Slightly British

Bitterkalt ist es heute morgen, als ich um 8:30 zum obligatorischen Hundegang aufbreche: Zugefrorene Autoscheiben, das Gras ist weiß, es dürften so gerade mal Null Grad sein. Zwar kommt sehr schnell die Sonne heraus, aber wärmen kann die  noch nicht. Und deshalb setze ich mich anschließend nicht aufs Motorrad sondern räume meine Werkstatt gründlich auf. Dabei lagere ich viele DR-Teile in Kisten und versuche, ein wenig System in das Suzuki-Lager zu bringen – gelingt auch halbwegs. Bis 14:00 räume und reuse ich so herum, aber mittlerweile scheint die Sonne sehr ordentlich und ich meine, sogar ein bisschen Wärme zu verspüren.

Jetzt ist die richtige Zeit für einen kleinen Ausflug – und zwar mit der Matchless G80. Ich spüre den Drang in mir, diesen Nachmittag ein ganz klein wenig englisch zu verbringen – eben slightly british.

Auch heute lasse ich parallel zur Tour mein Handy mit runtastic laufen und die Route aufzeichnen. An dieser Technik habe ich gerade viel Spass.

Die Matchless springt gut an - scheinbar habe ich den Dreh jetzt raus: Bei kaltem Motor 2-3 mal ohne Zündung langsam durchtreten, dann 3 x das Gas aufgedreht und so mit der Beschleunigerpumpe etwas Benzin in den Ansaugkanal spritzen, dann den OT gesucht, kurz drüber und herzhaft getreten. Sobald der Motor läuft wird der Choke ein wenig aufgezogen - vorher nicht. Und schon bollert der Rotax los. Nonstop gehts jetzt über Götzen auf den Hoherodskopf, aber nur ganz kurz - ist zu viel Trubel. Unterwegs treffe ich eine schwarze Norton und eine Horex Regina - beide bollern fast so laut wie meine Matchless. Der Himmel ist mittlerweile strahlend blau, aber es bleibt frisch.

Statt einen Kaffee in Doros Büdchen zu schlürfen, fahre ich heute lieber um den Hoherodskopf herum und suche mir einen einsamen Parkplatz für eine kleine Rast. Der Ausblick ist dabei fast so schön wie vom Hoherodskopf aus - aber ich bin völlig allein und die Ruhe ist herrlich.

Am Hoherodskopf habe ich drei Kicks gebraucht, bis die Matchless ansprang. Das ist unbefriedigend und deshalb mache ich hier oben einen Kick-Test. Und natürlich springt der Rotax ohne Zuschauer sofort an.

Meine Retro-Matchless ist ein unglaublich schönes Motorrad, wie ich finde. Die Briten haben es einfach drauf!

Und dann diese herrlichen Details wie die konische Nabe. Die Bereifung dagegen ist mehr als gewöhnungsbedürftig: Hinten Avon, vorn Michelin. Das klingt schon mies und es fährt sich ziemlich schrecklich. Das Fahrwerk kann eigentlich nicht soo schlecht sein, also bleiben die Reifen. Ich denke über einen Satz Heidenau oder Dunlop TT100 nach - das letztere wäre natürlich extrem angemessen.

Ich kanns nicht oft genug wiederholen: Auf der Minusseite der G80 stehen deutsche Zubehörteile wie Armaturen, Schalter, Spiegel und Gasdrehgriff. Das müsste eigentlich alles weg und gegen vernünftige Komponenten getauscht werden. Könnte die nächste Winterarbeit werden ....

Mit der G80 auf Schloß Romrod - nicht nur meine W650 macht sich gut vor historischen Gebäuden - das kann die Matchless mindestens ebenso gut.

Nach knapp 100 km wird es jetzt schnell empfindlich kühl und so toure ich über die historische Straße allmählich in Richtung Heimat. Das war eine prima Ausfahrt heute und meine G80 vermittelt extrem das Fahrgefühl der 70er Jahre mit mäßigen Bremsen, klapprigen Armaturen, schlechten Reifen - aber auch mit tollem Sound und sehr britischer Sitzposition und vor allem, mit klasse Optik. Moi Boik, die Matchless, passt perfekt zu den beiden W650, eine tolle Retro-Truppe.

Kurz vor der heimischen Werkstatt fahre ich den Galgenberg hoch und sende per Handy die ruuntastic-Daten auf den Server. Grund: Zu Hause habe ich fast keinen Handy-Empfang. Und nebenbei ist es auf dem Galgenberg immer wieder nett. In dem kleinen Haus im Bild haben wir auch mal ein paar Jahre gewohnt.

Als ich wenig später zu Hause ankomme, sind die Tourdaten schon auf dem runtastic-Server und ich lade die Karte herunter.

Etwas mehr als 100 km und ein Schnitt von gerade mal 50 km/h - ein Beleg für meine Blümchenpflücker-Mentalität. Aber genau so mag ich meine Touren. Nur mit der SV650 war das ein paar Monate anders - da war ich immer zu schnell und hab von der Gegend viel zu wenig mit bekommen. Solche Renner sind nix mehr für mich!