Ein Motorrad wie die Suzuki SV 650 kommt für mich nie in Frage – das war bis heute meine feste Meinung. Aber probefahren könnte ich ja mal – denn bei den Nachbarn Ruth und Egon steht eine ältere SV mit fast 80.000 km auf der Uhr. Das war jahrelang Ruths Motorrad, bis sie zu Weihnachten eine 4-Zylinder Honda von Egon bekam. Und jetzt soll die SV weg. Eher aus Neugier möchte ich deshalb mal eine Probefahrt wagen – und vielleicht auch, um den diesjährigen Österreichurlaub mit Jürgen auf gleicher Augenhöhe zu erleben. Der Bursche hat nämlich seine Rotax-MZ verkauft und sich eine Suzuki VStrom 650 geholt. Da sehe ich mit einer Rotax natürlich alt aus und so habe ich gute Gründe für die heutige Probefahrt.
Nach dem obligatorischen Hundespaziergang mit Yellow gehe ich ich um kurz nach 11:00 rüber, die SV springt (selbstverständlich) sofort an und dann eiere ich los. Eiern im wahrsten Sinne des Wortes, denn so ein sportliches Motorrad mit Stummellenker, dazu ein dachförmig abgefahrener Vorderreifen – das ist schon sehr ungewohnt für mich. Dazu ist die Suzie noch tiefergelegt, so dass ich wie ein Rennfahrer auf der Maschine hocke. Fühle mich anfangs sehr fremd und unwohl. Der abgefahrene Reifen lässt das Motorrad in jeder Kurve kippeln und entsprechend werden auch die ersten Kilometer. Nach 5 km tanke ich erstmal und jetzt beginnt die Reise so richtig.
Nach dem Tanken fahre ich erstmal 50 km nonstop bis nach Fronhausen und erst hier beim Werkzeughandel Vogel halte ich kurz inne. Nach kurzer Gewöhnungsphase habe ich zunehmend Spass an der Suzuki, der V-Twin brabbelt herrlich, will aber auf Drehzahl gehalten werden. Kann er haben! Und allmählich gewöhne ich mich sogar an den kippeligen BT21 vorn. Die SV macht Spass, aber so richtig!!!
Weiter gehts die Lahn entlang über Odenhausen in Richtung Krofdorf. Unglaublich – ich habe ein Motorrad mit Leistung! Ein bisschen am Quirl gedreht und ruckzuck stehen 120, 130, 140 und mehr auf dem Tacho. Vorsichtig, Alter, jetzt nicht leichtsinnig werden.
In Ruttershausen beim Kawasaki-Schadek gibts ein Päuschen und einen Plausch mit dem MP3-Rollerfahrer.
Jetzt auf die Nebenstrassen des Gladenbacher Berglandes. Mit jedem Kilometer kommt mir die Suzie handlicher und agiler vor. Über die Leistung brauche ich sowieso kein Wort zu verlieren – Power ist immer mehr als genug da. Nur untertourig fahren , das geht nicht. Daran kann ich mich allerdings überraschend schnell gewöhnen.
Später, in Marburg-Gisselberg beim Suzukihändler TEC-Motors stehen sich die SV und der Nachfolger Gladius nur durch die Scheibe getrennt gegenüber.
Über die schnelle B3 weiter in Richtung Schwalm: So schnell war ich noch nie in Josbach. Ich überhole PKW, falle nie unter 120 km/h und bin doch völlig entspannt dabei. Die kleine Verkleidung hält viel vom Fahrtwind ab und trotz Lenkerstummeln fahre ich sehr bequem. Dieses ehemalige Forsthaus in Josbach hätten wir 1980 übrigens beinahe mal gekauft.
Wir fressen die Meilen nur so und sind mittlerweile in Speckswinkel am Löschteich zu einer kleinen Rast angelangt. Aber ich will gar nicht rasten, ich will fahren.
An der Garnison in Neustadt ist nur eine Pinkelpause fällig.
Am dunkelen See im Kirtorfer Wald setze ich noch nicht einmal den Helm ab – weiter, immer nur weiter will ich und kann nicht genug bekommen vom sonoren Brabbeln des V-Twins.
Letzter Stop an der Schutzhütte bei Ehringshausen. Habe jetzt 200 km zurückgelegt und es kommt mir vor, als wären es nur 50 gewesen. Ich bin von diesem Motorrad begeistert – und ich denke, ich werde es kaufen. Die Fahrt nach Österreich wird dann wahrscheinlich mit zwei Suzies erfolgen – im letzten Jahr waren es noch zwei Rotaxe. Aber zu allererst werde ich morgen neue Reifen bestellen: BT21 von Bridgestone. Dann einen Ölwechsel, hinten eine neue Bremsscheibe rein und dann wird gefahren!