Polja wird legal

Die Planeta läuft, alles funktioniert mehr oder weniger, TÜV hat sie noch 3 Monate – da könnte ich doch eigentlich einen freien Tag machen und die Maschine zulassen. So soll es sein! Morgens um 7:45 auf die Zulassungsstelle und nur 2 Stunden später ist es vollbracht: Polja wird legal.

Die Versicherungs-Doppelkarte gibts ja jetzt in elektronischer Form – das hab ich am Vortag arrangiert. Aber eines wusste ich nicht: Hat ein Fahrzeug weniger als 6 Monate bis zum nächsten TÜV, so muss es bei der Zulassung vorgeführt werden. Also bekomme ich auf der Zulassungsstelle zuerst mein Kennzeichen ohne Stempel, dann muss ich wieder nach Hause, das Kenzeichen an der Planeta befestigen und auf direktem Weg wieder zur Zulassungsstelle. Was ein Glück, dass die nur im nächsten Ort und nicht in der 50 km entfernten Kreisstadt ist! Jetzt wird die Fahrgestellnummer überprüft und dann gibts die Stempel. Noch eben lausige 55 Euro berappt und dann ist Polja wirklich legal. Trotz der erbärmlichen Kälte an diesem Morgen muss ich das ausnutzen und eine kleine Rundfahrt starten.

Hier bin ich an diesem Morgen zum zweiten mal an unserer Zulassungsstelle und werde jetzt den Sachbearbeiter in die Kälte holen, um ihm die Planeta vorzuführen.

Alles erledigt, ein DQ-Kennzeichen war noch frei, die Stempel sind aufgepappt, alles klar für eine kleine Rundfahrt mit der legalisierten Polja.

Raus aus Merlau und ab in Richtung Kirschgarten. Es ist jämmerlich kalt an diesem Morgen - garantiert Minusgrade. Dennoch ist die Kälte nicht schlimm, nur das dauernde Vereisen des Helmvisiers ist schrecklich. In diesem Punkt ist der Schuberth-Helm richtig schlecht.

Hier zwischen Kirschgarten und Wettsaasen, hat die Gegend um diese Jahreszeit irgendwie einen Hauch von Udmurtien, der Heimat Poljas.

Am Schützenhaus lasse ich ein paar Minuten die Morgensonne auf uns einwirken - hilft aber weder gegen die Kälte noch gegen das beschlagene Visier.

Der gesamte Boden ist mit Raureif bedeckt. Ohne den Zwang zur Vorführung wäre ich jetzt garantiert nicht unterwegs - aber dann hätte ich auch was versäumt.

Die Kupplung muss ich wieder etwas nachstellen, um die Schaltbarkeit des Getriebes zu verbessern. Und das Standgas muss runter, auch das hilft beim Schalten und reduziert die Getriebegeräusche ein wenig. Der K65 Vergaser ist schon recht schrecklich: miese Einstellmöglichkeiten und starkes Schieberuckeln sind seine Haupteigenschaften. Bing?

Ein paar Kilometer wandern wir auf diesen Wirtschaftswegen und da ist Polja in ihrem Element. Schon bei geringen Drehzahlen zieht der langhubige Zweitakter kernig durch - das ist die Motorcharakteristik, die ich schätze.

Bald tritt der erste Schaden auf: Der rechte Spiegel beginnt zu klappern und die Eingeweide wie Glas und DIchtung halten nur noch so gerade. Warum nur überrascht mich das überhaupt nicht? Insegsamt ist das Fahrverhalten wie mit einem Vorkriegs-Oldtimer - hauptsächlich durch das Getriebe bedingt. Und die Metzeler M22 Reifen sind auf feuchten Strassen wirklich so schlecht, wie es im Internet häufig nachzulesen ist. Ich denke über leicht grobstollige Heidenau-Reifen nach: Vielleicht ein K37?

