Faule Tage zwischen den Jahren

Sicher hätte ich die freie Zeit zwischen den Feiertagen besser nutzen können: Die DR 400 ist noch lange nicht fertig und da ist jede Menge zu machen. Aber ich kann mich nicht recht aufraffen und so gibt das eigentlich nur ein wenig Geplänkel.

Durchaus überraschend tauchen Ex-Nachbar Egon und Kollege Marcus auf und bringen mir meine 30 Jahre alte Werkbank. Das dicke und harte Tropenholz hat die Jahrzehnte bestens überstanden und wäre wie neu - wenn nicht Egon mit der Kettensäge dicke Macken hinein gesägt hätte. Egon, Egon, nenene ..... Naja, Hauptsache, ich hab das gute Stück wieder. Sie steht jetzt in einem kleinen Nebenschuppen, bekommt eine Ständerbohrmaschine und einen Schraubstock verpaßt und soll mein Plätzchen für Motorreparaturen werden.

Marcus und Egon berichten, daß sie am Getriebe meiner ehemaligen Enfield schrauben. Das muß ich mir natürlich ansehen und so schrauben wir ein paar Stündchen in Egons beheizter Werkstatt an der Enfield.

Die Ursache des nicht mehr funktionierenden Kickstarters finden wir schnell: Die Sperrklinke des Kickstarter-Segments hat's zerbröselt. Telefonisch wird ein Kickstarter-Reparatursatz bei Flo Nytz bestellt. Danach wird die Enfield zurück gerüstet: Die von mir verbaute Boyer-Bransden Zündung fliegt wieder aus und der gute alte Unterbrecherkontakt wird montiert. Der Probelauf muß natürlich verschoben werden, bis die defekte Sperrklinke ausgetauscht ist.

Dann installiere ich in meinen Werkstatträumen eine vernünftige Beleuchtung. Die Elektroinstallation, sofern überhaupt eine vorhanden ist, hat gute 40 Jahre auf dem Buckel und als Lichtspender dienen bisher nur ein paar Schiffsarmaturen. Das geht natürlich nicht und deshalb kommen überall Neonröhren sowie neue Schalter und Steckdosen hinein.

Am letzten Tag des Jahres, dem 31.12.2011, mache ich noch einen großen Spaziergang mit Leihhund Yellow, ziehe anschließend ein paar Meter neue Werkstatt-Elektroleitungen und das war’s dann für 2011. Let’s call it a year.

 

Nach der Begegnung mit Maggy streifen Yellow und ich in Richtung Netto-Markt Nieder-Ohmen, um in einer größeren Schleife nach Hause zurück zu kehren. In Sichtweite des Netto-Marktes befinden wir uns am Rande einer renaturierten alten dörflichen Müllkippe, die mit sanften Hügeln und jungem Baumbestand ein wenig wie das Teletubby-Land aussieht..

Plötzlich wird alles um uns herum still – kein Windhauch, keine Strassengeräusche mehr – und ca. 25 m vor uns läuft ein großer Graufuch über den Weg und verschwindet wie in Zeitlupe zwischen den jungen Bäumen und Büschen der alten Müllkippe.

Kaum ist der Fuchs nicht mehr zu sehen, werden die Umweltgeräusche wie mit einem Schalter wieder hörbar. Ich schaue Yellow an, der schaut mich an und beginnt dann wie wild die Fährte des Graufuchses aufzunehmen. Ich nehme ihn an die Leine, weil ich das Gefühl habe, er wird seinem uralten Instinkt und damit der Fährte folgen.

Warum erzähle ich diese Banalität? Nun, es ist tatsächlich der erste Graufuchs, den ich in meinem wahrlich langen Leben leibhaftig sehe. Und seit ein paar Tagen lese ich jeden Abend einen Krimi von Rita Mea Brown, der von Morden, Jagden, Hunden und Füchsen handelt. Dabei auch von Graufüchsen. Aber ich bin sicher: Mein Graufuchs war keine Schimäre, der Bursche war real. Fragt Yellow!

 

 

Es geht weiter mit der Reparatur der Enfield

In früheren Zeiten wäre so etwas undenkbar für mich gewesen: Ein defektes Motorrad, alle benötigten Teile liegen bereit – und ich komme nicht in die Gänge. Liegt sicher am Alter und vielleicht auch daran, dass ich einen zu grossen Fuhrpark unterhalten muss. Die logische Konsequenz wäre, weiter abzuspecken. Immerhin habe ich ja schon gestern meine DKW RT 175S Baustelle erfolgreich nach Bremerhaven versteigert.

Wie auch immer: Am heutigen verregneten Sonntag schleiche ich mich in die Werkstatt und nehme mich der Enfield an.

