Die letzte Zwischeneiszeit im Vogelsberg ist etwa 800 Jahre her – aber in diesem Jahr hat sich erneut so ein Kälteeinbruch angekündigt. Jetzt haben wir schon mehr als zwei Wochen nonstop arschkaltes Wetter – keine null Grad, nein: Wir reden über zweistellige Minusgrade. Die alte Heizung in unserem alten Fachwerkhaus versucht zwar, dagegen anzukämpfen und gibt wunderbar Wärme an die Umwelt ab – allein, es will nicht helfen: Draußen bleibt’s kalt.
So ganz langsam soll es aber wieder etwas wärmer werden und die Minusgrade werden bald nur noch einstellig sein – sagt der Wetterbericht. Leider merke ich nichts davon und ich muß immerhin jeden Tag für mindestens eine Stunde hinaus in die gnadenlose Kälte: Leihhund Yellow zwingt mich dazu. Und für heute, nach dem Hundespaziergang, bin ich wild entschlossen, ein paar Stündchen in der Werkstatt mit meiner roten DR400 zu verbringen.
Puh, um 9:00 hat es hier 18°C - minus natürlich. Selbst die recht stark fließende Ohm ist zu großen Teilen zugefroren. Das bereits die Sonne scheint ist reiner Bluff und soll wohl nur von den grauslichen Temperaturen ablenken.
Klar, fürs Auge ist so ein knackiger Wintertag schon was feines - nicht jedoch für das menschliche Gemüt, jedenfalls nicht für meines. Und in Osteuropa herrschen ja noch eisigere Temperaturen. Jetzt ist mir klar, warum meinem rumänischen Hundefreund das Wetter überhaupt nichts ausmacht.
Yellows Fell fühlt sich mittlerweile an wie das eines Eisbären. Und eine kleine zusätzliche Speckschicht sorgt mit dafür, dass es dem Burschen gar nicht zu kalt werden kann.
Und so absolvieren wir auch heute unseren alltäglichen Spaziergang - Yellow ausgesprochen gut gelaunt, ich dagegen ein klein wenig missmutig. Bin einfach zu sehr auf steigende Temperaturen eingestimmt - jetzt heisst es, dass die ab Dienstag kommen und es können sogar Plusgrade werden. Abwarten.
Nach 90 Minuten bin ich wieder zuhause - und jetzt soll es in die Werkstatt gehen. Die 2 kW Elektroheizung sollte es schaffen, die Werkstatt auf 10 °C zu erwärmen. Leider beginnt die Geschichte heute mit lausigen drei 3 °C.
Mit leicht eingefrorener Motivation beschäftige ich mich immerhin etwas mehr als eine Stunde mit dem 12V-Umbau der Suzuki-Elektrik. In dieser Zeit hat die Heizung das Räumchen auf gerade mal 5 °C erwärmt. Ich stelle fest, dass elektrische Arbeiten bei dieser Kälte nicht das richtige sind und befasse mich daher ein weiteres Stündchen mit Aufräumen und dem Sortieren von DR400-Teilen. Das sind aber bereits Rückzugsgefechte und tatsächlich beende ich den heutigen Werkstatttag bereits vor 13:00.
Gerade ein wenig aufgewärmt, bringt der Postbote ein Paket von Tante Louise - wenigstens etwas Erfreuliches heute. Da sind einmal die hübschen AJS-Retrohandschuhe - perfekt passend zu meinen Motorrädern, besonders zur W650. Und ein LED-Rücklicht ist dabei, das gleiche, dass ich an der DR400 verbaut habe. So ganz traue ich der (chinesischen?) Konstruktion nicht und falls der 400er Eintopf das Teil zerschüttelt, ist schon jetzt für Ersatz gesorgt.
Keine Frage: In unserem Dunstkreis ist Reinhard für den sprunghaften Anstieg von Enduro-Motorrädern verantwortlich. Ich selbst bin zwar von jeher ein Freund dieser Motorrad-Gattung, aber eigentlich war in meinem zweiten Motorradleben nichts in dieser Richtung vorgesehen – bis ich eine Probefahrt auf Reinhards XL 350 gemacht habe. Naja, und jetzt schraube ich an meiner Suzuki DR 400 – aber das ist heute nicht das Thema. Das Thema ist vielmehr eine weitere Aktion, die die Verbreitung von Enduros und dabei speziell von Honda-Enduros betrifft.
Jedenfalls bin ich heute zu einem Ereignis geladen, bei der eine Honda XL 250 an Suse übergeben werden soll. Diese Honda wurde von Reinhard und Thomas beschafft, repariert und über die TÜV-Prüfung gebracht – und das einzig und allein zu dem Zweck, die Maschine als Geburtstags,- Weihnachts- und allgemeines Geschenk an Suse zu überreichen. Mein eigener Beitrag an der Aktion ist zwar eher gering, aber entgehen lassen kann ich mir das natürlich nicht. Also gehts gegen 14:30 ab nach Ilsdorf.
