Schön verteilt

Schon wieder eine späte Fahrt: Es ist schon nach 16:00, als ich die Sportster starte. Wenn das so weiter geht, erlebe ich bald meine erste Nachtfahrt durch den Vogelsberg. Hätte vermutlich auch einen gewissen Reiz.

Drei Dinge muss ich während der Fahrt erledigen, und diese Aufgaben verteile ich räumlich quasi über den gesamten Vogelsberg:

  1. Geld aus dem Automaten hole ich in Ulrichstein
  2. Einen Cappuccino trinke ich in Lauterbach
  3. Getankt wird in Mücke

Bei dieser intelligenten Verteilung komme ich auf eine Gesamtstrecke von ca. 70 Meilen, genug, aber nicht zu viel.

Sportster 883

Irgendwo im Vogelsberg – hab tatsächlich keine Ahnung mehr, wo ich hier gehalten habe. Könnte im Rum Dirlammen, also im Lautertal, gewesen sein. Ist aber auch wurscht.

Na ja …..

Gegen 15:00 erkenne ich heute, dass dieser Tag eigentlich ideal für eine kleine Motorradrunde ist. OK, also schnell umgezogen und dann auf die Sportster. Aber ich weiss weder, wohin ich will, noch warum ich überhaupt fahre. Wahrscheinlich gebe ich lediglich dem zwanghaften Drang nach, bei gutem Wetter kradieren zu müssen. Keine gute Entscheidung, so automatisiert zu handeln –  und entsprechend mittelmäßig verläuft meine Fahrt heute.

Schon beim Start spüre ich leichte Kopfschmerzen, bin unkonzentriert und kriege in den Kurven keine vernünftige Linie zusammen. Ist mehr so ein Kurvengestümper und daher nehme ich mein Tempo dann drastisch zurück.

Über Alsfeld und das Schwalmtal halte ich auf Lauterbach zu, um dann wieder über Frischborn in Richtung Dirlammen zu fahren. Das Wetter ist eigentlich perfekt – eigentlich. Aber neben der fehlenden Konzentration kämpfe ich mit dem grellen Gegenlicht der tiefstehende Sonne. Oder anders gesagt: Heute nervt mich alles.

Sportster 883

Die erste kleine Rast gönne ich mir zwischen Frischborn und Hopfmannsfeld. Das ist eine sehr schöne Strecke, allerdings mit miserablem Strassenbelag. Und überall sehe ich heute die Zeichen des nahen Herbstes.

Harleys auf dem Hoherodskopf

Dann zirkele ich hoch auf den Hoherodskopf, aber auch da halte ich mich nur ganz kurz auf: Langweilig, immer dasselbe, was also soll ich hier?

Auf der Weiterfahrt finde ich dann möglicherweise die Ursache für diesen seltsamen Tag: Es ist der Abschied des Sommers, und so ein Abschied ist immer mit einer leichten Melancholie verbunden. Genau, das ist es: Die trübe Aussicht auf den langen Winter. Da werde ich diesen Sommer wohl noch oft vermissen, obwohl der ja in diesem Jahr auch nicht so toll war.

Na ja, so komme ich dann am Ende meiner rund 90 Meilen doch noch ins Reine mit mir und diesem Tag. Die letzten Meilen kann ich die Fahrt dann sogar noch geniessen.

Im Hinterland

….. bin ich lange nicht gewesen und deshalb ist dieser Landstrich heute mein Ziel. Das Hinterland ist quasi der Altkreis Biedenkopf, zieht sich aber nach allgemeiner Lesart von Lollar bis Frankenberg.

Hessisches_Hinterland

Die Karte aus Wikipedia zeigt die Lage und die Ausdehnung des Hessischen Hinterlandes.

Sportster im Hinterland

Über den Ebsdorfergrund komme ich ins Hinterland und bin hier, nahe Lohra, eigentlich schon drin.

Sportster im Hinterland

Durchs Gladenbacher Bergland, ein Stückchen Richtung Dautphetal und dann allmählich zurück ins Nassauische, das ist die Route. Bei Traumwetter, leeren Strassen und herrlicher Landschaft komme ich heute erschreckend wenig zu Fotostopps.

Aartalsee

Ein Päuschen gibt es aber am Motorradtreff am Aartalsee – leider ist es da wie fast immer langweilig. Der See ist nicht gerade berauschend schön, die Umgebung leicht ungepflegt – also da hält mich nichts.

Sportster im Hinterland

Vom Aartalsee lasse ich mich über allerkleinste Strassen etwas treiben, bis ich beinahe überraschend in Erda ankomme. Und schon kenne ich mich wieder aus.

