Wiedersehen mit einem Viadukt

Seit Dienstag Dauerregen in unserer Region, aber am Feitag wirds doch langsam besser. Gegen 18:00 wage ich einen kleinen Ausritt. Will eigentlich nur mal über meine Hausstrecke düsen (Elpenrod, Nieder-Gemünden, Rülfenrod, Ehringshausen, Ermenrod, Hainbach, Otterbach), aber diese 30 km reichen mir nicht und ich beschliesse, den alten Viadukt bei Alsfeld zu suchen, den ich vor 25 Jahren mal auf den schönen Fahrten mit meiner Maico M250B enteckt habe. Ist auch kein Problem, dieses Wiedersehen mit einem Viadukt.

Muss heute viel an die tollen Fahrten denken, die ich Ende der 70er mit meiner damals neu aufgebauten Maico unternommen habe. War sehr viel in der Rhön damit und bin an manchen Tagen über 500 km mit der Maico gefahren. Naja, war damals ein Jahr arbeitslos und hatte alle Zeit der Welt und keine Geldsorgen dabei. Seufz…, Zeit fehlt mir heute wirklich sehr. Häufig hab ich mit der Maico Feld- und Wirtschaftswege befahren und dabei auch mal den alten Viadukt bei Eifa entdeckt. Und heute werde ich den zum zweiten mal entdecken. Unterwegs gibts noch mal einen gewaltigen, aber nur kurzen Regenguss, der die GoreTex Kleidung aber nicht durchdringt.

Kurz vor Eifa runter von der Bundesstrasse und Du fährst direkt auf den gewaltigen Viadukt zu.

Ein schönes Bauwerk, wirkt ein wenig wie aus der Nazi-Zeit. Aber der Beton kann natürlich nichts für die Wirren der damaligen Zeit.

Dann schwing ich mal bewusst auf die Autobahn und fahre 50 km auf dem Betonband, einfach nur, um mich daran zu gewöhnen. Dann noch mal 30 km durchs Ohmtal und ich bin wieder zu hause. Fast jedenfalls, denn 5 km vorher kommt nochmals ein Regenguss der besonderen Art. Aber klar, August in Deutschland heisst ja jetzt wohl Regenzeit und da muss man mit solchen plötzlichen tropischen Güssen rechnen. Also doch noch ein wenig nass geworden, aber was macht das schon.

 

Hünfeld – wir kommen

Gutes Motorrad zu verkaufen – so hat der Vorbesitzer seinerzeit die Polizei-500R im SR500-Forum angeboten. Noch nie war mir so klar wie heute, dass das die absolut passende Formulierung ist. Um 17:00 an diesem freien Montag schnapp ich mir meine 500R und wir ziehen über Lauterbach und Schlitz in Richtung Hünfeld. Nun hab ich ja mittlerweile 2 verpatzte Fahrten nach Hünfeld hinter mir: Einmal bin ich in Fulda gelandet, das andere mal in Bad Salzschlirf. Aber heute wird es klappen, da bin ich mir sicher. Gut vorbereitet und mit dem guten Motorrad unterm Hintern heisst die heutige Devise: Hünfeld – wir kommen.

Schon nach wenigen Kilometern spüre ich, dass heute irgend etwas anders ist. Die Gegend um mich herum erscheint mir fast unnatürlich klar und schön – alles superscharf. Und die 500 R läuft besser als je zuvor, geradezu wie ein Uhrwerk. Wir spulen die Kilometer nur so ab und sind ruckzuck in Hünfeld – ohne uns auch nur einmal zu verfahren. Die Strecke zwischen Schlitz und Hünfeld ist allerdings alles andere als schön, da muss ich noch nach Alternativen suchen. Überraschenderweise gibts heute auch keine Pinkelpausen, obwohl ich mein Zeitlimit längst überschritten habe. Es wird einfach nur gefahren, ohne anzuhalten. Es ist eben irgendwie anders heute – alles. Hünfeld verlasse ich sehr schnell in Richtung Mackenzell, und hier wirds jetzt wieder richtig schön. Dann kilometerlang durchs kurvige Nüsttal, mittendrin wird nach Haselstein abgebogen. Von dort fahre ich weiträumig in Richtung Bad Hersfeld, leider ein paar Kilometer auf der schrecklichen B27, die sich schlimmer fährt als jede Autobahn. Bei nächster Gelegenheit also runter und eine Nebenstrecke durchs Haunetal in Richtung Niederaula genommen. Beim Abbiegen stehe ich eine geschlagene Viertelstunde mitten auf der B27, weil links eine Bahnschranke geschlossen ist, die 3 ellenlange Züge durchlässt. Katastrophe bei der Hitze. Aber die extremen Kurven und Serpentinen des Haunetals entschädigen dafür. Von Niederaula gehts dann über Schrecksbach und das Antrifttal zurück. 200 km mit meinem guten Motorrad. Als ich ankomme, ist es fast dunkel – eine schöne Fahrt mit Höhen und Tiefen.

