Zwei V-Twins im Cafe Waltraud

Ein grauer Sonntag Morgen mit Temperaturen um die 15°, aber eine Regenwahrscheinlichkeit von nur 7 % – klar, dass ich bei diesem idealen Motorradwetter nicht zuhause bleibe. Leider komme ich nicht wirklich früh weg, weil um 8:45 der Käufer meiner alten DKW RT 175 S aus Bremen zur Abholung kommt. Als das erledigt ist, telefoniere ich schnell mit Jürgen und ruckzuck sind wir uns einig: Wir werden mit den beiden Suzukis in den Taunus fahren. Treffpunkt ist die Frankonia-Filiale in Reiskirchen um exakt 11:15. Um das zu schaffen, nehme ich bis Reiskirchen die Autobahn und komme heute immerhin bis auf 180 km/h. Für mehr ist der Verkehr heute zu dicht.

Nachdem meine Suzi in Reiskirchen aufgetankt ist, nehmen wir eine schnelle Route über Lich und Butzbach in den hinteren Taunus, den wir jetzt erreicht haben. Das Wetter i st immer noch grau und kühl, nicht schlecht, vielleicht 1-2 °C zu kühl, aber insgesamt angenehm. Unsere beiden V-Twins von Suzuki harmonieren prächtig miteinander und wir zirkeln immer tiefer in den Taunus hinein.

Wir hätten jetzt gern einen Kaffee im legendären Cafe Waltraud – aber haben leider keine Ahnung, in welchem Ort sich diese Lokalität befindet. Aber dann fallen mir Waldi und Heike aus Usingen ein: Da könnten wir kurz vorbei fahren, Hallo sagen und nach dem Weg ins Cafe Waltraud fragen. Und so kommt es. Das Haus in Usingen ist schnell gefunden, denn man sieht Käfer, Motorräder und Roller von der Strasse aus. Und überraschenderweise treffen wir nicht nur Waldi und seine Heike dort, sondern auch Herrmann und dessen Heike. Das gibt 45 Minuten Smalltalk, denn wir haben uns länger nicht gesehen.

Nach dem Smalltalk und einer Besichtigung des Waldmannschen Fuhrparks erfahren wir natürlich, wo sich das Cafe Waltraud befindet und wie man dort hinkommt.

Jetzt wissen wir, dass sich das Cafe Waltraud in Weilrod-Emmershausen befindet. Der Weg von Usingen dahin ist nicht weit, aber wunderschon: Taunus pur. Peinlicherweise waren Jürgen und ich irgendwann schon einmal dort, hatten aber die Lokation schlicht vergessen. Und damals war das Lokal derart voll, dass wir nicht eingekehrt sind. Heute ist das anders, aufgrund des herrlich grauen Wetters ist der Betrieb moderat.

Nach einer kleinen Mahlzeit und schönem heissen Kaffee verlassen wir das nette Lokal wieder und gehen langsam auf Kurs Heimat. Aber natürlich nicht direkt, es kommen noch etliche Taunuskilometer zusammen.

Bis Lich fahren wir zusammen, dann trennen sich unsere Wege für Heute. Ich drehe noch ein paar Runden im Vogelsberg, um die 200 km für heute zu komplettieren. Dabei schaue ich mir in Wetterfeld den Motorradbekleidungsladen an und entdecke schicke Geländestiefel im Angebot. Und wo ich jetzt quasi auch eine Enduro habe, könnte ich diese Stiefel gut gebrauchen.

Zum Abgewöhnen nehme ich noch schnell die Strasse nach Altenhain unter die Räder. Es ist mittlerweile 16:00 und plötzlich kommt noch die Sonne heraus und es wird schlagartig warm und sonnig. Ehrlich gesagt hat mir das graue Vormittagswetter aber besser gefallen.

Ersatzteillager: Eine zweite DR400

Bei ebay ersteigere ich eine zweite DR400 – ein quasi komplettes Ersatzteillager also. Heute wird die Suzuki abgeholt und das machen wir mit Reinhards „neuem“ Auto, einem Audi A6 Quattro. Wir sind sicher, die Suzi damit ohne Hänger abholen zu können. Ein bisschen was abschrauben und schon soll die Enduro in den Heckraum des Audis passen. Um Punkt 10:00 gehts los in Richtung Mannheim.

Mit diesem Auto ist die Fahrt nach Mannheim das reine Vergnügen. Trotz seiner 240.000 km schnurrt der Fünfzylinder-Diesel wie ein Kätzchen und äusserst flott und völlig entspannt kommen wir in Mannheim an.

In einem der vielen Industrieviertel von Mannheim soll die Suzuki stehen – keine schöne Gegend, sondern stark zersiedeltes Grossstadtumfeld.