Immer wieder gelingen mir auch geräuscharme Schaltvorgänge, aber nicht immer. Bis auf den defekten Spiegel passiert nichts mehr - Polja bringt mich an diesem wichtigen Tag ohne wirkliche Panne nach Hause. Instinktiv habe ich grosses Vertrauen zur Planeta, denn auch heute sind wir ohne jedes Werkzeug gefahren. Aber ich werde einen Satz aus LADA-Bordwerkzeugresten zusammenstellen. Aber jetzt heim, die Kälte wird mir zu unfreundlich.

 

Aber die Zeit mit Polja ist für heute noch lange nicht vorbei. Nun gehts in die Werkstatt und es beginnt ein kleiner Wartungs- und Servicedienst. Aber zuerst beginne ich damit, einen Bordwerkzeugsatz zusammen zu stellen. Sind teilweise Schlüssel von meinem alten Lada aus dem Jahre 1981: Made in USSR.

Das Getriebeöl wird gewechselt und die Planeta bekommt das gute Addinol GL80. Dann Kupplung einstellen, Speichen nachziehen, Bremshebel einstellen. Zwischendurch immer mal wieder nach nebenan zu Egon, der an Sammies Rotaxgespann schraubt.

Erst um kurz vor 6:00 ist Schluss mit der Schrauberei. War ein langer, aber angenehmer Tag mit Polja.

 

8 Stunden mit Polja in der Werkstatt

Für den heutigen Sonntag gibts 3 Alternativen: 1. Nichstun – ganz schlecht. 2. Zum Thüringer Ostbocktreffen auf die Emberghütte – hmm, ja, nicht schlecht oder 3. 8 Stunden mit Polja in der Werkstatt.

Eine Herbstfahrt nach Thüringen auf die Emberghütte bei Oberalba reizt schon – dort findet das monatliche Treffen einiger Ostbocktreiber statt. Das Wetter ist auch nicht ganz so schlecht wie angekündigt. Und ich kann jetzt schon verraten, dass es bis gegen 15:00 ganz nett und fast regenfrei bleibt. Wäre also wahrscheinlich eine schöne Fahrt geworden.
Aber ich entscheide mich heute für einen Schraubertag – zu stark zieht es mich zu meiner neuen Planeta. Noch vor 9:00 mach ich mich ab in die Werkstatt und verlasse sie erst nach 17:00 wieder. Schliesslich muss ich meine Polja doch kennenlernen.

Die ganze Nacht musste die arme Planeta draussen im Regen stehen und entsprechend nass sieht das gute Stück aus. Jetzt schnell das Silverstar-Gespann aus der Werkstatt geschoben, damit es dort Platz zum Schrauben gibt.

Bevor es losgeht noch ein Foto zusammen mit dem Schrauber. Ich finde nach wie vor, dass die Planeta extrem gut in den Vogelsberg und besonders zu unserem kleinen Anwesen passt.

Ab in die kleine Schrauberwerkstatt und als erstes schraube ich ein Kennzeichen an die Planeta. Das macht einen so schön fertigen und fahrbereiten Eindruck - auch wenn das Kennzeichen nicht ganz aktuell ist.

Dann ein Blick auf die Lichtmaschine. Wenn möglich, soll da eine Vape-Anlage rein, aber MZ-B lässt sich auf der Webseite recht unklar über die Systeme für Izh aus. Nach deren Beschreibung sollte meine Lichtmaschine ganz anders aussehen. Meine Lima passt mehr zu der Beschreibung zur Planeta 3. Mhhm, muss mal mit den MZ-B-Leuten diskutieren.

Jetzt schnapp ich mir eine Tube Elsterglanz und geh mal die diversen Chromteile an. Insgesamt ist der Chrom gar nicht schlecht, viel besser als die italienischen Teile an meinen Rotax-MZ ursprünglich waren. Und an einigen Stellen beginne ich, V4-Inbusschrauben zu verbauen, wie hier am Limadeckel.

Auch die Felgen sowie Auspuff und Krümmer sind chrommässig in gutem Zustand. Dennoch kommt jetzt überall Elsterglanz drauf, damit dieser gute Zustand auch erhalten bleibt. Batterie- und Werkzeugkasten versehe ich mit dicken Dichtungen, dadurch wird das Geklapper gleich wesentlich reduziert.