Sportster bei KTM

Über Fellingshausen und Krofdorf-Gleiberg steuere ich den Heimweg an, Aber eine innere Stimme befiehlt mir heute, in Krofdorf beim KTM-Händler Schleenbecker anzuhalten und eine Sitzprobe auf der 690er Duke zu machen. Die Maschine passt und ich vereinbare eine Probefahrt für den nächsten Tag, also für morgen.

KTM 690 Duke

Klassisch schön ist die Duke natürlich nicht, eigentlich sogar hässlich, aber die Technik stimmt einfach: Einzylinder, fast 80 PS, rund 150 kg Gewicht – all das verspricht enormen Fahrspass. Vielleicht brauche ich ja wirklich wenigstens ein flottes Motorrad im Bestand. Wir werden sehen.

Sportser in der Salzböde

Über die Holperstrecke der Salzböde bollere ich jetzt heim. Erneut war das eine prima Tour von ca. 130 Meilen, auf der die Sporty wie immer richtig Spass gemacht hat. Und so soll es sein.

Altwiedermuss

Immer noch Sommer im Vogelsberg, schon den dritten Tag in Folge. Gegen Mittag erwacht die Lust zum Fahren und ich starte mit der Sportster in Richtung Wetterau. Mehr als dieses grobe Ziel habe ich aber nicht.

Etwa bei Nidda aber fällt mir etwas ein: Da gibt es doch in Ronneburg das Autohaus Ottmar Schmidt, dass auch im Zweiradsektor gut dabei ist und beispielsweise ein offizieller Royal Enfield Dealer ist. Und ich brauche sowieso eine Dichtung für die Ablassschraube der Schwimmerkammer, warum also nicht nach Ronneburg fahren und schauen, was es da so alles gibt.

Nun ist Ronneburg allerdings kein Ort, sondern eine Großgemeinde, bestehend aus mehreren Ortschaften. Aber ich traue mir zu, den Dealer zu finden. Nur mal kurz einen Blick auf die Karte werfen, damit ich ungefähr weiß, wo die Großgemeinde Ronneburg liegt. Ah ja, nicht weit von Langenselbold, also grobe Richtung Hanua, und das werde ich finden.

Sportster bei Limeshain

Irgendwo zwischen Limeshain und Hammersbach bemerke ich, dass der Tageskilometerzähler schon über 90 Meilen anzeigt, und das bedeutet, ich muss dringend tanken. In Himbach frage ich nach einer Tankstelle und erfahre, dass die nächste bei Neuberg (Hallo Matthias) an der A45 ist. Könnte knapp werden, aber ich muss es versuchen.

Tatsächlich schaffe ich es bis zum Autohof und sooo leer war der Tank dann doch nicht. An der Kasse steht ein ADAC-Mann vor mir und den frage ich beiläufig nach dem Autohaus Ottmar Schmidt in Ronneburg. Natürlich kennt er die Werkstatt und jetzt weiss ich, dass sie sich im Ortsteil Altwiedermuss befindet, ganz nahe an der wohlbekannten Ronneburg.

Sportster in Altwiedermuss

Altwiedermuss ist eigentlich nur ein grosses Dorf und die Werkstatt direkt an der Hauptstrasse finde ich sofort. Auf den ersten Blick sehe ich aber nur Autos der Marke Honda.

RE Dealer in Altwiedermuss

Spätestens hier wird aber klar: Ich bin richtig.

Der Seniorchef ist kurz unterwegs, wird aber in 15 Minutem zurück erwartet. In der Zwischenzeit werde ich in den Showroom geführt und kann mich in aller Ruhe umsehen.

RE Continental in Altwiedermuss

Gleich im Eingangsbereich steht mein derzeitiger Traum von Royal Enfield, die 535 Continental. Ein bildschönes Motorrad.

Exotische Kräder

Auch wenn*s ein China-Bike ist: Dieser winzige Renner ist einfach nur schön. Allerdings ist er auch sehr, sehr winzig, selbst für mich, der ich nicht zu den Riesen zähle. Aber nett.

Mash in Altwiedermuss

Und die gesamte MASH-Palette ist vertreten: 125, 250 und 500 ccm.

MASH 125 Cafe Racer

Besonders gelungen ist dieser 125 ccm Cafe Racer von MASH. Die 500er, eigentlich das interessanteste Bike, ist dagegen eher bieder. Sehr schön auch eine 250er als Scrambler.

Royal Enfield in Altwiedermuss

Und natürlich die gesamte Palette von Royal Enfield Maschinen, alles EFIS, also Einspritzer.

