Scheiß Grippe …

So war das natürlich nicht geplant: Am Wochenende erwischt mich eine üble Grippe – innerhalb von zwei Stunden fühle ich mich sterbenskrank – und wie bei jeder Grippe zieht mein Leben innerhalb weniger Sekunden an mir vorüber.

Überraschenderweise hab ich die erste Nacht dann aber doch überlebt – irgendwelche Schrauberaktionen waren jedoch nicht drin. Da hat man schon mal Zeit, und dann sowas.

Erst am Montag hab ich’s immerhin zu einem kurzem Spaziergang geschafft – und das bei einem Wetter, das eigentlich für eine Gespannfahrt prädestiniert war: Kalt, trocken, sonnig. Aber irgendwas ist ja immer 🙁

Das ist ein Januartag 2012! Die Sonne tut unglaublich gut.

Immerhin leistet mein Kumpel Yellow mir Gesellschaft auf dem Spaziergang. Irgendwie spürt der Bursche, daß ich nicht ganz fit bin und macht keinen Unsinn - überhaupt keinen. Seltsam!

Mehr als eine Stunde ist leider nicht drin, aber die frische Luft hat richtig gut getan.

 

 

 

Faule Tage zwischen den Jahren

Sicher hätte ich die freie Zeit zwischen den Feiertagen besser nutzen können: Die DR 400 ist noch lange nicht fertig und da ist jede Menge zu machen. Aber ich kann mich nicht recht aufraffen und so gibt das eigentlich nur ein wenig Geplänkel.

Durchaus überraschend tauchen Ex-Nachbar Egon und Kollege Marcus auf und bringen mir meine 30 Jahre alte Werkbank. Das dicke und harte Tropenholz hat die Jahrzehnte bestens überstanden und wäre wie neu - wenn nicht Egon mit der Kettensäge dicke Macken hinein gesägt hätte. Egon, Egon, nenene ..... Naja, Hauptsache, ich hab das gute Stück wieder. Sie steht jetzt in einem kleinen Nebenschuppen, bekommt eine Ständerbohrmaschine und einen Schraubstock verpaßt und soll mein Plätzchen für Motorreparaturen werden.

Marcus und Egon berichten, daß sie am Getriebe meiner ehemaligen Enfield schrauben. Das muß ich mir natürlich ansehen und so schrauben wir ein paar Stündchen in Egons beheizter Werkstatt an der Enfield.

Die Ursache des nicht mehr funktionierenden Kickstarters finden wir schnell: Die Sperrklinke des Kickstarter-Segments hat's zerbröselt. Telefonisch wird ein Kickstarter-Reparatursatz bei Flo Nytz bestellt. Danach wird die Enfield zurück gerüstet: Die von mir verbaute Boyer-Bransden Zündung fliegt wieder aus und der gute alte Unterbrecherkontakt wird montiert. Der Probelauf muß natürlich verschoben werden, bis die defekte Sperrklinke ausgetauscht ist.

Dann installiere ich in meinen Werkstatträumen eine vernünftige Beleuchtung. Die Elektroinstallation, sofern überhaupt eine vorhanden ist, hat gute 40 Jahre auf dem Buckel und als Lichtspender dienen bisher nur ein paar Schiffsarmaturen. Das geht natürlich nicht und deshalb kommen überall Neonröhren sowie neue Schalter und Steckdosen hinein.

Am letzten Tag des Jahres, dem 31.12.2011, mache ich noch einen großen Spaziergang mit Leihhund Yellow, ziehe anschließend ein paar Meter neue Werkstatt-Elektroleitungen und das war’s dann für 2011. Let’s call it a year.

 

Nach der Begegnung mit Maggy streifen Yellow und ich in Richtung Netto-Markt Nieder-Ohmen, um in einer größeren Schleife nach Hause zurück zu kehren. In Sichtweite des Netto-Marktes befinden wir uns am Rande einer renaturierten alten dörflichen Müllkippe, die mit sanften Hügeln und jungem Baumbestand ein wenig wie das Teletubby-Land aussieht..

Plötzlich wird alles um uns herum still – kein Windhauch, keine Strassengeräusche mehr – und ca. 25 m vor uns läuft ein großer Graufuch über den Weg und verschwindet wie in Zeitlupe zwischen den jungen Bäumen und Büschen der alten Müllkippe.

