Zwischen Ohm und Schwalm

An diesem Samstag findet meine erste Fahrt mit der Planeta im Jahre 2011 statt – reichlich spät für eine wintergestählte IZH. Und obwohl es in diesem Jahr schon wärmere Tage gegeben hat, schnappe ich mir heute die Planeta. Und meine ersten 120 km führen mich tief in den Vogelsberg zwischen Ohm und Schwalm.

In den letzten Tagen war es beinahe frühlingshaft warm, noch heute vormittag schien und wärmte die Sonne – nur als ich gegen 12:00 die Planeta starte, zieht es sich zu, die Sonne verschwindet und es wird kalt. Mist, aber das wird mich nicht stoppen. Nach der langen Winterpause springt die Planeta schnell an und mit einer langen Rauchspur verlassen wir den Ort. Sofort ist es wieder da, das Gefühl, ein historisches Motorrad zu fahren. Wie vor dem Winter trennt auch in diesemJahr die Kupplung nie ganz hundertprozentig – wie sollte sie auch, hab ja den ganzen Winter nichts daran gemacht. Dabei liegen die synthetischen Beläge schon bereit.

Über das Feldatal verlasse ich die Gemarkung Mücke und erst an den Gestaden der Schwalm in der Nähe von Ober-Sorg gibt es den ersten Fotostop.

Weiter über Wallenrod nach Vadenrod und dort am höchsten Punkt stehen diese gewaltigen Windräder. Bisher war ich wirklich kein Freund dieser Stahlkolosse, aber seit dem Atom-Gau von Fukushima sehe ich das ein wenig anders .....

.... und glaube, dass ein Umdenken nötig ist. Womöglich muss ich mich an Landschaften gewöhnen, die mit Windrädern zugepflastert sind. Allemal besser als ein AKW.

Eine Vogelsberglandschaft wie aus dem Bilderbuch: Sanfte Hügel in offener Landschaft.

Später verlasse ich den Vogelsberg und kurve ein wenig zwischen Laubach, Reiskirchen und Lich umher. Mit jedem Kilometer nimmt die Kälte leider etwas zu.

Mit einem Arbeiter- und Bauernkrad auf den Golfplatz fahren - ein Stilbruch der üblesten Sorte aus Sicht des gemeinen Golfers. Aber ein Blick auf die Anlage in Winnerod ist natürlich erlaubt. Langsam wird's mir zu kalt und ich nehme Richtung auf Mücke. Bin aber mit den heutigen 120 km sehr zufrieden.

 

 

Das Planeta-Gespann der Familie Schuchard aus Alsfeld

Reimund, Regina und Sohn Sven kenne ich schon lange, sehr lange. Mit Reimund habe ich schon Anfang der 80er Jahre eine Motorradreise nach Skandinavien gemacht. Auch wenn wir uns zwischendurch immer wieder mal für einige Jahre aus den Augen verloren haben, brach der Kontakt nie völlig zusammen.
Was letztendlich Reimund dazu gebracht hat, sich für eine Planeta zu interessieren, ist mir auch nicht völlig klar. Immerhin gibt es nicht viele Menschen, die dem besonderen Charme russischer Motorräder etwas abgewinnen können. Nun denn, sei es, wie es sei, im Jahre 2010 nimmt Reimund Kontakt zu Waldemar auf und bestellt ein Planeta-Gespann. Damit nimmt auch im Altkreis Alsfeld ein udmurtisches Drama seinen verhängnisvollen Lauf …….

Von Waldemar bekomme ich Bilder von der Planeta und dem Sputnik-Seitenwagen, die er aus Litauen für Reimund organisiert hat. Hier ein Foto, dass die leicht maroden Teile noch in Gifhorn zeigt. Aber schon bald wird die rote Pracht nach Alsfeld überführt werden.

Wochen später, der Winter ist endlich vorbei und ich besuche die Schuchards. Jetzt möchte ich das Planeta-Gespann live sehen. Reimund lüftet zuerst eine Plane im Hinterhof .....

.... und zeigt den Sputnik-Seitenwagen. Offensichtlich wurde hier noch kein Handschlag gemacht.

Anders bei der Zugmaschine! Die Planeta ist teilzerlegt, befindet sich aber noch in der destruktiven Phase der Restauration.

Beim nächsten Besuch platze ich in die Urlaubsvorbereitungen der Schuchards. Trotzdem bekomme ich meine Planeta noch schnell repariert und Reimund zeigt mir die überarbeitete Gabel seiner Planeta mit den neuen russischen Dichtungsringen. Nach dem Urlaub jedoch die schockierende Nachricht: Irgendwie ging die Lust an der Planeta verloren und es ist sogar von einem Verkauf die Rede.

Zum Glück gibt es drei Wochen später eine Entwarnung: Die moralische Talsohle ist durchschritten und der Aufbau Ost geht weiter. Als Beweis bekomme ich dieses Foto mit frisch geschliffenen und grundierten Planetateilen. Puh, Glück gehabt, bleibe ich also doch nicht der einzige IZH-Fahrer im Vogelsberg.

Ende September 2010 gibt es weitere (kleine) Fortschritte aus Berfa zu vermelden: Der Wiederaufbau geht weiter und der Fortschritt ist unverkennbar. Eindeutig: Die destruktive Phase ist beendet, jetzt ist der Blick nach vorn gerichtet. Ich könnte mir vorstellen, dass die Alsfelder Planeta noch in diesem Jahr wieder Töne von sich gibt.

 

 

 

 

Möglicherweise hat eine Infektion mit der udmurtischen Fingerschwellkrankheit grössere Fortschritte verhindert. Aber jeder Russenschrauber und auch der Hausarzt von Reimund weiss: Gegen diese Krankheit hilft nur exzessives Schrauben.