Bullet in Altwiedermuss

In der Werkstatt aber wird gerade eine pre Unit Bullet aufs feinste modifiziert. Inzwischen sucht der Chef nach meinem Ersatzteilchen und bringt gleich einen kompletten Schwimmerdeckel mit Schraube bei, den er zerlegen will. Ich kaufe aber dann das Komplettteil – für unglaubliche 8 €.

Sportster auf der Ronneburg

Wo ich schon in Ronneburg bin, ist natürlich der Besuch auf der Ronneburg Pflicht. Also schnell hoch auf den Berg, ein Foto geschossen und dann weiter.

Sportster in der Wetterau

Den Rückweg durch die Wetterau meistere ich ohne Probleme und ohne weitere Blicke auf die Karte.

Um Punkt 18:00 bin ich wieder im heimischen Vogelsberg. Ein Blick auf den Tacho sagt mir, dass ich lediglich 140 Meilen gefahren bin – kam mir viel mehr vor, aber das ist wohl so, wenn man viel Neues aufnimmt. War jedenfalls eine prima Fahrt bei echtem Kaiserwetter und das Kennenlernen von Ottmar Schmidt war schon allein die Reise wert. Habe von ihm auch erfahren, dass er bei Friedel Münch gelernt und ein paar Jahre für ihn geschraubt hat – und das ist schon was Besonderes.

Im Zweifelsfall Knüll

In diesem Sommer muss ich für jeden schönen Sonnentag dankbar sein und ihn auch nutzen – allzu viele wird es davon wohl nicht mehr geben, wie ich befürchte. Und so sinne ich schon seit gestern darüber nach, wohin ich am heutigen Sonntag fahren werde. Ein Cappuccino auf dem Eisenacher Marktplatz ist ebenso unter den Favoriten wie ein feudales Mittagsmahl in der Heilen Schirn bei Geisa und ein Eis im Schatten der Burg in Runkel.

Aber je näher mein Start heran rückt, umso unsicherer werde ich und meine Ziele zerfliessen wie die Sonnencreme auf der Haut eines Oberlehrers an der Amalfiküste. Ende vom Lied ist dann, dass ich einfach los fahre und mich treiben lasse.

Sportster im Schwalmtal

So treibe ich zunächst über das Feldatal ins Schwalmtal, wo es mir heute mal wieder richtig gut gefällt. Aber zum Verweilen gibt es hier nichts, rein gar nichts.

Sportster im Knüllgebirge

Dann gerate ich über Oberaula, also quasi von hinten herum, ins Knüllgebirge und an die Knülljause. Könnte einen guten Kaffee vertragen, aber der Parkplatz ist richtig voll, und zwar fast nur mit PKW. Also gleich weiter und so genieße ich lieber die kühlen Waldstrecken und die leeren Strassen im Knüll.

Sportster beim Spieß

Den Spieß, also den alten Wachturm bei Spieskappel besuche ich auch mal wieder.

In Obergrenzebach gerate ich in einen Faschingszug oder etwas ähnliches, jedenfalls ist der Ort komplett gesperrt. Und das ist mein Glück, gerate ich dadurch doch in eine Landschaft zwischen Frielendorf, Borken, Homberg/Efze und Zwesten. Zwar bin ich hier überall schon gewesen, aber heute kann die diese ruhige Gegend ganz anders geniessen als sonst.

Sportster bei Dillich

In der Nähe von Dillich sehe ich schon die Nordhessischen Bergzüge, die sich dann bis hinter Kassel hinziehen. Wäre jetzt auch nur noch ein Katzensprung in die schöne Altstadt von Fritzlar, der alten Kaiserstadt. Aber ich machs nicht und treibe weiter nach Bischhausen.

Sportster in Bischhausen

In dieser schönen großen Halle hatte jahrzehntelang der Honda-Händler Völker seine Motorräder ausgestellt und man konnte auch am Sonntag immer herrlich durch die Ausstellung laufen. Jetzt siehts da aber nach Verfall auf, auch wenn ein paar ältere Amischlitten ganz spannend sind. Der Scooterladen in einem der Nebentrakte ist auch schon wieder geschlossen. Eindeutig der Anfang vom Ende.

Sportster bei Holzburg

Hier, nahe Holzburg, gibt es das letzte Päuschen für heute. Glatte 160 wunderbare Qualitäts-Meilen war ich heute unterwegs und habe jede davon genossen.

Zu Hause bin ich keineswegs ausgepowert und so wechsele ich noch eben Motor- und Getriebeöl an der Sportster. Diesmal kommt überall Spectro Heavy Duty rein, hab ich mal ganz günstig bekommen und hat einen sehr guten Ruf. Und etwas später besucht mich völlig überraschend mein Ex-Kollege Richy mit seiner neuen Kawasaki, was mich wirklich freut.