Forstbeamte haben und hatten es nie leicht – weder im Osten noch im Westen unserer Republik. Stellen wir uns einmal vor, die Geschichte wäre völlig anders verlaufen. Und stellen wir uns somit den Arbeitstag eines Forstbeamten im sozialistischen Hessen vor. Eine wichtige Rolle spielt dabei sein Dienstfahrzeug: Ein MZ ES 250/1 Gespann. Begleiten wir also den Forstbeamten B. aus M. und sein Dienstfahrzeug auf einen ganz normalen Arbeitseinsatz.
Kurz vor Feierabend schrillt noch einmal das schwarze Diensttelefon des Forstbeamten B. aus M. Es ist der Forstsekretär aus der Kreisstadt und was er mitteilt, verursacht keine Freude. Die Grippewelle der letzten Tage hat etliche Forstkollegen aus den umliegenden Gemeinden matt gesetzt, und deshalb muss der Forstbeamte B. aus M. jetzt noch mal raus und einige Massnahmen der kränklichen Kollegen überprüfen. Die Order lautet, die Arbeiten in den sozialistischen Forstbetrieben von Kirtorf, Homberg und Antrifttal zu prüfen und wenn nötig, weiter Aktionen zu veranlassen. B. weiss, hier hilft kein Knurren und kein Murren, und mit einem „Ist recht, Genosse Sekretär“ beendet er das Gespräch. Es ist der letzte Märztag des Jahres, es ist fast 17:00 und entsprechend kühl, da heisst es, warme Bekleidung anzuziehen. Schliesslich ist das Dienstfahrzeug ein Kraftrad, eine 250er MZ ES mit dem Superelastik Seitenwagen.
In die dunkelen und dichten Wälder, die B. zudem nicht so gut kennt wie sein eigenes Revier, geht der korrekte Beamte nicht ohne eine Dienstwaffe. Er entscheidet sich für den führigen Mosin Nagant Karabiner aus dem sozialistischen Bruderland. Das schmucke Gewehr ist zwar fast so alt wie der Forstbeamte, aber von unglaublicher Zuverlässigkeit und Robustheit. Diesem Karabiner kannst Du vertrauen. Ab in den Seitenwagen damit. Der Wassernapf neben dem Gewehr ist für Waldmann, den Rauhhaardackel. Der kommt heute allerdings nicht mit und quittiert dies mit schrillem Kläffen.
Zunächst gehts ins Antrifttal, der hiesige Forstbeamte ist am längsten ausgefallen und dementsprechend ist hier vermutlich am meisten liegen geblieben. Aber zunächst scheint alles normal und in Ordnung: An dieser Stelle sind die Stämme ordentlich gelagert und die umliegenden Waldabschnitte sind vorschriftsmässig geräumt. Wenns so weiter geht, ist der Sondereinsatz ruckzuck bendet und es kann doch noch ein ruhiger Abend werden. Wir werden sehen.
Richtung Kirtorf sieht das Bild schon ganz anders aus, aber leider nicht besser. Vom Sturm arg mitgenommene Waldabschnitte sind völlig unaufgeräumt, es sieht aus wie nach dem Einschlag einer Bombe des Klassenfeindes. Hier hat der Kollege nichts, aber auch gar nichts unternommen. Das ist ein Skandal!
Immerhin haben die Waldhelfer das Gelände abgesperrt. Warum hier keine Aufräumarbeiten durchgeführt wurden, erschliesst sich dem braven Beamten B. aber dann doch: Versteckt unter Buschwerk eine grössere Menge Leergut: Gothaer Bier! Das gibt eine Meldung und dazu ein Kommentar, der sich gewaschen hat.
B. kennt seine Pappenheimer und weiss, dass die Waldhelfer sich meist noch im Genossenschaftsgebäude in Arnshain treffen. Aber zu spät: Niemand mehr da. Als hätten die Brüder etwas geahnt.
Die nächste Überprüfung in der Nähe des NVA-Geländes bei Wahlen. Auch hier steigt B. die Zornesröte ins Gesicht: Zwar sind die Bäume gefällt und geschichtet, auch steht der grosse IFA-Holztransporter bereit, aber aufgeladen ist nichts. Einfach Feierabend gemacht und alles liegen gelassen. Hier scheint sich kapitalistischer Schlendrian einzuschleichen!
Ganz anders beim Kirtorfer Genossen! Hier ist alles aufgeräumt, nichts ist liegen geblieben und die Waldhelfer sind selbst jetzt noch bei der Arbeit. Der Forstbeamte B. entschliesst sich, dieses vorbildliche Verhalten weiter zu geben und spricht den emsigen Arbeitern ein dickes Lob aus. Seltsamerweise haben diese kein rechtes Ohr dafür und B. vermeint einige Bemerkungen zu hören, dass er lieber eine Kiste Gothaer Bier hätte mitbringen sollen.
Jetzt noch ins Homberger Revier. Zwischendurch muss das MZ-Gespann auf Reserve geschaltet werden. Immerhin hat die Maschine diesmal 130 km mit 10 Litern Gemisch geschafft. Vorher waren es teilweise nur 100 km. Der hohe Verbrauch kommt ganz sicher durch den Vergaser vom Klassenfeind, den sich B. auf verschlungenen Wegen beschafft hat. Dies hat er längst bitter bereut und er wünscht sich nichts sehnlicher als den guten BVF Vergaser zurück. Seltsam sind einige frisch umgestürzte Bäume bei Appenrod.
Aber dann erkennt B. die Ursache: Schädlingsbefall hat die Bäume zerfressen und so konnten sie ein leichtes Opfer des Sturms werden. Dass der Homberger Genosse das nicht erkannt hat ..... sehr ungewöhnlich. Nach knapp 2 Stunden sind alle kritischen Waldstücke begangen. Jetzt noch schnell zur Minol-Tankstelle nach Nieder-Ofleiden und die gute MZ aufgetankt. 30 Minuten später ist B. wieder zuhause. Bevor es an die Berichte geht, wird noch ein genüssliches Bierchen mit Nachbar Egon, dem Leiter der örtlichen LPG, getrunken. Dabei fachsimpeln die beiden alten Herren ein wenig über ihre MZ Motorräder.