 

Die Welle der Vernunft

Nachdem gestern bereits die Junak abgeholt wurde, gab es heute noch mehr Luft in meinen Motorradhallen: Die beiden IZH Jupiter nebst vielen Teilen wurden abtransportiert in Richtung Westen. Das ist der Beweis: Ich reite weiterhin auf der der Welle der Vernunft.

Vereinbart war der Deal mit Jens ja schon länger, aber an diesem Samstag wurde das Jupiter-Kontingent auch abgeholt. Diese Gelegenheit wurde genutzt, auch gleich Sammies BMW wieder in Richtung Heimat zu transportieren – die hatte 2 Jahre lang Asyl im Vogelsberg erhalten. Nach dieser Aktion ist die Scheune – naja, leer ist sie noch nicht, aber etwas leerer. Die grosse Menge an Jawas und Jawateilen belegt noch einigen Raum. Das könnte meine nächste Verkaufsaktion auf der Welle der Vernunft werden.

Die Drei von der Transportgesellschaft - erstaunlich, wie gut die drei Motorräder auf den breiten Trailer passen. Das letzte Maschinchen flutschte gleitend wie ein gut eingeölter Kolbenbolzen auf den Hänger.

Nach erstaunlich kurzer Zeit ist so ziemlich alles verstaut und es geht zurück nach Westen. Aber zu einem späteren Zeitpunkt wird eine weitere Fuhre notwendig sein, denn der Seitenwagen und ein paar Motorradrahmen konnten heute nicht mitgenommen werden.

 

 

Eine kleine Betrachtung der russischen Ersatzteilphilosophie

Am Samstag Morgen erhalte ich eine Ersatzteillieferung für die Planeta. Als Westeuropäer bin ich anfangs ein ganz klein wenig schockiert über eine paar Dinge, aber nach etwas Überlegen wächst mein Verständnis für eine andere Sichtweise der Dinge. Und so folgt hier eine kleine Betrachtung der russischen Ersatzteilphilosophie.

Auch wenn ich es seit meiner Kindheit gewohnt bin, passende Ersatzteile in perfekter Qualität für alle Dinge des täglichen Lebens zu bekommen, verstehe ich plötzlich die andere Art. Ich gewöhne mich an den Gedanken, Teile zu bekommen, die eine gute Basis darstellen, jedoch nicht ohne individuelle Behandlung einsetzbar sind. Das bedingt natürlich, sich mit der Materie zu befassen und das zu reparierende Teil kennen zu lernen. Und dann bekommst Du ein völlig neues Gefühl für das Produkt. Du verstehst es und deine eigene Arbeit in Verbindung mit den Basisteilen ergibt – ein Qualitätsprodukt. Das passt natürlich nicht zu unserer westlichen Wegwerfmentalität, aber wer wie ich aus den 50er Jahren stammt oder wer den Mangel der ehemaligen DDR kennen gelernt hat, wird verstehen.

Ein Komplettsatz: Zylinder, Kolben, Ringe und Kolbenbolzen - und dennoch nicht direkt zu verwenden. Der Zylinder muss nachgeschliffen werden, das Stossspiel der Ringe stimmt nicht und der Kobenbolzen hat zu engen Sitz. Das bedeutet, dass ich mit allen Komponenten zu einem Motoreninstandsetzer gehen werde. Danach allerdings werden die Passungen perfekt sein - hoffe ich.

Innerer und äusserer Kupplungskorb: Auch hier geht ohne Nachbearbeitungs nichts. Wer das so einbaut, wird nicht lange Freude an der Kupplung haben. Das Lager im äusseren Kupplungskorb hakt und wird ausgetauscht. Und die Zähne werden ganz vorsichtigen Kontakt zu einer Rundfeile bekommen.

 

 

Es gibt Luft in der Scheune

Heut brauche ich nur ein bestimmtes Teil für die Planeta aus der Scheune, aber bei der Gelegenheit räume ich ein bisschen hin und ein bisschen her. Seit der kleinen Rückholaktion vor drei Tagen habe ich zum ersten mal das seltsame Gefühl, dass das Kernschrottlager abnimmt. Tatsächlich: Es gibt Luft in der Scheune.

Und wenn es jetzt bereits sichtbar Luft gegeben hat: Wie wird das erst werden, wenn Jens und Sammy in den nächsten Wochen drei Motorräder, einen Seitenwagen und jede Menge Teile wie Rahmen und Bleche abholen. Ich habe da so eine Vision von einer quasi leeren Scheune …..

So leer hat die Scheune seit Jahren nichtmehr ausgesehen - nur ganz kurze Zeit, nachdem ich sie angemietet habe. Aber ich muss aufpassen: Bin immer noch gefährdet und darf nichts neues mehr dazu stellen. Ausser natürlich einer ES2 von Norton oder einer 600er Panther oder einer Zündapp DS 350. Aber sonst nix.

Und wenn diese beiden Jupiter 3 zusammen mit weiteren Dingen auch noch verschwinden, kann ich tatsächlich daran denken, die Scheune aufzugeben. Andererseits wäre es ein schöner Rückhalt für Unabwägbarkeiten und unerwartete Neuzugänge.

Wenn das alles so klappt wie geplant, bleiben wahrhaftig nur noch der Ersatzteilträger für die MZ ES250/1, die DKW RT 175 S und .....

... natürlich die Jawas und CZs. Das allerdings ist ein Haufen Zeug und daraus könnte ich eine CZ 450, drei Jawa 356 und eine CZ 455 aufbauen. Aber ob ich das will und vor allem: Ob ich das in diesem Leben noch schaffe? Wahrscheinlich nichtl.