Der erste Stop erst nach weit über 100 km - völlig ungewöhnlich für mich. Ein seltsamer Tag. An dieser Tanke in Niederaula gibts nur einen Energydrink, die 500 R braucht noch nix.

Bei Breidenbach/Herzberg biege ich ab in Richtung Schrecksbach und sehe dieses atemberaubende Tal. Kommt leider auf dem Foto nicht rüber, aber real sah das hier toll aus.

Stopp in Heidelbach beim "-Rad Müller. Hat fast nur noch Quads und Roller im Laden, lediglich 3 Motorräder. Eine schöne 1000er Aprilia und eine gut gebrauchte Seven Fifty gefallen mir ganz gut.

Vockenrod bei untergehender Sonne und eingestaubt durch etliche Mähdrescher. Erneut gelingt mir kein Foto, dass diese Atmosphäre rüberbringt - Mist.

Abenddämmerung am Waldrand bei Arnshain. Jaja, das schöne Antrifttal!

 

 

Probefahrt nach Schwingenumbau

Nachdem ich den Vormittag mit Werkstatt aufräumen und ein paar Schraubereien an der Polizei-Rotax verbracht habe, gehts mittags auf eine erste richtige Probefahrt mit dem umgebauten Gespann. Das vorn kein Schutzblech eingebaut ist und das die Bremsleitung gegen eine längere getauscht werden muss, stört mich jetzt nicht. Das Silverstar Gespann ist fahrbereit und ich will jetzt fahren! Die Sonne knallt, es ist tierisch heiss und ich mache mich auf eine kleine Probefahrt nach Schwingenumbau.

Der erste Eindruck: Das Gespann lässt sich jetzt richtig lnken! Es fährt wirklich und wahrhaftig dahin, wo ich hin steuere. Keine hoppeln und schieben mehr, Linkskurven fahren sich ohne Anstrengung und ich muss aufpassen, dass ich die nicht viel zu schnell angehe. Aber in Rechtskurven scheint das Boot noch schneller hochzukommen als vorher. Mindestens zwei mal kommt der Velorex heute hoch, einmal erschreckt er mich damit, das andere mal nicht. Vielleicht könnte das Boot wirklich etwas tiefer gestellt werden, aber erstmal fahren. Vieleicht ist es ja auch Gewohnheitssache. Jedenfalls ist das Fahren um Klassen besser geworden. Die Übersetzung mit dem 16er Ritzel passt jetzt, in Verbindung mit dem 15″ Hinterrad, auch sehr gut. Jetzt kann auch im 5 Gang gefahren werden. Durch das fehlende Schutzblech sehe ich den bösen Schlag des neuen Vorderrades sehr deutlich. Blöde Sache, warum wird einem bloss immer wieder so ein Murks verkauft. Aber egal, dadurch lass ich mir den Spass am „neuen“ Gespann nicht vermiesen. Es fährt sich nämlich wirklich wie ein neues Motorrad.

Meine beiden Silbersterne in Erwartung der Ausfahrt.

Die 5 km zwischen Windhausen und Köddingen haben es in sich. Bis auf ein paar Bauern bei der Ernte bin ich auf der Strecke alleine.

Die neue Schwinge hat das Fahrverhalten um Grössenordnungen verbessert. Ein teurer Spass, aber ich möchte das Teil nicht mehr missen. Die Hagon Federbeine scheinen zwar sehr hart, aber beim Fahren ist das nicht zu spüren.

Auch das 15" Hinterrad hat natürlich einen Anteil am neuen Fahrverhalten. Bin mal gespannt, wie lange der Reifen darauf hält. Im Moment ist ein Firestone drauf und einen Ersatzreifen hab ich auch schon in der Werkstatt liegen.