Dank Navi ist das Gelände rasch gefunden. Der Aufschrift nach war hier einmal ein Salzkontor. Interessante alte Gebäude verleihen dem Gelände einen gewissen frühindustriellen Charme. Allerdings erscheint hier auch einiges etwas dubios.

Das mitgebrachte Werkzeug benötigen wir zum teilweisen Zerlegen der DR400. Die beiden Räder, der Auspuff, Tank, Sitzbank und die Lampenmaske werden entfernt. Zwischendurch werden wir von einem unfreundlichen Platzwart auf die Strasse geschickt, um das Gelände nicht mit Öl zu versauen. Ein unsymphatischer Mannheimer. Aber was solls, zerschrauben wir den Rest auf der Strasse vor dem Salzkontor.

Alles verstaut, der gewaltige Laderaum des A6 hat die DR400 komplett verschluckt. Mit dem Audi vergeht auch die Rückfahrt wie im Fluge – mit meinem kleinen Jimny und Hänger wäre das heute eine Ganztagesaktion geworden. Mit so einem Ersatzteillager fühle ich mich gleich wohler und hoffe, die alte Suzi damit gut am Leben halten zu können.

 

Es geht weiter mit der Reparatur der Enfield

In früheren Zeiten wäre so etwas undenkbar für mich gewesen: Ein defektes Motorrad, alle benötigten Teile liegen bereit – und ich komme nicht in die Gänge. Liegt sicher am Alter und vielleicht auch daran, dass ich einen zu grossen Fuhrpark unterhalten muss. Die logische Konsequenz wäre, weiter abzuspecken. Immerhin habe ich ja schon gestern meine DKW RT 175S Baustelle erfolgreich nach Bremerhaven versteigert.

Wie auch immer: Am heutigen verregneten Sonntag schleiche ich mich in die Werkstatt und nehme mich der Enfield an.

Der neue Kolben mit Ringen und besonders der neuen TipTop-Ölabstreifer wird zuerst in den Zylinder eingesetzt, erst dann kommt der Kolbenbolzen durchs Kolben- und Pleuelauge. Dazu brauchte ich kurz einen dritte Hand und Nachbar Egon half mit. Vorher hatte ich neue Stehbolzen aus England eingedreht. Jetzt kommt der Zylinderkopf drauf und die langen Kopfmuttern sind ebenfalls neu und laut Hitchcocks in besserer Qualität als das Original.

Natürlich wird bei Arbeiten an der Bullet mit viel Gefühl und mit Drehmomentschlüssel gearbeitet. Trotzdem habe ich bei jeder Schraube Angst, das Gewinde aus dem weichen Alu zu reissen. Aber bisher ging alles gut.

Weiter gehts mit der Montage von neuen Kipphebelböcken von Hitchcocks. Es sind zwar auch Samrat-Teile (wie das Original) aber angeblich wesentlich passgenauer. Mal abwarten, ob sich dadurch die mechanischen Geräusche im Kopf tatsächlich reduzieren. Schön wär’s schon.

Die Ventildeckel bekommen neue Dichtungen, die ich trocken aufsetze. Hoffe, es bleibt dort oben dicht. Aber nach dem ersten Motorprobelauf muss ich die Deckel sowieso wieder abbauen, um die Kopfschrauben erneut mit 30 Nm nachzuziehen. Jetzt noch die Ventile eingestellt, und dann ist Schluss für heute. Vor 10 Jahren hätte ich jetzt bis in die Nacht geschraubt, um den Motor laufen zu hören, aber heute …. siehe weiter oben.

Aber die neue Bosch-Blau-Zündspule wird noch schnell montiert. Ob sie besser ist wie die vorher verbaute weiss ich zwar nicht, aber aus der Historie heraus ist mein Vertrauen zu Bosch schon gross – auch wenn heute „Made in Brazil“ auf dem Spulenkörper steht.

Einmal rund um den Knüll

Für einen Julitag ist es viel zu kalt, dazu stürmisch, und die Regenwahrscheinlichkeit ist auch nicht eben gering. Andererseits soll es morgen noch schlechter werden, sodass ich mich am frühen Mittag doch auf die Suzi setze. Zuerst halte ich auf das Knüllgebirge zu, aber dann entschliesse ich mich, den Knüll nicht zu  befahren, sondern zu umrunden.

Romrod, Alsfeld, Neukirchen -kurvenreichen Kreisstrassen, schnelle Bundesstrassen und sogar Autobahnen werden heute genutzt. Und sogar in einen kleinen Autobahnstau gerate ich heute – aber ihr wisst ja, dass ein Stau mit dem Motorrad irgendwie zu bewältigen ist.