Beim Vorderrad mach ich mich ausgiebig über Felge, Speichen und die Bremstrommel her. Auch die Gabelholme werden behandelt und danken es mit höchstem Chromglanz. Die relativ fetten Metzeler-Reifen sehen nicht schlecht aus, wie ich finde.

Eigentlich eine richtig hübsche Bremse. Die Wirkung muss ich im Fahrversuch überprüfen, aber ich stelle sie erstmal Pi mal Daumen ein. An Züge, Tacho und weitere Schmierstellen kommt jetzt Molykotepaste.

Inzwischen habe ich die Batterie nachgeladen und den Benzinhahn gereinigt - das war auch nötig. Im Tank ist einiges an Rost und so denke ich, dass solche Reinigungen noch öfter vorkommen werden. Und dann gehen wir auf eine kleine Probefahrt!

Wir befahren nur die allerkleinsten Strässchen - muss ja nicht jeder das Kennzeichen sehen. Der Motor zieht tatsächlich los wie ein Lanz Bulldog: Klack klack klack klack - und schon haben wir den 4. Gang drin. Der lange Hub bringts! Das Getriebe schaltet sich, naja, sehr robust. So leicht und geräuscharm wie ein MZ-4-Ganggetriebe geht es nicht.

Nach kurzer Zeit schalte ich aber schon fast geräuschlos - muss nur die Drehzahl schön runterkommen lassen. Und das wiederum macht der Motor gelassen mit. Ich kann euch sagen: Der Fahrspass ist enorm!

Als ich dem Kupplungszug etwas mehr Spiel geben will, wird das Schalten fast unmöglich. Also wieder weg mit dem Spiel. Sollte die Kupplung nach 8800 km schon fertig sein? Kann ich nicht glauben.

Mit 70, 80 oder 90 über diese Strassen zu touren. ist wunderbar. Hier herrscht überhaupt kein Verkehr, lediglich ein Radfahrer begegnet mir später. Die Planeta fährt sich genau so, wie ich mir das vorgestellt habe.

Bei Königsaasen biege ich ab, um den Ort zu umgehen - Vorsicht ist die Mutter der Porzelankiste. Nicht nur das Kennzeichen macht mich ein ganz klein wenig nervös, auch die Tatsache, dass ich keinerlei Werkzeug dabei habe, beruhigt nicht gerade. Und selbst das Handy hab ich vergessen!

Jetzt langsam zurück in Richtung Nieder-Ohmen. An diesem Ort treffen sich manchmal einige Spätaussiedler, aber heute ist natürlich niemand zu sehen. Dabei hätte ich ein paar Fragen zur Planeta gehabt. Vielleicht wäre sogar ein Izh-Schrauber dabei gewesen. Also weiter und zurück in die heimische Werkstatt.

Die Armaturen überzeugen mich nicht wirklich, der Lichtschalter hat manchmal einen Wackelkontakt und der Gasgriff geht verdammt schwer. Also die Schalter mal gereinigt und mit Polfett behandelt und den Gasgriff tausche ich gegen meinen geliebten Magura 307 aus. Dazu muss natürlich der Gaszug umgelötet werden.

Jetzt, am Nachmittag, kommt doch wieder schwerer Regen herunter. Ich bringe es nicht übers Herz, Polja bei diesem Wetter eine weitere Nacht draussen stehen zu lassen. Nach einigem Hin- und Herrangieren quetsche ich die Planeta wahrhaftig noch in die Werkstatt. Kann mich jetzt zwar überhaupt nicht mehr bewegen, aber meine Kräder stehen schön im Trockenen. Schluss für heute!

 

Meine Planeta ist im Vogelsberg angekommen

Das der Motorrad-Spediteur die Planeta in Hamburg abgeholt hat, wusste ich ja schon. Und seit gestern weiss ich auch, dass sie heute bei mir angeliefert werden soll. Endlich findet also zusammen, was zusammen gehört! Gegen 14:00 kommt der Anruf, dass der Sprinter jeden Moment um die Ecke kommen wird. Und tatsächlich, da ist er: Meine Planeta ist im Vogelsberg angekommen.

