein wenig unerfreulich: Endlose Ortsdurchfahrten bei Höllenglut sind nicht wirklich spaßig. Den Rest gibt uns die Fahrt mitten durch Limburg , was eigentlich so nicht geplant war und von der wir uns den ganzen Tag nicht mehr erholen. Puh!

Britbikes

Bei Braunfels sehen wir zwar die Feste hoch oben über der Stadt, aber wir wissen nicht recht, wie die Route weiter verlaufen soll. Der Entschluß, dann nach Ehringshausen weiter zu fahren, ist aber nicht so übel.

Dummerweise verheddern wir uns in Ehringshausen noch einmal, bis Suse die kleine Route in Richtung Hohensolms auf der Karte entdeckt. So fahren wir dann eine wirklich schöne Strecke über Oberlemp und Bermoll nach Frankenbach. Nur sind wir aber inzwischen dermaßen platt, dass wir weder Fahrt noch Landschaft genießen können. Statt dessen eiern wir wie ausgedörrte Zombies durch die Gegend und schaffen es mit letzter Kraft in die Flensunger Eisdiele.

Hier bringen uns Stratiatella-Becher, After-Eight-Becher, diverse Kaffesorten und große Wassergläser die Lebensgeister zurück. Die Kilometer im Rheintal und auch die Anfahrt durch den Taunus waren richtig klasse. Die Rückfahrten im Dunstkreis der Moloche Gießen und Wetzlar allerdings sind nervig, und das war bisher noch bei jeder Reise in dieser Gegend so. Da müssen wir ernsthaft nach Alternativen suchen.