Tief im Lahn-Dill-Kreis

Auffällig, wie wenig ich dieses Jahr zum Fahren komme. Entweder muss ich schrauben, der Job verhindert die Fahrt oder das Wetter ist jämmerlich. Auch heute prophezeien die Wetterberichte eine Regenwahrscheinlichkeit von 80%, aber das ignoriere ich. Soll es doch regnen, werd ich eben nass – egal. Auch die Regenklamotten bleiben zu Hause, volles Risiko. Lasse mich heute gen Westen treiben und tauche tief ein in den Lahn-Dill-Kreis.

Stehe sehr früh auf an diesem Morgen, aber bis ich wegkomme und alles bereit ist, zeigt die Uhr bereits 8:45 an. Graues, trübes Wetter, teilweise feuchte Strassen, auf den Regen kannst Du quasi warten. Ist mir alles wurscht, eine Goretexjacke mit Winterfutter wird reichen. Und eigentlich mag ich ja dieses Wetter. Ein quälend heisser Tag mit tropischer Schwüle wäre viel schlimmer.
Der Rotax springt auch nach wochenlanger Pause prima an. Bereits nach wenigen Kilometern spüre ich, wie sehr mir das Bollern des Österreichers in den letzten Wochen gefehlt hat. Sehr schnell wird klar, dass ich meine Motorräder keinesfalls verkaufen werde. Denn ehrlich: In den letzten Tagen habe ich einigemale an meinem Motorradkonzept gezweifelt. Diese viel zu vielen und viel zu unterschiedlichen Maschinen, verbunden mit zu wenig Zeit und zu wenig Platz erschienen mir plötzlich als Fehlentwicklung. Dachte mehrfach daran, alles, wirklich alles, zu verkaufen und mich mit 2 Maschinen zu begügen: Einer Solo und einem Gespann. Das könnten beispielsweise 2 Kawasaki W 650 sein, oder 2 Moto Guzzi, vielleicht sogar eine der neuen V7.
Aber nach der heutigen Fahrt mit dem Rotax sind all diese Überlegungen vom Tisch – zumindest für den Moment.

Bevor ich wegkomme, müssen Gespanne aus der Werkstatt geschoben werden - sehr nervig. Hier habe ich 2 meiner Baustellen direkt im Blick: Das Rotaxgespann wartet auf den Seitenwagenumbau und das Eisenschwein auf den Einbau des 5-Gang-Motors.

Beim Schadeck in Lollar-Odenhausen schaue ich, ob W 650 angeboten werden. Glücklicherweise ist das nicht der Fall.

Nahe Fellingshausen umrunde ich den Dünsberg mit der Keltensiedlung, die ich heute aber nicht aufsuchen werde.

In Rodenhausen, einem kleinen Ort am Rande des Lahn-Dill-Kreises, weisst mich dieses Schild auf die gewaltige Entfernng bis Moskau hin.

Die Strasse Richtung Moskau nehme ich und tauche jetzt tief ein in den schönen Lahn-Dill-Kreis. Zwischendurch kommen immer wieder Regenschauer herunter und ich muss mit dem Tempo runter. Die Strecke ist nämlich äusserst kurvenreich.

Viel später halte ich bei diesem Ort mit dem für hessische Verhältnisse ungewöhlichen Namen Nesselbrunn. Klingt nach Schwaben oder Bayern, aber dieses Dörfchen ist gar nicht weit von Marburg.

Lasse noch eine hübsche Joggerin vorbeiziehen und dann treibts mich grossräumig über Marburg zurück. Fahre sogar mitten durch Marburg und habe enige Dejavus - schliesslich habe ich mal in Marburg gearbeitet und kannte die Stadt sehr gut.

Bei Erksdorf drehe ich ab in Richtung Kirchhain, hier ist die Gegend zwar nett, aber ein wenig langweilig. Aber bei klarer Sicht habe ich heute einen tollen Ausblick auf den "Pickel" Amöneburg und beschliesse spontan, den Ort auf 2 Rädern zu besuchen - zum allerersten mal.

Nachdem ich mich den "Pickel" hochgeschraubt habe, gehts auf den Marktplatz, einen der höchsten Punkte des schönen Ortes.

Die Silverstar wird geparkt und ich erkunde für ein halbes Stündchen die historische Innenstadt. Bergauf - bergab, und jede Menge kleine alte Häuschen. Das mag ich.

Hatten die Amöneburger wirklich ihre eigenen Masse? Und dass eine Rute 16 Fuss entspricht, wusste ich bisher auch nicht. Haben die Burschen schon damals hexadezimal gerechnet?

Schönes Lokal mit Biergarten - wegen des grauen Wetters heute aber völlig ohne Besucher. Bei schönem Wetter könnte ich es hier schon einen Augenblick aushalten. Anschliessend gehts zurück nach Mücke, von hier nur 30 km entfernt. Eine schöne Fahrt, trotz oder gerade wegen des durchwachsenen Wetters. Habe die 200 km sehr genossen.