Kaum ist der Fuchs nicht mehr zu sehen, werden die Umweltgeräusche wie mit einem Schalter wieder hörbar. Ich schaue Yellow an, der schaut mich an und beginnt dann wie wild die Fährte des Graufuchses aufzunehmen. Ich nehme ihn an die Leine, weil ich das Gefühl habe, er wird seinem uralten Instinkt und damit der Fährte folgen.

Warum erzähle ich diese Banalität? Nun, es ist tatsächlich der erste Graufuchs, den ich in meinem wahrlich langen Leben leibhaftig sehe. Und seit ein paar Tagen lese ich jeden Abend einen Krimi von Rita Mea Brown, der von Morden, Jagden, Hunden und Füchsen handelt. Dabei auch von Graufüchsen. Aber ich bin sicher: Mein Graufuchs war keine Schimäre, der Bursche war real. Fragt Yellow!

 

 

Samstags-Schraubereien an zwei Japanern

Eigentlich begann der heutige Tag nicht so schlecht: Erstaunlich warmes Wetter, sehr windig – ich kann zusehen, wie der Wind die feuchten Straßen abtrocknet. Das sieht mir alles sehr nach einer kleinen Ausfahrt mit der W650 aus. Nur noch eben ein Stündchen mit dem Leasinghund Yellow raus gehen und dann auf den Königswellen-Twin. Schöner Gedanke, aber es kommt dann mal wieder anders.

Auf zu Yellow - und zu meiner Freude sehe ich, dass der gestrige Rollkragenpulli wieder entfernt wurde. Und sofort wirkt mein Freund Yellow wieder selbstbewusst und entspannt. Yellow ist eben kein Typ für tuntige Hundepullover. Das grüne Halstuch dagegen ist völlig OK.

Heute geht es ausnahmsweise mit zwei Hunden raus - das ist zwar lustig und spannend, aber auch wesentlich anstrengender. Zu zweit haben die Burschen nur Mist im Sinn. Und dann kippt das Wetter allmählich: Der Wind wird zum Sturm, es kommt recht starker Regen dazu und es wird auch kälter. Damit ist mein schöner Plan einer W650-Ausfahrt wohl gestorben.

Und so gibt es nach dem Hundespaziergang keine entspannende Fahrt mit der W sondern ich mach mich in die Werkstatt und schraube ein wenig - zuerst an der DR400 und dann an der W650. Zunächst aber ein Blick auf die neuen Armaturen für die Enduro, die gestern eingetroffen sind. Die vorhandenen sind samt und sonders defekt - auch die von der Ersatzmaschine. Also einmal neu!

Ich baue die Gabel wieder zusammen und fülle frisches Öl (20er Gabelöl) ein, anschließend kommt ein Alulenker an die Suzi. Dies sind die ersten Arbeiten an der Enduro, die nicht destruktiv sind - es geht jetzt also voran.

Die Sitzbank ist neu bezogen und ich habe tatsächlich brauchbare Seitendeckel bei ebay gefunden - nicht ein Befestigungspin fehlt oder ist gebrochen. Das ist verdammt selten.

Der vor einer Woche gekaufte Motorradheber ist für mich ein Riesenfortschritt. Normalerweise neige ich dazu, am Boden liegend an meinen Maschinen zu schrauben, aber das ist jetzt vorbei. Ich glaube, ich werde alt ..... nein, ich bin mir sogar sicher.

Das war alles an der DR400 für heute - jetzt möchte ich noch ein wenig meine neue Errungenschaft, die W650, bewundern. Zweifellos ein Motorrad von herausragender Schönheit. Also in die Scheune und hier und da ein wenig geschaut - muss ja schließlich langsam vertraut werden mit der W.

Aber was muss ich am rechten Schalldämpfer entdecken: Die beiden Befestigungsschrauben für den Endtopf fehlen - sind einfach nicht da. Es handelt sich dabei nicht um diese beiden sichtbaren Schrauben, sondern um die Schrauben, die den Endtopf mit dem Halteblech verbinden (sollen).

Nun könnte man meinen, zwei Schrauben einzubauen sei kein Problem. Aber es handelt sich um 8er Schrauben mit 10mm Sechskant - so etwas habe ich natürlich nicht. Finde aber immerhin 8er Schrauben mit 12er Kopf, die gekürzt werden müssen. Und das Einbauen der beiden Schrauben ist eine elende Pfriemelei zwischen Schalldämpfer und Schwinge - will ja nicht alles mögliche deswegen abbauen. Aber die Operation gelingt, kostet mich jedoch eine halbe Stunde. Natürlich werden jetzt alle Schrauben in diesem Bereich mit Kupferpaste eingesetzt.