Jetzt der Aufstieg in den hohen Vogelsberg nach Ulrichstein. Hier am Vorwerk in Richtung Bobenhausen. Durch die jetzt passendere Übersetzung läufts viel besser die Berge hoch.

Bei Rülfenrod ein Blick auf die Kurven Richtung Niedergemünden. Nach ca. 150 km fahre ich jetzt wieder nach Hause. Was bleibt mir noch zu tun? Schutzblech vorn besorgen und anbauen, Bremsleitung beschaffen und dann noch der Ölkühler. Ein paar Grad weniger bei dieser Hitze tun dem Motor bestimmt gut.

Komplettumbau mit Hermann

Schraubertag mit Hermann: Nachdem klar war, dass der ES-Motor heute nicht repariert werden konnte, war keineswegs Feierabend. Als die nette Postbotin Conny die Motek-Schwinge für das Silverstar Gespann brachte, stand für ihn fest: Die wird heute noch eingebaut, ebenso das 16″ Vorderrad und das 15″ Hinterrad. OK, also keine langen Pausen, es geht los und es wird ein Komplettumbau mit Hermann.

Mit Hermann zu Schrauben macht enorm Spass und ich alter Sack lerne jedesmal etwas dabei. Wie der Bursche arbeitet: Respekt, Respekt! Jede Schraube, jede Scheibe, jede Mutter wird mit Überlegung und höchster Präzision verarbeitet. Gehudel und Pfusch gibt es nicht und wird auch nicht geduldet. Und wenn irgend etwas nicht exakt passt, dann wird es wieder auseinander gebaut und und passend gemacht. Die Ergebnisse sprechen aber für sich! Solche Schrauber wünscht man sich in den Werkstätten, aber da siehts oft genug anders aus. Toll, diesen Schrauber einen ganzen Tag für sich zu haben. Merci Hermann!

Die hübsche Postbotin hat die Schwinge gebracht und Hermmann hat soeben entschieden, dass diese eingebaut wird, und zwar jetzt. Vorher noch kurz diskutiert, warum Conny ihre neue Suzi GS 500 ständig umwirft, dann noch schnell eine Kippe gedreht, heute sogar mit Filter, und dann gehts los.

Die Gabel ist raus und das Hauptteil der Motek-Schwinge ist bereits eingebaut. Die Motek-Schwinge wurde ursprünglich von Büngert entwickelt und vertrieben - und bei dieser Firma Büngert hat Hermann ein paar Jährchen gearbeitet. Das passt natürlich und ich mach mir überhaupt keine Sorgen, dass die Aktion eventuell schiefgehen könnte - tut sie natürlich auch nicht.

Ein paar Stunden später ist die Schwinge eingebaut, ebenso das neue Vorderrad (3,50x16) und das neue Hinterrad (125R 15), beide mit VA-Speichen. Die ersten Probefahrten sind erfolgreich absolviert, Hermann hat das Boot nach 2 m Fahrt steigen lassen. Zwischendurch muss noch der Brembo-Sattel nachgearbeitet werden, damit die schwimmende Lagerung korrekt arbeiten kann. Das das neue Vorderrad einen bösen Schlag hat, ist weniger schön. Da muss ich nochmal mit dem Händler reden. Ein Schutzblech fehlt, das originale will ich nicht umbauen. Werde ein VA-Blech besorgen. Und die Bremsleitung ist einen Tick zu kurz, da muss eine neue her. Mittlerweile ist es draussen stockfinster.

Gegen Mitternacht ist das Werk vollendet und der Meister packt das Werkzeug zusammen. Jetzt hat Hermann noch rund 150 km Rückfahrt vor sich. Das nächste mal wird ein Zimmer in der hiesigen Pension gemietet - mit Blick auf die Ohm. Unser 55 Quadratmeter-Häuschen hat blöderweise kein Gästezimmer. Klar ist: Alleine hätte ich mit dieser Aktion doch meine Probleme gehabt, da waren etliche Stolpersteine dabei.

Am nächsten Morgen - Hermann ist hoffentlich längst zu Hause angekommen - mach ich mich in die Werkstatt und beginne das gestrige Chaos aufzuräumen. Zuerst kommen meine 3 Rotaxe mal raus - die DQ-Familie ist aber leider nicht vollständig: Das ES 250/1 Gespann ist nicht mal rollfähig. Traurig! Dann wird die Werkstatt aufgeräumt, und zwar so richtig.

