Der lange Weg zur Lästerbank

Es ist schon länger her, dass ich es geschafft habe, am frühen Morgen zu einer Motorradfahrt aufzubrechen – aber heute war mal wieder so ein Tag. Kurz nach 8:00 bin ich soweit und starte in Richtung Südosten. Mein endgültiges Ziel ist zwar „nur“ das Oldtimer Cafe, aber das möchte ich über Vogelsberg, Rhön und Kinzigtal erreichen.

Das Wetter ist für meinen Geschmack ideal: Nicht so warm bzw. heiß wie gestern und nicht so regnerisch wie vorgestern. Das Handy wird vorbereitet, um die Fahrt per GPS mitzuloggen, dann Zündung an und den Kickstarter leicht durchgetreten – und schon läuft die W650. Bereits nach 200 m kann der Choke wieder heraus genommen werden und die W und ich ziehen ruhig, aber zügig in Richtung Felda- und Schwalmtal.

Bereits nach 20 Kilometern zwingt mich der Morgenkaffee zu einem kurzen Stop zwischen Storndorf und Meiches. Bisher ist es einer dieser Tage, der entweder sehr heiß oder grau und kühl werden kann - ich hoffe auf das letztere. Ist einfach angenehmer zu fahren.

Traditionell haltge ich auch heute an der Staatsdomäne in Stockhausen - nur so und weil das Anwesen sehr schön anzusehen ist. In wenigen Minuten werde ich den Vogelsberg hinter mir gelassen haben und in den Landkreis Fulda eintauchen. Den Vogelsbergkreis habe ich quasi diagonal komplett durchfahren.

Nach ein paar Kilometern um Hauswurz, Neuhof und Flieden muss ich mich kurz per Karte orientieren, und das tue ich an diesem McDonalds etwas abseits der Bundesstraße. Essen möchte ich hier um diese Zeit noch nicht und setze mich einfach nach draußen an einen Tisch und studiere die Karte. Die Leiterin der Lokalität kommt heraus und fragt, warum ich ihr Restaurant fotografiere und ob das vielleicht eine Anti-McDonalds-Aktion sei. Ich kann die hübsche Dame beruhigen, erzähle meine Blogger-Geschichte und frage, ob ich sie nicht auch per Foto ins Netz bringen soll. Aber das will sie nicht - aber glaubt mir, sie hätte euch gefallen. Dann erklärt sie mir noch den Weg ins Sinntal und schon gehts weiter.

Kurz vor Schlüchtern halte ich an dieser Infotafel, um mir meine nächsten Ziele einzuprägen. Ich suche zunächst die Orte Volmerz, Ramholz und Hinkelhof. Wie ich sehe, muss ich dazu nicht direkt durch Schlüchtern sondern kann vorher abbiegen.

Diese Info von Schlüchtern samt Umland habe ich aber auf jeden Fall abgespeichert, denn ich liebe das Kinzigtal und hoffe, hier noch öfter zu fahren.

In diese Gegend habe ich 2005 meine erste "größere" Fahrt mit der Suzuki GR650 gemacht und seitdem liebe ich diesen Landstrich. Die Burg Brandenstein, die ich jetzt eher zufällig anfahre, habe ich aber damals nicht entdeckt. Dafür war ich damals an der Steckelburg.

Direkt anfahren kannst Du die Burg nicht und so gehe ich die letzten Meter zu Fuß.

Blick von der Burg in die Landschaft, die ich als rau, oft windig, aber ungemein reizvoll in Erinnerung habe.

Wäre ich jetzt mit der DR400 hier, könnte ich den Drei-Burgen-Weg per Enduro ruckzuck nachfahren - mit der W lasse ich das aber lieber bleiben.

Nach dieser kurzen kulturellen Unterbrechung geht es weiter auf dem langen Weg zur Lästerbank. Hab ich eigentlich schon erwähnt, wie schön, nein herrlich, sich die W fährt? Verglichen mit meinem vorherigen Japaner, einer SV650, habe ich jetzt das schlechtere Fahrwerk, den schwächeren Motor - und das Vielfache an Fahrvergnügen. Habe das Gefühl, mit der W endlich beim richtigen Motorrad angekommen zu sein.

In Steinau an der Straße drehe ich ab, um langsam wieder in Richtung Vogelsberg zu kommen. Auf der Straße nach Freiensteinau liegt die Teufelshöhle, deren Information ich mir mal wieder anschaue. Zur Höhle selbst ist es mir mit 15 Minuten Fußmarsch zu weit.

Die Schautafel mit Informationen zur Teufelshöhle gibt es hier.

Etliche Kilometer durchfahre ich noch das Kinzigtal, um dann über Wallroth und Lichtenroth weiträumig das heutige Hauptziel anzusteuern: Die Lästerbank.

Bei der Ankunft am Oldtimer Cafe bin ich die erste und einzige W - und ein Plagiat ist auch bereits dort: Diese schicke Triumph im Ton-Up Look und mit gewaltigem Sound.

Kurze Zeit später laufen weitere Plagiate ein und verschieben das Mengenverhältnis sehr ungünstig .....

Doch dann wendet sich das Blatt und zu diesem Zeitpunkt gibt es bereits eine Patt-Situation zwischen Original und Plagiat.

Etwas später ist die Lästerbank komplett und ausschließlich in W-Hand. Und wie hier gelästert wird - ich kann euch sagen. Nicht nur Plagiate, auch Boxer und V-Twins bekommen ihr Fett ab.

Mittlerweile ist die Überzahl erdrückend und auch die letzten Plagiate verlassen unauffällig den Ort.

Zu guter Letzt erscheint noch PeWe, mit dem zu diesem Zeitpunkt niemand mehr gerechnet hat.

Das war also mein Debut auf der Lästerbank. Klar, dass ich als Neuling zunächst einmal zuhöre und die hohe Kunst des Lästern lernen muß - aber bei solchen Lehrern wird sich das schnell ändern: Die W-Fraktion hat einige Naturtalente in diesem Metier zu bieten. Ich aber verlassen diesen Ort und nehme noch einmal 80 km unter die Reifen.


Daten von OpenStreetMap – Veröffentlicht unter CC-BY-SA 2.0

Meine Smartphone-App hat die Route auch heute wieder mitgeschrieben, und es ist mir sogar gelungen, die permanenten akustischen Informationen über Streckenlänge, Zeit und verbrauchte Kilokalorien abzuschalten. Die heutigen 250 km waren auf jeden Fall die bisher schönste Fahrt des Jahres 2012.