Das war also meine erste Bastelei an der Kawasaki. Gut, dass ich mal so drüber geschaut habe. Jetzt habe ich noch die Muße, die schöne Lady zu bewundern, mal die Sitzbank zu öffnen, nach der Batterie zu sehen und mich an dem schönen Tank-Emblem zu erfreuen. War letztendlich fast so gut wie Fahren.

 

Der Kreis schließt sich: Meine W650

Im Oktober habe ich die W650 ja quasi gekauft – aufgrund eines Hauskaufes kurz vorher musste ich meinem Konto jedoch eine kleine Erholungspause gönnen – aber die ist jetzt vorbei und am heutigen Tag wird die Kawasaki geholt. Fast wäre die Abholung noch in letzter Sekunde geplatzt, weil der harte Kern der W-Fahrer an diesem Wochenende zu einem internen Treffen nach Hildburghausen fährt. Das hatte ich so gar nicht auf dem Schirm, aber es gelingt, einen Abholtermin kurz vor der Abreise des Verkäufers zu arrangieren. Puuh, das war knapp.

Um 10:00 kommt Reinhard und bringt mich in den Ebsdorfergrund – eine Gegend vor meiner Haustür, die mir nicht unbedingt fremd ist. Ausgestattet mit Kurzzeitkennzeichen und Motorradbekleidung bin ich bereit für meine W650 – übrigens meine allererste Kawasaki überhaupt.

Für Anfang Dezember ist es erstaunlich warm, deutlich über 10°C. Aber es ist feucht und weiterer Regen ist angekündigt. Aber das ist mir völlig egal – obwohl mir die W ein bisschen leid tut. Muss ich eben sofort nach der Fahrt den Salzdreck gründlich entfernen.

Da steht sie, meine W650 in silbergrau - top gewartet und geputzt von Martin.

Ein Service wie beim äh, BMW-Händler - das mitgebrachte Kurzzeitkennzeichen wird passend gebohrt und direkt angeschraubt.

Eine weitere W650 im Cafe-Racer Look steht auf der Bühne - ein schönes Motorrad. Eine Zweit-W kann ich mir übrigens bereits jetzt gut vorstellen, aber dann nur als Gespann mit einem Watsonian-Boot. Aber gemach. Während ich mir Dinge wie die schmucken Alu-Kotflügel, den Tank und die Blinker betrachte .....

.... fallen Reinhard die ganz speziellen Details auf - wie diese Ventilkappe.Eindeutig Ton-Up Zubehör.

Nun kommt "meine" W650 aus der Werkstatt an die frische Luft. Martin und ich gehen kurz in Haus, um alle Formalitäten zu erledigen und dann starte ich die W zur ersten Fahrt. Mir ist bereits jetzt klar, dass das mehr als eine Überführungsfahrt wird - da ist mir der Nieselregen ebenso egal wie ein Termin, den ich um 12:30 noch habe.

Nach ein paar Kilometern halte ich zur ersten Fotosession mit der W650 - nicht unpassend an einem leicht verwilderten Grundstück im englischen Stil hinter Rüddingshausen. Hier kann ich auch den Choke wieder raus nehmen - genau, wie Martin es gesagt hat.

Natürlich wird genau jetzt der Nieselregen heftiger und die Straßen damit noch schmieriger. Aber auf einem neuen Motorrad fahre ich sowieso anfangs erst mal ganz piano. Und mit der W besonders, weil am Vorderrad noch der allererste Reifen montiert ist. Der ist damit aus dem Jahre 2003 und es handelt sich um einen Accolate, den womöglich schlechtesten Reifen der Welt.

Jetzt schraube ich mich langsam hoch in den Vogelsberg und lerne die W650 kennen. In der Tat verursacht der Vorderreifen beim Überfahren von Flickstellen im Asphalt böse Versetzer und schnell ist klar, dass der Accolate ruckzuck verschwinden muss. Das Fahrwerk ist ein wenig steif und nicht zu vergleichen mit dem der Suzuki SV650, die ich für die W verkauft habe. Dennoch habe ich nach ca. 20 km bereits mehr Spaß an der W als an der flotten Suzi. Der Motor ist ein Gedicht und anfangs bewege ich mich im Bereich von 2-3000 Umdrehungen - ein Bereich, in dem die Suzi überhaupt nicht fahrbar war. Nach weiteren 10 km fühle ich mich wie im verregneten Wales und habe einen Mordsspass dabei. Würde mal sagen: Alles richtig gemacht, die W passt viel besser zu mir als ein sportlicher Kurzhuber.