Das Wetter bleibt kalt und stürmisch, aber bis auf ein paar Regentropfen bleibe ich trocken. Eine abwechslungsreiche Fahrt findet nach 200 km ihr Ende.

Von Schrecksbach aus hangele ich mich am Rande des Knülls entlang. Hier wird das Wetter kurzzeitig ein wenig freundlicher, aber die dunklen Wolken bleiben immer in Sichtweite. Es ist aber keinesweg so, dass mir das Wetter nicht gefällt: Etwas Kühle beim Fahren ist sehr angenehm und mir allemal lieber als ein heisser Sommertag.

In Sichtweite des Eisenbergs mit seinem Fernsehturm entschliesse ich mich zu einem Kurzbesuch dort oben.

Ab und zu treffen sich Motorradgruppen oben auf dem Eisenberg, aber heute ist das nicht der Fall. Deshalb gibts hier keinen langen Aufenthalt und beginne den Abstieg in Richtung Neuenstein.

Das kleine Schlösschen in Neuenstein-Aua ist immer einen Besuch wert.

Die Strasse von Neuenstein nach Bad Hersfeld ist gesperrt und so weiche ich ganz gegen meine Gewohnheit auf die Autobahn aus. Auf der A7 gerate ich doch tatsächlich in einen Stau, aber die Suzi trägt mich überall durch. Ich fahre noch ein Stückchen in Richtung Fulda, um bei Oberaula wieder abzufahren. So richtig kann ich dem Autobahnfahren noch immer nichts abgewinnen, obwohl das mit der Suzi schon erträglicher ist als mit meinen Ostböcken.

Zum zweiten mal an diesem Tag komme ich durch Schrecksbach und halte diesmal an dem winzigen Schloss an, in dem sich ein italienisches Restaurant befindet. Den Knüll habe ich jetzt bereits komplett umrundet.

Kurz die Schwalm gestreift und dann über Neustadt nach Stadtallendorf. In den zersiedelten Randbezirken dieser stark industrialisierten Stadt findet sich diese recht hübsch anzusehende Moschee.

Den Katzensprung nach Niederklein zum Motorradhaus Maus mache ich auch noch. Es handelt sich hier um einen laden der ganz anderen Art und ich schaue immer gern hier vorbei. Ab und zu gibt es auch richtig interessante Dinge hier zu sehen.

Nach Autobahnen und Bundesstrassen ist mir jetzt wieder nach den winzigen Vogelsbergpisten. Da komme ich quasi zwangsläufig am Homberger Segelfluggelände vorbei. War ja schon immer der Meinung, dass Fliegen und Motorradfahren ganz eng beieinander liegen.

Auf den letzten Kilometern können die Strassen mir gar nicht klein und winkelig genug sein.

Mit dem Gespann zum Bio-Baumarkt

Unser geplanter Umzug wirft seine Schatten voraus und wir benötigen ein paar spezielle Dinge aus dem Baumarkt – aber es soll aus dem Bio-Baumarkt sein. Zum Glück gibt es so etwas in Ober-Ohmen und die Gelegenheit nutze ich zu einer kleinen Gespanntour am frühen Abend. Und auch diesmal schaffe ich es, meiner Maxime treu zu bleiben, die da lautet: „Für eine Fahrt unter 50 km wird der Rotax grundsätzlich nicht angeworfen.“

Oder um es einfacher zu sagen: Kein Kurzstreckenverkehr mit dem Rotax-Gespann.

Der Baumarkt ist natürlich schon geschlossen, aber ein Mitarbeiter werkelt nebenan und schliesst nur für mich den Laden auf. Beim Plaudern stellt sich heraus, dass er Motorradfahrer ist: Yamaha SR 500 und XS 750. Klar, dass unser Gespräch jetzt noch länger dauert.

Nach dem Biomarkt-Einkauf gehts auf der schnellen B49 nach Grünberg, wo ich mir die Riesenbaustelle meines Brötchengebers in Ruhe anschaue. Sehe ich zwar aus dem Büro jeden Tag, aber heute eben mal ohne das sonst übliche Baustellengewusel. Da ensteht schon ein beeidruckendes Gebäude.

Mittlerweile ist es etwa 19:00, es wird kühler und am Himmel türmen sich helle und dunkle Wolken abwechselnd. In der Ferne gehen Regenschauer nieder, aber der Raum Mücke/Grünberg bleibt verschont.

Noch ein paar Kleinigkeiten aus dem neuen Netto-Markt besorgt und danach über einen gewaltigen Umweg zurück nach Hause.

Die Abendluft ist wunderbar, der Geruch von Wald, Gras und Feldern hängt in der Luft, alles wirkt wie weich gezeichnet. Verkehr hats jetzt auch so gut wie keinen mehr, was die kleine Fahrt zum echten Genuss werden lässt.