Seltsame Dinge tun sich in Ilsdorf – alles Vorbereitungen auf die große XL-Übergabe. Ich sehe gleißende Scheinwerfer, Kameraspektive, Zelte und mysteriöse Maschinen, deren Sinn sich mir nicht sogleich erschließt.
Aber ich sehe auch die XL 500 von Thomas, die heute frisch getüvt wurde – zusammen mit der XL für Suse. Ordentlich gekärchert steht die 500er ausgesprochen proper da.
Zusätzliche Zuschauer wurden geladen – aber Bernd, der Tierarzt, weiß nicht ganz genau, worum es hier und heute geht. Egal, er ist dabei.
Eine spezielle Präsentationskabine wurde zusammen mit einem großen Technikaufgebot auf die Beine gestellt. Fast könnte man meinen, dass hier die neue Ducati Pannigale dem staunenden Ilsdorfer Publikum vorgestellt werden soll.
Staunend erlebe ich als Vogelsberger Landpomeranze diese Vorbereitungen – aber klar, das ist dem heutigen Ereignis angemessen. Kleiner geht nicht!
Nur unwesentlich verspätet erscheint der Star des Tages: Suse ist eingetroffen. Ahnt sie zu diesem Zeitpunkt, was da auf sie zu kommt?
Die mühsam ausgearbeitete und vorbereitete Rede fällt dann doch sehr kurz aus. Grund: Suse weiß bereits Bescheid – ein nicht genannter redseliger Herr hat die Pläne zur Unzeit ausgeplaudert. Er konnte nicht anders 🙂
Nun wird das Allerheiligste betreten: Untermalt von Blitzen, Bühnennebel (biologisch abbaubar), getragenen Klängen des Ilsdorfer Mandolinenvereins und tosendem Applaus der geladen Gäste betritt Suse die Präsentationskabine.
Nachdem sich der Nebel ein wenig verzogen hat, ist die Honda XL 250 zu erkennen und Suse ist eine gewisse Freude über die schicke Enduro durchaus anzumerken. Beeindruckender kann die Pannigale-Vorstellung in Milano auch nicht gewesen sein.
Die Instruktoren Reinhard und Thomas erläutern die Startzeremonie eines Einzylinder-Viertakt-Motors: And now, Lady: Kick your big single into life.
OK, den ersten Start des kalten Motors erledigt Thomas, aber ab dann übernimmt Suse und bekommt den Einzylinder ohne Probleme zum Laufen.
Runde um Runde wird um den Hof gedreht und die Rundenzeiten werden immer besser. Während die übrigen Teilnehmer des Ereignisses vor der Kälte in die warme Wohnung und zu heißem Kaffee flüchten, verbringt Suse noch einen Augenblick bei ihrer Honda – allein und ungestört.
Kleinere Pannen sind trotz umfangreicher Vorbereitung manchmal unvermeidlich. In diesem Fall waren die Filmaufnahmen betroffen: Die installierten Kameras fielen aufgrund der Kälte und schwächlicher Batterien reihenweise aus. Und statt eines kompletten Dokumentarfilms sind lediglich die beiden folgenden kurzen Filmsequenzen heraus gekommen.
Das war’s dann für heute in Ilsdorf. Jetzt sind also bereits vier Enduros mit 250, 350, 400 und 500 ccm vorhanden, und damit kann die für dieses Jahr geplante Reise entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze statt finden. Die ersten Details dieser Fahrt werden noch an diesem Nachmittag diskutiert. Wir sehen und hören uns bereits auf dem alten Kolonnenweg und rund um die ehemaligen Grenzanlagen mit den vier Eintöpfen das grüne Band befahren – blubb-blubb-blubb.
Weiter geht es heute mit kleineren Arbeiten an der DR 400. Im Moment arbeite ich ein wenig unstrukturiert – hier ein Handgriff, da eine kleine Schrauberei – keine Ahnung, warum das so ist. Aber irgendwann wird selbst aus einem solchen zerfaserten Geschraubsel ein fertiges Motorrad entstehen. So weit bin ich zwar noch nicht, aber immerhin ähnelt die Baustelle mehr und mehr einer 80er Jahre Enduro.