Die Planeta steht ganz vorn im Sprinter und damit wir nicht drei weitere Motorräder (darunter eine MZ RT 125) ausladen müssen, heben wir das gute Stück mithilfe von Nachbar Egon aus der seitlichen Schiebetür. Geht recht easy, dann noch ein wenig Smalltalk mit dem netten Fahrer, kurz die 125 Euronen gelöhnt (dafür hätte ich keine Fahrt nach Hamburg machen wollen) und der Sprinter zieht weiter. Jetzt kann ich mir meine Planeta genauer ansehen. Die gesamte Aktion einschliesslich Ausladen findet natürlich  bei strömendem Regen statt.
Schon seit einiger Zeit ist mir völlig klar, dass dieses Motorrad einen weiblichen Namen bekommen wird, und jetzt weiss ich auch, welchen: Die Planeta heisst ab sofort Polina, kurz Polja. Neben Kathy, der MZ TS 250/1 habe ich also jetzt mit Polja ein weiteres weibliches Wesen in meiner Werkstatt. Mal sehen, was meine liebe Gattin dazu sagen wird.

Da steht sie vor unserem kleinen Natursteinhaus: Polja ist in ihrer neuen Heimat, dem Vogelsberg, angekommen. Hoffe, sie wird sich so wohl fühlen wie im heimatlichen Udmurtien. Ich werde jedenfalls alles dafür tun und womöglich dankt sie es mir mit langen, treuen Diensten. Doch, ich spüre, dass Polja und ich uns gut vertragen werden.

Poljas Zustand entspricht der Beschreibung des Verkäufers und ich bin sehr zufrieden damit. Die gesamte Erscheinung spricht mich total an. Diese gewagte Mischung aus 30er Jahre DKW-Technik, 80er Jahre Japan-Barock und einem unverkennbaren sozialistischen Touch - das ist genau das richtige Motorrad für mich. Oder wie Schraubaer42 auf seiner Izh-Webseite zu diesem Design sagt: "Einfach toll!".

Als erstes bemerke ich, dass der Ständer ein wenig kurz geraten ist und das Motorrad auf unebenem Grund etwas wackelig steht. Die vordere Duplexbremse sieht ungemein vertrauenerweckend aus - der Zug am Bremshebel ist hingegen ernüchternd. Aber das Teil ist bestimmt nur schlecht eingestellt .......

Ein wunderbarer Motor, der immer noch aussieht wie der von der DKW 350 NZ. Der gewaltige Krümmeranschluss und die Deckel an den Überströmkanälen sind alte DKW-Schule.

Als wir uns 1980 einen funkelnagelneuen Lada Kombi gekauft haben, habe ich mich ähnlich gefühlt: Kyrillische Bezeichnungen an den Kontrollleuchten und den Bedienelementen. Etwas schlecht zu erkennen: Polja hat 8845 km auf dem Tacho - vom Verkäufer zugesichert.

Der Heckbürzel erinnert an die alte Honda CX500, die Güllepumpe - eben 80er Jahre Japan-Barock. Auch auf den zweiten Blick macht meine Polja einen gepflegten und guten Eindruck. Wenn ich da morgen mal mit Lackpolitur und Elsterglanz drangehe, wird meine Planeta in ungeahntem Glanz erstrahlen.

Jetzt möchte ich erste Lebensäusserungen von Polja hören! Die Kontrollleuchten für Lichtmaschine und Leerlauf funktionieren, ich finde heraus, welche Stellung des Benzinhahns die offene ist, Sprit ist im Tank. Erste Kicks ergeben keine Resultate. Als ich jedoch den Killschalter in die richtige Position bringe und den K65-Vergaser flute, springt Polja sofort an. Der sonore Zweitakt-Spruzz hallt durch die Untergasse - daran werden sich die Nachbarn gewöhnen müssen. Dann läuft der Motor mit wunderbar langsamem Standgas und pufft dicke weisse Wolken in den Vogelsberg - Polja lebt!