Der neue Kolben mit Ringen und besonders der neuen TipTop-Ölabstreifer wird zuerst in den Zylinder eingesetzt, erst dann kommt der Kolbenbolzen durchs Kolben- und Pleuelauge. Dazu brauchte ich kurz einen dritte Hand und Nachbar Egon half mit. Vorher hatte ich neue Stehbolzen aus England eingedreht. Jetzt kommt der Zylinderkopf drauf und die langen Kopfmuttern sind ebenfalls neu und laut Hitchcocks in besserer Qualität als das Original.

Natürlich wird bei Arbeiten an der Bullet mit viel Gefühl und mit Drehmomentschlüssel gearbeitet. Trotzdem habe ich bei jeder Schraube Angst, das Gewinde aus dem weichen Alu zu reissen. Aber bisher ging alles gut.

Weiter gehts mit der Montage von neuen Kipphebelböcken von Hitchcocks. Es sind zwar auch Samrat-Teile (wie das Original) aber angeblich wesentlich passgenauer. Mal abwarten, ob sich dadurch die mechanischen Geräusche im Kopf tatsächlich reduzieren. Schön wär’s schon.

Die Ventildeckel bekommen neue Dichtungen, die ich trocken aufsetze. Hoffe, es bleibt dort oben dicht. Aber nach dem ersten Motorprobelauf muss ich die Deckel sowieso wieder abbauen, um die Kopfschrauben erneut mit 30 Nm nachzuziehen. Jetzt noch die Ventile eingestellt, und dann ist Schluss für heute. Vor 10 Jahren hätte ich jetzt bis in die Nacht geschraubt, um den Motor laufen zu hören, aber heute …. siehe weiter oben.

Aber die neue Bosch-Blau-Zündspule wird noch schnell montiert. Ob sie besser ist wie die vorher verbaute weiss ich zwar nicht, aber aus der Historie heraus ist mein Vertrauen zu Bosch schon gross – auch wenn heute „Made in Brazil“ auf dem Spulenkörper steht.

Enfield: Mal eben den Ölabstreifer wechseln

Durch überzeugende Argumente im Enfield-Forum habe ich den Entschluss gefasst, meine Bullet ein klein wenig zu verbessern. Einige Massnahmen hat ja bereits der Vorbesitzer durchgeführt: Verstärkte Ölpumpen, Kopfüberholung und Vergaseroptimierung. Dann habe ich eine Trockenkupplung mit Zahnriemen eingebaut, die Boyer-Zündung und den OKO-Vergaser. Und am letzten Wochenende habe ich mich entschlossen, mal eben den Ölabstreifring wechseln.

Die Argumentation für den verbesserten Ölabstreifring (auch Tip-Top-Ring genannt) ist die, dass durch die bessere Abdichtung der Zylinderwand und in Kombination mit den verstärkten Ölpumpen das Wet-Sumping und auch die Nivea-Bildung wesentlich reduziert werden kann. Das hat mich überzeugt und deshalb habe ich mir den Tip-Top-Ring bei Flo Nytz besorgt. Der liegt jetzt schon längere Zeit bei mir herum und soll jetzt endlich montiert werden. Also ans Werk.

Der Zylinderkopf geht ganz gut herunter, der Zylinder zunächst nicht. Erst als ich die beiden Gehäuseschrauben am Zylinderhals löse, bekomme ich ihn herunter. Voila, meine Bullet ist gestript.

Dann die Kolbenringe und den originalen Ölabstreifer entfernt. Der Kolben sieht eigentlich recht ordentlich aus.

Aber was sehe ich da im Zylinder? Etliche lange Riefen über die halbe Laufbahn. Die Riefen sind nicht sonderlich tief, aber mit dem Fingernagel spürbar. Ich befürchte, das kann ich so nicht wieder zusammenbauen. Auch vom Kreuzschliff des Honens ist im Zylinder nichts zu erkennen. Mhhmmmm.....

Was bedeutet dieses Zeichen? Heisst es A0 und sagt aus, dass es sich um das Standard-Zylindermass handelt?

Auch hier eine 0. Also wahrscheinlich hat noch kein Schliff statt gefunden.

Gut sieht dagegen der Kopf aus: Federn, Schaft und Keile machen einen ordentlichen Eindruck.

Auch die Ventilteller gefallen mir gut. Aber klar, der Kopf ist ja auch erst im letzten Jahr bei Pig7 überholt worden. Hat noch der Vorbesitzer machen lassen.

Nochmal die Lauffläche des Zylinders, die mir so gar nicht gefällt: Kein sichtbarer Kreuzschliff und dann diese Riefen. Dazu brauche ich fachmännischen Rat.

Noch schnell rüber zu den Nachbarn und ein Schwätzchen gehalten. Die beiden überholen gerade ihre ohnehin schon fast perfekte Werkstatt. Da könnte ich schon neidisch werden.

Wassereinbruch auf Enfield-Ersatzteile

Mist, der elende Winter mit dem Schneemassen hat auch für die Bullet negative Auswirkungen gehabt. Habs aber erst etliche Tage später entdeckt, aber es sind blöde Schäden entstanden durch einen Wassereinbruch in der Werkstatt.