Zuerst jedoch werfe ich einen Blick in den Heizungsraum, wo etliche Motorradbatterien gehegt und gepflegt werden. Die schon recht alte Silverstar-Batterie (ein Bleiakku) ist zu meiner Überraschung wieder zu 100% voll geladen worden. Mal abwarten, wie gut sie bei den ersten Starts die Kapazität hält. Sollte das Ergebnis nicht zufrieden stellend sein, steht bereits ein passender Gelakku bereit. Den habe ich einmal geladen und der hält die Spannung bis jetzt ganz vorzüglich. Ist natürlich ohne Last auch keine Kunst. Die dritte, etwas kleinere Batterie, ist aus der Matchless. Die scheint noch sehr gut zu sein, hat aber auch durch den fehlenden Anlasser wenig zu leisten.
Der Vor- und Erstbesitzer hat die DR400 vorbildlich gepflegt. Selbst die Bremsnocken sind perfekt mit Kupferpaste bestrichen. Man bedenke: Die DR400 ist 30 Jahre alt. Immer wieder entdecke ich solche liebevollen Details an der Maschine.
Ich entferne jetzt die zerstörten Bauteile der Frontpartie und baue zunächst einen neuen Lenker und neue Blinker vorn an. Der Stopplichtschalter am Handbremshebel ist zerquetscht und so baue ich aus zwei Schaltern einen funktionsfähigen zusammen. Dabei springt mir dummerweise ein winziges Kupferplättchen aus der Hand und ward nicht mehr gefunden. Der Gasdrehgriff ist defekt und ein Gebrauchtteil aus einer älteren Suzi passt nicht. Muss also den kompletten alten Griff umbauen, aber der sieht ohnehin schöner aus: Er ist komplett aus Alu und noch kein Kunststoffteil. Und dann kommt schon mal das Vorderrad mit dem neuen Heidenau K60 front rein.
Jetzt wirkt die Frontpartie schon beinahe fertig. Ich weiß aber, dass es nicht so ist wie es scheint: Da ist noch jede Menge Arbeit. Aber man beachte den wunderbaren Gasdrehgriff mit Killschalter aus massivem Aluminium. Wenn ich den noch mit Elsterglanz behandelt habe .....
Nur für mein Ego werden mal kurz Tank und Sitzbank aufgelegt - und jetzt sieht meine Suzi plötzlich wie ein richtiges Motorrad aus. Leider entdecke ich dabei, dass der sonst gut erhaltene Tank an der Befestigung leicht undicht ist. Mist, hatte so gehofft, den Tank mit der originalen Lackierung nehmen zu können. Hilft nix, aber zum Glück habe ich ja weitere Tanks. Und einer ist gerade beim Polieren. So ein hochglänzender Alutank wird meiner DR sicher prima zu Gesicht stehen. Neben den LED-Blinkern ist jetzt auch das LED-Rücklicht angeschraubt - alles Maßnahmen, um die Verbraucherleistung drastisch nach unten zu bringen. Aber mit der Elektrik werde ich mich ohnehin noch intensiv beschäftigen müssen - jedoch heute nicht mehr.
Dank meines ausgeprägten Jäger- und Sammler-Gens habe ich jetzt drei DR400 in der Werkstatt. Nach genauer Diagnose und nach Abwägen aller Kriterien ist mir jetzt klar: Die zuletzt geholte DR wird aufgebaut und die beiden anderen werden zerlegt und sollen als Ersatzteilträger dienen. Damit sollte es möglich sein, eine DR400 für den Rest meines Motorradlebens am Laufen zu halten.
Vielleicht schaffe ich es ja diesmal, die hübsche Suzi so lange zu behalten und nicht wieder zu verkaufen. Ja, ich glaube, das schaffe ich diesmal.
In diesem Nebenschuppen, der jetzt zum DR-Schuppen geworden ist, werde ich die beiden Teileträger zerlegen, die Ersatzteile aufarbeiten, katalogisieren und ordentlich und übersichtlich lagern. Im Moment stehen hier aber noch die beiden Maschinen in teilzerlegtem Zustand.
Nicht einmal zwei Stunden später ist zumindest eine DR quasi komplett zerlegt. Der Ausbau der Schwinge war recht mühsam und der Zustand der Schwingenlager katastrophal - obwohl es schon Nadellager waren. Die Ersatzteilregale beginnen,. sich zu füllen. Ein gutes Gefühl.
Leider weiß ich nichts über den Zustand dieses Motors - außer, dass er dreht und schaltet. Dicht scheint er auch zu sein. Werde mir den Ventiltrieb, Zylinder und die Lichtmaschine mal anschauen - irgendwann einmal.
Die Gabel macht einen sehr guten Eindruck, der Rahmen benötigt eine kleine Schweißung an der Fußrastenaufnahme und die Schwingenlagerung muß neu. Für mich wirklich erstaunlich, dass Suzuki bereits Ende der 70er Jahre Kegelrollenlager für den Steuerkopf und Nadellager für die Schwinge genommen hat.