Aufgrund des etwas wackligen Ständers gibts erstmal eine Bodenplatte als Unterlage. Diese erste Nacht muss meine Polja draussen verbringen, die Werkstatt ist absolut überbelegt. Die Bereifung ist übrigens neu - schöne Heidenau-Reifen hinten und vorn.

Der Flachschieber-Vergaser Typ K65 ist wohl alte Mikuni-Bauart. Man beachte den braunen Bakelit-Luftfilterkasten, der zur Reinigung eine kleine Ölfüllung bekommt. Und der Benzinhahn ist in der gerade gezeigten Stellung natürlich geschlossen.

Jetzt verstehe ich, warum bei den Planetas immer die Markenembleme auf dem linken Seitendeckel kaputt sind: Bei jedem 3. Kick verhakelt sich der Kickstarter und bleibt am Seitendeckel hängen oder schlägt gegen das PLANETA5-Emblem. Aber das sind doch alles nur Peanuts, oder?

 

 

Zum Tanken nach Gilserberg

Verglichen mit gestern sind die Temperaturen an diesem Freitag deutlich gefallen, aber ansonsten ist das Wetter sehr schön: Sonnig und trocken. Das entspricht nun so gar nicht der Vorhersage, aber die soll sich ruhig irren. Den Vormittag verbringe ich mit lästiger Gartenarbeit, etwas, was ich eigentlich gar nicht mag. Und dann schraube ich mit Egon noch ein wenig an Sammies Rotax-Gespann. Nach dem Wiedereinbau bollert der Motor so schön los, dass ich sofort animiert bin. Und so schwinge ich mich gegen 15:00 auf die Silverstar und fahre zum Tanken nach Gilserberg.

Ziemlich genau einen geschlagenen Monat habe ich meine Solo-Silverstar nicht bewegt – daran ist natürlich zu einem Grossteil Kathy schuld – meine blaue TS 250/1. Aber durch die Schrauberei an Sammies Rotax komme ich so richtig auf den Geschmack. Aufgrund der vierwöchigen Rumsteherei zickt die Silverstar beim Anspringen ein wenig, aber das ist nichts ernsthaftes. Und dann ziehen wir bollernd los und der Spass an dem Single ist sofort wieder da.

Kurz vor der Tankstelle in Gilserberg schalte ich den Tank auf Reserve um. Das Tanken hier in Gilserberg ist natürlich nichts besonderes, ausser vielleicht der Tatsache, dass die Tanke 60 km von Mücke entfernt liegt. Und zufällig liegt sie auch am Rande des Kellerwaldes. Beim Ausmachen des Motors benutze ich versehentlich nicht den Deko-Hebel - das passiert mir sonst nie. Auch daran ist natürlich Kathy schuld.

Jetzt bin ich also fast im Kellerwald: Also schwenke ich kurz hinter Gilserberg links ab in den Kellerwald. Der erste Ort hier ist Schönau und auf den schaue ich gerade von einer kleinen Anhöhe aus. Im Hintergrund sehe ich bereits die gewaltigen Waldflächen, wie sie für den Kellerwald typisch sind.

Es fährt sich wunderbar heute, auch wenn die Temperatur jetzt recht flott weiter fällt. Aber noch ist es angenehm. Von Schönau fahre ich weiter nach Schönstadt und dann nach Dodenhausen. Und von dort schwenke ich zurück in Richtung Osten.

Kurz vor Moischeid zeigt sich der Indian Summer im Kellerwald: Bäume und Büsche erstrahlen im gesamten Spektrum der Grün- und Brauntöne. Jetzt wirds deutlich kälter und die Sonne steht derart tief, dass immer öfter Blendungen auftreten. Machen wir uns heim!

Jetzt ein paar Kilometer über die B3, dann ab über Wolferode und Hatzbach nach Stadtallendorf, Niederklein und Schweinsberg. Dort biege ich nochmal auf meine geliebten Nebenstrecken ab. Das sieht dann so aus wie hier im Forst von Appenrod.