Dann weiter mit der nächsten Aktion: Hermann hat gestern einen Tank von ner ollen Honda CB500 mitgebracht. Den will ich in meinem Cafe Racer Projekt verabeiten. Jawohl, die grüne Polizei-500er soll ein hübscher Racer werden. Mal eben den Tank und eine Höckerbank von ebay aufgelegt. Das sieht doch vielversprechend aus.

Jetzt denken wir uns noch die beiden Kotflügel weg, stellen uns ein glänzendes Schwarz oder ein dunkeles British Racing Green vor und schon entsteht vor dem geistigen Auge ein wunderschöner Single.

Hinten passt der Hondatank direkt und perfekt, die vordere Aufhängung muss aber angepasst werden. Als erstes müssen die Sturzbügel weg, das wird noch eben erledigt. Eines steht fest: Diesen Tank bekommt Hermamm nicht wieder - nie nicht.

Lost in Hessian Sibiria

Freitag Mittag, Wochenende, die Sonne scheint und ich bin um 14:30 schon zuhause. Und da ist ja noch eine Probefahrt mit dem Silverstar Gespann fällig: Das Schleifen in Rechtskurven scheint gefunden! Vor ein paar Tagen habe ich Nachbarin Ruth ohne Helm ins Boot gesetzt und bin ein paar Rechtskurven gefahren. Nach kürzester Zeit hatte die versierte Motorradfahrerin das Schleifgeräusch lokalisiert: Der relativ hohe Metzler Block K schleift in Rechtskurven, wenn die Maschinenfederung zusammen gedrückt wird, bös am hinteren Schutzblech. Ein wenig gebogen und gedengelt und schon war die nervige Schleiferei vorbei. Aber der Erfolg muss natürlich verifiziert werden.
Hatte mir für diesen Test eine Fahrt nach Nordhessen vorgenommen, nach Wabern-Harle zum Gespann-Walter. Müssen so 170 km einfache Strecke sein, also los. Dumm nur, dass ich heute nicht in Harle ankam und beim Gespann-Walter war ich natürlich nicht. Die Fahrt nach Wabern war also NT, ein Nice try.

Warum also nur ein Nice Try? Ich kann euch sagen: Umleitungen über Umleitungen. Die erste schon in Ziegenhain, die nächste irgendwo bei Frielendorf, dann Homberg/Efze – und schliesslich war ich dermassen vom Kurs abgekommen, dass ich keine Lust mehr auf Wabern hatte. Also verschoben. Die gute Nachricht: Das Schleifen in Rechtskurven ist wirklich weg. Eine weitere gute Nachricht: Hab heute mindestens 2 Streckenabschnitte befahren, auf denen ich noch nie gewesen bin. Ist doch auf was, also scheiss auf Wabern.

Bei Dillich, kurz vor einer weiteren Umleitung, wird kurz pausiert. Dabei fällt mir ein Reisebericht aus einem Motorradheft der 50er Jahre ein. Da wird die Gegend zwischen Homberg, Borken und Alsfeld als eintönig und langweilig besschrieben. Kann ich nicht nachvollziehen! Hier gibts zwar nix Spektakuläres, aber immerhin eine sanfte Mittelgebirgslandschaft mit Wiesen und Wäldern - eben kultiviertes Land.

OK, so schön wie der Vogelsberg, der Knüllwald, der Main-Kinzig-Kreis ist diese Gegend nicht, aber so ätzend wie damals beschrieben nun wirklich nicht. Wahrscheinlich hatte der damalige Fahrer und Schreiber Depressionen oder war einfach nur mies drauf.

Wesentlich später dann wieder bei Homberg, diesmal Homberg/Ohm. Ehrlich gesagt finde ich diesen Teil des Vogelsberges eher langweilig und extrem durch Landwirtschaft kultiviert. Vielleicht hat sich aber seit den 50er Jahren auch einiges geändert. Immerhin entdecke ich einen schönen Feldweg von Maulbach nach Homberg. So, jetzt ab nach Hause und nochmal ins Schützenhaus - ich muss mal wieder Schiessen gehen. Werde den 4" Revolver in 357 Magnum einpacken, den guten alten M28 vom San Francisco Police Department.