Die zweite DR war ursprünglich für den Aufbau vorgesehen, aber zwei Enduros machen natürlich keinen Sinn. Verkaufen kommt aber auch nicht in Frage. Daher werde ich auch diese Suzi zerlegen - aber erst, wenn die dritte DR aufgebaut und zugelassen ist. Man weiß ja nie ..... Was ich aber weiß, ist, dass dieser Motor auf jeden Fall läuft. Sprang gut an und klang nicht übel.
Und diese dritte DR soll wieder auferstehen. Bis auf die Unfallschäden scheint alles in unglaublich gutem Zustand zu sein - und der Motor hat erst garantierte 15.000 km gelaufen. Der Vor- und gleichzeitig Erstbesitzer hat viele Dinge verbessert und sich unglaublich Mühe damit gegeben. Beispielsweise sind viele Schrauben durch leichte und hochfeste Aluschrauben ersetzt, etliche Anbauteile sind liebevoll mit Bohrungen zur Gewichtserleichterung versehen, die Auspuffanlage ist optimiert - und mal sehen, was ich noch so finden werde.
15.330 km - garantiert vom Vorbesitzer und absolut glaubhaft. Tacho, Drehzahlmesser, Lampenmaske, Blinker und Gasgriff sind beim Unfall zerstört worden, aber diese Teile habe ich alle in meinem Fundus.
Selbst die schwarze Lackierung des Motors ist noch in bestem Zustand. Der Kabelbaum ist original und da ist nichts verbastelt. Dennoch: Da werde ich dran gehen und versuchen, die DR auf 12 V Bordspannung umzubauen. Das hatte ich sofort vor und von diesem Gedanken bin ich nicht abzubringen. Vernünftiges Licht ist einfach ein Muss. Und dank des geballten Einsatzes von LED-Technik hoffe ich, das trotz der schwächlichen Lichtmaschine hinzu bekommen.
Beim Schmökern in den ebay-Kleinanzeigen fand sich Mitte Januar mal wieder eine DR400. Sie wurde als Unfallmaschine angeboten, jedoch mit äußerst geringer und garantierter km-Leistung – lediglich 15.000 km. Und allzu weit weg stand die Suzi auch nicht – hab nach kurzer Korrespondenz also zugesagt und die Maschine heute zusammen mit Reinhard und seinem bewährten Motorradtransport-Fahrzeug aus Heidelberg abgeholt. Dabei gab es einige Überraschungen.
Das ist natürlich NICHT die gekaufte Unfallmaschine. Dieses Bild hat mir der Kollege Marcus kürzlich zugeschickt um zu zeigen, wie schön eine DR400 aussehen kann. Mir hat diese gelbe Suzi jedenfalls einen ordentlichen Motivationsschub für mein DR-Projekt gegeben.
In einer guten Heidelberger Gegend stand die gekaufte Ersatz- und Unfallmaschine - und steht da wie aus dem Ei gepellt. Der Unfallschaden besteht nach erster Sichtung aus defekten Blinkern, Armaturen, Hebeleien und einem angeschlitzten Vorderreifen. Dazu sind Lenker und Lampenmaske beschädigt. Vielleicht ist auch das Rahmenheck ganz leicht verbogen, aber das muß noch geprüft werden. Wie auch immer: Das sieht mir nicht nach einem Totalschaden aus. Und der sonstige Zustand ist vorzüglich - viel besser als meine bisherigen DR's, die doch stark herunter geritten wirken. Jetzt werden ein paar Teilchen abgeschraubt, damit die Suzi im riesigen Heck des A6 verschwinden kann.
Je länger wir schrauben und je mehr Teile entfernt werden, umso klarer wird: Diese Maschine wird wieder aufgebaut. Sie zeigt eindeutig die beste Substanz unter meinen drei DR400. Viele Teile sind wirklich und wahrhaftig neuwertig und es finden sich jede Menge wunderbarer Verbesserungen an der Suzi: Bielstein-Stoßdämpfer hinten, optimierte Auspuffanlege, hochwertige uund leichte Schrauben, liebevoll erleichterte Teile, Alu und Lack in prima Zustand. Schätze, dass ich mit diesem Kauf richtig Glück hatte.
OK, jetzt ist alles abgeschraubt, was den Transport im Heckraum des A6 stören könnte. Hinein mit dem Torso und schon gehts auf die Rückreise. Noch ein schöner 1955er Burger zum Abschluß und noch vor 18:00 steht die rote Suzi in meiner Werkstatt. Das kommende Wochenende werde ich ganz und gar diesem Motorrad widmen und eine sehr genaue Prüfung vornehmen. Aber der Weg scheint vorgezeichnet: Die Heidelberger Suzi kommt wieder auf die Strasse und meine bisherigen DR werden zum Ersatzteillager.
Mit Reinhards Hilfe sind Zerlegen, Verladen und Transportieren ruckzuck erledigt.