Das wunderbare Mysterium der Selbstheilung russischer Technik

Das Wetter an diesem Dienstag ist so gut, dass ich nach der Arbeit gegen 17:30 noch die Planeta aus der Werkstatt ziehe und zu einer kleinen Vogelsbergrunde starte – bevor morgen die grosse Hitze ausbricht. Nach diesem Arbeitstag, der einfach nicht vergehen wollte, ist das dringend nötig. Und ausserdem muss ich testen, wie sich meine Kupplung verhält – die letzen Einstellungen scheinen wieder für die Katz gewesen zu sein. Und dann erlebe ich das wunderbare Mysterium der Selbstheilung von russischer Technik.

Beim Start und zu Beginn der Fahrt ist alles wie gewohnt: Die Kupplung ist bestialisch schwergängig und trennt nicht 100%ig. Ich nehme ihr alles Spiel am Kupplungshebel, damit die Maschine nicht gleich beim Einlegen eines Ganges vorwärts schiesst. Alles beim Alten und gewohnt schlecht.
Aber nach 20 km wird die Sache mysteriös: Ich  bekomme mehr und mehr Spiel am Hebel, dass ich jedesmal wieder wegnehme. Und die Kupplung wird plötzlich leichtgängiger – fast richtig gut. OK, ganz trennen tut sie noch immer nicht, aber wenn ich jetzt noch einen Distanznippel in den Zug einbaue und das Spiel noch weiter reduziere, könnte es klappen. Aber ich beschliesse, morgen eine weitere Testfahrt zu absolvieren und zu sehen, ob diese Selbstheilung von Dauer ist oder ob es sich um den Beginn eines kapitalen Schadens handelt. Am heutigen Tage jedenfalls arbeitet die Kupplung gut wie noch nie. Ich verstehe das zwar nicht – aber muss ich alles verstehen?

Der Vogelsberg beginnt sich zu verfärben: Aus dem Grau der letzten Monate ist jetzt innerhalb weniger Tage eine Mischung aus Grün, Weiss und dem Rest von Grau geworden - sehr schön zu sehen hier am Ortsausgang von Köddingen.

Und hier stelle ich auch fest, dass die Kupplung wieder leichtgängig geworden ist und Spiel am Hebel bekommen hat. Was hat sich hier gesetzt oder verschoben oder verbogen? Ich habe keine Ahnung, und ich meine, dass sieht man mir auch an.

Von Köddingen fahre ich an der Schwalmquelle vorbei nach Meiches, um dort nach längerer Zeit mal wieder den Totenköppel zu besuchen. Trotz der hellen Abendsonne ist es hier immer ein wenig mystisch und unheimlich -aber schön.

Auf der Anhöhe in Richtung Stumpertenrod bin ich immer wieder gern und versuche heute, die beginnende Baumblüte festzuhalten.

Wie die miniaturisierten Baufahrzeuge der kleinen Doozer-Männchen sehe ich überall die Schlepper der Landwirte ihre Felder bestellen. Kennt ihr die Doozer? Das waren die emsigen Bauarbeiter aus der Comic-Serie "Die Fraggles."

Hinter Stumpertenrod steht etwas ausserhalb die Sternwarte des Vogelsberges. Unter www.sternenwelt-vogelsberg.de findet ihr Infos dazu im Web.

Um Stumpertenrod herum hast Du von vielen Punkten einen unglaublich schönen Ausblick auf die typische Vogelsberglandschaft. Dabei fällt mir auf, dass ich die bisher etwas provisorisch verlegten Leitungen noch in Schrumpfschlauch verpacken muss.

Nach ein paar Kilometern über die B49 biege ich am Schellnhäuser Berg ab und halte an diesem hübschen Haus direkt neben der Gaststätte "Zum Vulkan" - die aber auch schon ein paar Jahre geschlossen ist. Und das Haus steht leer, vermutlich ist es zu verkaufen.

In Ehringshausen pausiere ich kurz an diesem alten (und ebenfalls geschlossenen) Haushaltswaren- und Eisenladen. Ob da nicht noch einige Schätze in diversen Kellerräumen versteckt sind? Vielleicht gar eine alte Zündapp DS350?

Den Verfall dieses grossen Gebäudes in Ehringshausen verfolge ich seit Jahren. Vor 15 Jahren hätte man das noch instandsetzen können, heute kannst Du schon durch das Dach den Himmel über dem Vogelsberg sehen.

Nun fahre ich noch den abgelegenen Rastplatz zwischen Niedergemünden und Homberg an, um ein wenig zu entspannen und den beginnenden Abend zu geniessen.

Bin jetzt viel ruhiger als zu Beginn der Fahrt, regelrecht relaxt. Und zufrieden, weil die selbstheilende Kupplung immer noch prima funktioniert.

Eine zeitlang beobachte ich noch den Verkehr der nahen A5 und grübele über die Geheimnisse der Izhevsker Technik. Dann mache ich mich auf den Heimweg und geniesse die restlichen 15 km der heutigen kleinen Vogelsbergreise von knapp 100 km.