Ich weiss schon, warum ich den Winter im Allgemeinen und den 2010/2011er im Besonderen so hasse: Nur Ärger, Arbeit, Kosten – kurz, alles Mist. Unbemerkt ist auch noch Wasser durch das Werkstattdach eingedrungen, auf die Werkbank getropft und von dort in eine Schäferkiste mit Ersatzteilen für die Bullet geflossen. Darin befanden sich unter anderem etliche neue Dichtungen – alles durchnässt und wahrscheinlich unbrauchbar. Hass!!!

Nach der Entdeckung der Wasserschäden begebe ich mich erstmal zur Beruhigung auf einen Spaziergang. Hier, am Rande von Nieder-Ohmen, biegt die Eisenbahn ab Frühjahr in einen richtigen kleinen Dschungel ein und fährt durch einen grünen Naturtunnel.

Die Ohm hat sich erst einmal etwas beruhigt und fliesst schon wieder in fast normaler Breite durch den Ort,

Zurück in der Werkstatt packe ich alle nass gewordenen Dichtungen aus und lege sie zum Trocknen ab. Ob das noch was wird?

Und dabei fällt mir ein, dass ich noch einiges an der Bullet zu tun habe: Einbau der TipTop-Ölabstreifringe, Kupplung korrekt einstellen und den OKO-Vergaser nochmal überprüfen. Aber nicht mehr heute, bin einfach zu sauer.

 

Zentrieren der Enfield-Lichtmaschine

Nach dem nicht wirklich erfolgreichen gestrigen Schraubereinsatz steht natürlich am nächsten Tag, also heute, ein neuer Versuch an. So schnell gebe ich nämlich nicht auf und ausserdem habe ich im Enfield-Forum äusserst nützliche Hinweise bekommen. Aber zunächst geht es auf den obligatorischen Sonntag-Morgen-Spaziergang und danach versuche ich mich erneut am Zentrieren der Lichtmaschine.

Nachdem ich kürzlich einen 1-wöchigen Lehrgang zum Thema digitale Fotografie auf Burg Fürsteneck mitgemacht habe, trage ich meine kleine Kamera immer öfter mit mir herum – so auch heute auf meinem obligatorischen Spaziergang. Vielleicht bekomme ich doch etwas mehr Routine beim Fotografieren und bleibe nicht bis an mein Lebensende der schlechteste Fotograf der Welt. Aber viel Hoffnung habe ich da nicht …….

Hoch über dem Ort ein Foto von Nieder-Ohmen. Mit 2500 Einwohnern ist es das grösste Dorf im Vogelsberg und vereint so trefflich die Nachteile von Stadt und Land miteinander: Mässige Infrastruktur, hohe Verkehrsdichte, viel Lärm, zersiedelter Ortskern, seltsam gemischte Bevölkerung usw.

The way to nowhere – dieser Pfad führt direkt auf den Nieder-Ohmener Friedhof.

Etliche Häuser in Nieder-Ohmen sind aus rohen Natursteinen gebaut – Bastalt- und Lungsteine. Unser eigenes Häuschen besteht daraus, aber auch die Friedhofshalle.

Auf der anderen Seite der Ohm komme ich langsam wieder in Richtung unseres Häuschens.

Zuhause schaue ich zunächst in die Motorradhalle und betrachte meine Planetas. Aus diesem Motorrad soll, zusammen mit einem Lastenseitenwagen, ein weiteres Gespann entstehen.

Dann suche ich alle Tankrucksäcke, Seitenwagen und Werkzeugfächer durch, denn ich benötige einen Korkenzieher. In jedem Motorrad findet sich mindestens ein Universalwerkzeug, aber keines davon hat einen Korkenzieher. Erst später werde ich in meinem Jimny fündig.

Jetzt entferne ich die Lackreste vom gestern grundgereinigten Tachoantrieb der Planeta und poliere das Alu ein wenig. Eine äusserst nutzlose Tätigkeit, aber wieder mal ein kleiner Schritt.

Dann nehm ich mir noch einmal die Lichtmaschine der Enfield vor. Mit den gestern erhaltenen Hinweisen gelingt es mir tatsächlich, Stator und Rotor korrekt zu zentrieren. Eine gute Hilfe ist dabei die Kunststofflehre von Hitchcocks. Der Trick beim Zentrieren ist, nicht zu zögerlich zu sein, der Stator benötigt schon etwas kräftiger Schläge mit dem Gummihammer. Mit meinem tuntigen Geschiebe und Gewackel von gestern habe ich nichts erreicht.

Aber jetzt passt alles. Die drei Befestigungsschrauben des Stators dürfen nur leicht angezogen und dann mit mittelschweren Gummihammerschlägen in die entsprechende RIchtung geklopft werden – und schon läuft der Rotor herrlich mittig. Wieder ein kleiner Schritt …..