Tatsächlich erscheint mir der Vogelsberg auf der W englisch wie nie zuvor. Und Schafherden bei Wohnfeld machen diese Illusion perfekt.

Manchmal habe ich sogar das Gefühl, wir fahren auf der falschen Straßenseite.

Wie mit allen meinen Viertaktern vermeide ich es, den Motor der W für weniger als 50 km anzuwerfen - Kurzstreckenbetrieb ist tabu. So auch heute, aber dennoch schaffe ich es (fast), so pünktlich zu Hause zu sein, dass ich meinen 12:30 Termin noch hinkriege. Die W wird also in meiner Kraftfahrzeuganlage abgestellt und kommt zu den drei 500er Einzylinder-Rotaxen von MZ und Matchless.

Noch schnell den Tachostand dokumentiert und dann ab ins Auto und zum Termin gehetzt.

Nach dem Termin gibt es den obligatorischen Spaziergang mit Leasinghund Yellow - daran sind wir beide jetzt seit fast einem Jahr gewöhnt. Aber was sehe ich heute: Yellow hat einen Rollkragenpulli bekommen - eine äußerst peinliche Angelegenheit. Er fühlt ich auch sichtlich unwohl und als wir später seine Kumpels Kira und Robby treffen, lassen die beiden den sonst üblichen Respekt vermissen - bilde ich mir zumindest ein. Nach dem Spaziergang rede ich mit Engelszungen auf die Besitzerin ein, in Zukunft auf den unsäglichen Hundepulli zu verzichten. Ich glaube, es hat geholfen - morgen werde ich es erleben.

Kaum wieder zu Hause kommt Thomas zu einem Kurzbesuch vorbei. Bei den heutigen Temperaturen bringt er es nicht übers Herz, die blaue Kathy in der Garage stehen zu lassen. Natürlich führe ich Thomas die W sofort vor - kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass irgend jemanden dieses Motorrad nicht gefällt.

Noch nie, wirklich nie, habe ich ein Motorrad unverändert im Serienzustand belassen, und das wird auch bei meiner W nicht anders sein. Als erstes kommen Konidämpfer rein, die bereits in der Werkstatt warten - dank einer herrlich passenden Sammelbestellaktion im W650-Forum. Später werde ich in der Gabel progressive Federn verbauen und sehr wahrscheinlich wird das etwas unförmige Rücklicht einer Lucas-Version weichen - aber das war's dann auch: Mehr ist an der W nicht zu machen.

 

 

Das Ende eines Standortes

Fast fünf Jahre lang hat sie mir gute Dienste geleistet und ohne sie hätte ich viele meiner Motorradprojekte überhaupt nicht realisieren können: Die gemietete Scheune im Ebsdorfergrund. Am heutigen Sonntag jedoch endet diese Ära und die letzten Teile werden abgeholt. Die Teile gehören zum Jupiter-Paket, dass ich an Jens verkauft habe. Ein Sputnik-Seitenwagen und zwei Jupiterrahmen sind noch abzuholen und das ist heute passiert.

Tja, nun ist die Scheune leer und ich gebe symbolisch den Schlüssel ab – rien ne va plus.

Zuerst der tägliche Spaziergang mit Yellow - sobald der Teileabholer anruft, werden Yellow und ich in den Ebsdorfergrund fahren. Aber noch spazieren wir hier an der Ohm entlang und begrüßen die wachsame Gänsefamilie. Mit den vielen herumliegenden Gänsefedern hat Yellow übrigens nichts , aber auch gar nichts zu tun.

Seitenwagen und Rahmen sind schnell verladen und anschließend gehen Dieter und ich zusammen mit unseren Hundchen noch eine Runde spazieren. Bonny, die riesige Hovawarth-Dame hat Yellow zuerst aber gründlich zurecht gestutzt. Der Bursche hat sich nämlich auf Bonnies eigenem Grundstück laut bellend auf die Dame stürzen wollen - und das geht natürlich nicht. Danach ist der vorlaute Yellow erst einmal recht kleinlaut. Die Lektion hat er hoffentlich gelernt.

In dem kleinen Ort im Ebsdorfergrund begegnen wir auf unserem Spaziergang mehr Hunden als sonst in einem Monat. Bonny, Kira, Spike, zwei Jagdhunde, eine Schäferhündin - der Wahnsinn. Das tut Yellow gut, denn der Bursche hat immer noch ein paar Sozialisierungsdefizite. Der heutige Tag müsste ihm aber einen ordentlichen Schub nach vorn versetzt haben.