Und rechtzeitig, bevor es so richtig kalt und dunkel wird, erreiche ich die heimische Garage. Was für ein Glück, dass ich diese kleine 150 km Tour angetreten habe. Andererseits hat sie mir auch wieder Arbeit für morgen verschafft: Der elektronische Tacho von Nova-MMB schwankt immer noch und den werde ich morgen gegen einen guten alten mechanischen austauschen.

 

 

Ein herbstlicher Nachmittag in der Rabenau

Der Herbst, eigentlich meine Lieblings-Jahreszeit, zeigt sich bisher wettermässig äusserst durchwachsen. Nur wenig schöne Tage, und an denen hat mich meist irgend etwas vom Fahren abgehalten. Den Indian Summer im Vogelsberg habe ich dieses Jahr noch gar nicht wahrgenommen. Aber am heutigen Donnerstag ist das Wetter entgegen allen Vorhersagen recht hübsch und das ist meine Chance. Schnappe mir also das ES-Gespann und verbringe einen herbstlichen Nachmittag in der Rabenau.

Morgens und vormittags heisst es, diverse Angelegenheiten zu erledigen – das geht heute leider nicht mit dem Motorrad. Gegen 14:00 ist aber alles erledigt, das Gespann habe ich schon bereitgestellt, noch schnell in die Motorradklamotten und es kann losgehen. Die Temperaturen sind extrem angenehm, gefühlt über 20 Grad. Dickes Einmummeln entfällt also auch. Das zwischendurch immer wieder richtig schwarze Wolken über den Vogelsberg ziehen, macht mir nichts: Soll es doch regnen! Aber das tut es heute nicht – es bleibt wunderschön.

Nachdem gestern 2 Bäume im Garten gefällt und der dritte stark beschnitten wurde, habe ich richtig Platz und schiebe meine aktuell zugelassen Kräder mal wieder zum Fotoshooting zusammen.

Zwei Rotax-Viertakter und zwei klassische MZ-Zweitakter - dazu der stolze Besitzer - haben sich vor der Gartentür meines Natursteinhauses in Position gebracht.

Eigentlich sollten hier schon 5 Motorräder mit DQ-Kennzeichen stehen, aber das fehlende Russenkrad wurde von der Motorrad-Spedition noch nicht angeliefert. Nicht, dass meine 4 Emmen nicht reichen würden, aber ein Russe würde schon gut dazu passen!

Jetzt das ES250/1-Gespann bereitgestellt, denn gleich soll die Herbstausfahrt beginnen. Auf der Wäscheleine trocknet derweil die Gespann-Abdeckplane von der Gespann-Zeitung. Während der letzten Tage hatte dieses Riesenteil keinerlei Chance, mal trocken zu werden: Immer wieder Regen im Vogelsberg.

Jetzt gehts ab in die Rabenau, eine kleine und stark bewaldete Landschaft am Rande des Vogelsberges. In Londorf fahre ich einfach mal auf das Schlossgelände und fotografiere das Gespann vor den Gesindehäusern. Als hinter mir ein dicker Daimler ankommt, hält der tatsächlich an und wartet ab, um nicht ins Bild zu geraten. Höflicher Adel!

Zwischen Allendorf/Lumda und Staufenberg-Treis entsteht ein neuer und riesiger EDEKA-Markt. Einkaufsmässig ist die Rabenau extrem gut bestück: EDEKA, REWE, Aldi - alles da und alles recht dicht zusammen. Habe das Gefühl, dass die Discounter gerne mal einen neuen Markt aus dem Boden stampfen, damit ein paar Jahre dann vor der Konkurenz liegen und wenn's schwächelt, wird ein neuer gebaut.

Selbst in dem kleinen Ort Treis gibts ein Schlösschen! Die Reste davon wurden zu Wohnungen umfunktioniert und so wohnen jetzt ganz normale Menschen in dieser schönen Umgebung.

Den gewaltigen Steinbruch bei Treis wollte ich schon immer mal befahren, und heute mach ich das. Die Anlage ist noch voll in Betrieb und hier wird gut abgebaut. Ist übrigens auch nicht der einzige Steibruch in dieser Gegend - der Boden hier ist stark basalthaltig. Es heisst jedoch, dass zu viel Basalt die Menschen depressiv macht. Hmmh...

Mitten im alten Ortskern von Allendorf sitzt dieser metallene Leser - hab ihn doch wahrhaftig zunächst für einen Menschen aus Fleisch und Blut gehalten.

Und direkt gegenüber der Leseratte befindet sich das Heimatmuseum mit Kulturscheune im Erdgeschoss. Hier finden Musikveranstaltungen statt, Dichterlesungen oder auch Vernisagen.

Wie so oft nehme ich auch heute zwischendurch immer wieder mal ein paar Kilometer Wirtschaftswege unter die Räder, so wie hier zwischen Londorf und Allendorf. Hier kannst Du weit hinein ins Marburger Land blicken.

Bei Gailshausen fahre ich an den Stürmer See. Das ist ein sehr tiefes Gewässer, das aus einem ehemaligen Steinbruch entstanden ist - allerdings vor sehr langer Zeit. Viele Geschichte, meist gruselige, ranken sich um das düstere Gewässer und es heisst, dass hier schon etliche Rabenauer ihrem Leben ein vorzeitiges Ende gesetzt haben. Vom Weg aus ist der See auch nicht zu sehen und überall stehen Schilder, die auf grosse Gefahren hinweisen.

Ich missachte jedoch alle Warnungen und klettere den steilen Hang hinauf, um den Stürmer See zu sehen. Zum Schluss muss ich sogar noch über einen Stacheldraht klettern. Und dann liegt der See zu meinen Füssen: Wunderschön, vollig ruhig und trotzdem etwas unheimlich. Mehrere Kormorane fliegen immer wieder über den See - die haben hier ein Paradies gefunden, denn Menschen verirren sich nur ganz selten hierhin.

Langsam halte ich mich wieder in Richtung Mücke und komme dabei durch Weitershain, das Pferdedorf. Auf dieser Wiese grast eine Herde besonderer Ponies: Fjordpferde.

Bei Weitershain ändere ich dann doch noch einmal die Richtung und fahre nicht nach Hause. Statt dessen gehts in Richtung Ebsdorfergrund, und bei Rüddingshausen schwenke ich erneut über Wirtschaftswege querfeldein. Hier herrscht plötzlich eine besonders starke Herbststimmung - aber eine sehr positive.

Die Luft ist jetzt extrem klar, die Sicht sehr weit. In der Nase habe ich den Geruch von lehmiger Erde, ein leichter Wind treibt teils schwarze Wolken heran. Es ist eine unglaublich schöne Situation, die mir aber wie ein Dejavu erscheint: Vor etwa 40 Jahren im Münsterland mit meiner alten Maico hatte ich genau diese Empfindungen.

Weiter treibt uns der Herbstwind nach Deckenbach zu den Alpakas. Hier ist die Herbststimmung wieder verschwunden. Ein dicker Kater liegt im Gras und beobachtet schläfrig die Andenbewohner. Die weiblichen Tiere beobachten mich interessiert und kommen freundlich näher. Der einzige Hengst jedoch benimmt sich abweisend und verbietet seinen Ladies offensichtlich, sich weiter mit mir einzulassen. Ein echter südamerikanischer Macho!

en letzten Stop gibts heute auf der Anhöhe bei Büssfeld. Hier knallt die Sonne und wirft die Landschaft in gleissendes Licht. Die kleine Ausfahrt - es waren nur 70 km - hat mir heute besonders viel Spass gemacht und so viele Pausen hab ich wohl noch nie eingelegt. Auch die letzten 15 km absolviert mein gutes Gespann ohne Probleme. Und dabei hab ich bei Fahrtantritt kurz darüber nachgedacht, die Fahrt ausfallen zu lassen - weil ich mein Handy vergessen habe. Da hätte aber doch was versäumt an diesem Tag.