Die Wüstung Baumkirchen

Noch vor 8:00 brummt das Gespann los, aber im Juni ist das schon zu spät: Zu spät, einen Sonnenaufgang zu erleben und auch zu spät, um völlig allein auf der Strasse zu sein. Das nächste mal also noch früher! Heute will ich nur kurz in den Ebsdorfergrund und ein paar Jawateile in die Scheune bringen. Anschliessend wirds historisch und ich gehe auf die Suche nach der Wüstung Baumkirchen.

Nach über 30 Jahren in Hessen habe ich erst vor kurzem von einigen Wüstungen im Laubacher Wald erfahren. So etwas finde ich sehr spannend und deshalb ist eines meiner heutigen Ziele die Wüstung Baumkirchen. Eine Wüstung ist eine von ihren Bewohnern verlassene Ortschaft und da erhoffe ich mir Ruinen oder gar komplette Gebäude. Aber zuerst kurz in die entgegengesetzte Richtung, nämlich in den Ebsdorfergrund. Anschliessend kurz eine Aufgabe in Weitershain erledigt und dann kann ich zu meinen Wüstungen im Laubacher Wald.

In der Scheune werden schnell einige Jawa-Blechteile ausgeladen und dann folgt ein Blick auf Kathy, meine gestrippte TS. Sieht auf den ersten Blick vielleicht etwas traurig aus, aber ich bin immerhin schon wieder in der konstruktiven Phase. Wenn ich Ende der Woche die Schwinge vom Sandstrahlen wiederbekomme, kanns auch an dieser Baustelle weitergehen.

Die Hofbewohner rühren sich nicht, deshalb leise und schnell zurück über Rüddingshausen nach Weitershain. Zumindest auf dieser Strecke ist eines sicher: Die Strasse gehört mir. In Weitershain sind die gesuchten Personen noch nicht aufgestanden, diese Aktion muss also entfallen. Weiter Richtung Laubacher Wald.

In Freienseen verlasse ich die Strasse und begebe mich auf Waldwegen Richtung Schreinersmühle. Hier vermute ich irgendwo die Wüstung Baumkirchen. Es heisst, man müsse an 4 Mühlen vorbei und dann sei man am Ziel. Die erste Mühle habe ich jetzt vor mir.

Es ist die Löbsackmühle, unglaublich idyllisch im Wald gelegen. Und Ferienwohnungen gibts hier auch. Wer sucht mal ein paar Tage richtig Ruhe vom hektischen Alltag? Hier kann man sie finden.

Auf der Löbsackmühle werde diese urhessischen Höhenrinder gehalten. Eine austerbende Rasse?

Weiter gehts über Waldwege zur nächsten Mühle. Das muss die Schreinersmühle sein. Macht Spass, mit dem Eisenschwein solche Wege abzufahren.

Nach wenigen Kilometern erreiche ich Mühle Nr. 2, die Schreinersmühle. Das ist ein bekanntes Ausflugs- und Speiserestaurant, das auf jeden Fall immer einen Besuch wert ist.

Vor 2 Jahren habe ich mich hier mit Konny getroffen, einem alten Bekannten aus dem Ruhrgebiet. Konny war mit Gattin Elke und seinem BMW-Schwingengespann auf dem Weg nach Bayern und hat hier eine Übernachtung eingelegt. Anhand der parkenden PKW erkenne ich, dass die Schreinersmühle auch heute gut ausgebucht ist. Aber die Gäste schlafen alle noch.

Erfreulicherweise finde ich an der Schreinersmühle Hinweise auf die gesuchte Wüstung Baumkirchen und gleich noch auf weitere Wüstungen, nämlich Kreuzseen und Ruthardshausen.

Von der Wüstung Kreuzseen sind offensichtlich nur ein paar Scherben und etwas Fachwerklehm übrig geblieben. Das ist enttäuschend, aber vielleicht bietet Baumkirchen ja etwas mehr. Also weiter, es müssen noch mehr Mühlen passiert werden.

Mühle Nr. 3 ist die Höresmühle, ebenfalls sehr schön gelegen, aber leider nicht so perfekt erhalten. Der Waldweg führt direkt über den Mühlenhof.

Und kurz hinter der Mühle komme ich nicht weiter. Kein Hinweise mehr auf Baumkirchen oder andere Wüstungen. Die Wege werden jetzt auch derart schlecht, dass ein Weiterkommen nur noch mit einer Enduro möglich ist. Ich breche hier ab und kehre um.

Noch ein letzter Blick auf die Höresmühle, bevor ich umkehre. Die Mühle sieht nicht richtig vergammelt aus, aber eben so, wie ein Anwesen aussieht, das dem Broterwerb dient und nicht auf Schönheit getrimmt wurde. Das hat sogar einen besonderen Reiz.

Nun gehts über normale Asphaltstrassen durch den Laubacher Wald direkt nach Laubach. Heute fahre ich einmal aus historischem Interesse ins Stadtzentrum. War schon so oft in Laubach, aber der Ort hat mir nie so recht gefallen. Das ist heute ganz anders, und daran hat die Wüstung Baumkirchen einen Anteil.

Auf dem historischen Marktplatz wird geparkt und dann gehe ich zu Fuss auf einen kleinen Rundgang.

Das Laubacher Schloss habe ich in 30 Jahren noch nie besucht. Jetzt verstehe ich selbst nicht, warum. Ein derart schönes und grosses Schloss findest Du nicht oft.

Imposante Gebäude mit interessantem Inhalt, wie beispielsweise dem Restaurant "Zur Hirsch-Frikadelle".

Ein Schlosshof, der seinesgleichen sucht. Aufgrund der immer noch relativ frühen Stunde hats hier im Moment noch kein Besuchergewimmel - zum Glück.

Das Cafe beim Zuckerbäcker Haas ist bereits geöffnet und sogar ein Gast schlürft schon seinen Morgenkaffee. Überlege kurz, mich dort ein Stündchen niederzulassen, ziehe dann aber doch weiter.

Über solch schöne Fachwerkgässchen verlasse ich den Stadtkern von Laubach. Seit heute sehe ich diesen Ort mit anderen Augen.

Eine Strassensperrung wegen Bauarbeiten übersehe ich geflissentlich und zirkle das Gespann einen Kilometer durch dicke Schotterhügel. Klappt aber gut. Dann komme ich nach Wetterfeld und sehe diesen neuen Laden für Motorradbekleidung. Früher war hier ein Fahrradgeschäft. Interessant, da muss ich in den nächsten Tagen mal hin, denke über einen neuen Helm nach, einen richtig guten Jethelm.

An Grünberg fahre ich vorbei und nehme statt dessen die Route über Queckborn. Jetzt werde ich noch ein wenig durch die Rabenau streifen und dann über den Ebsdorfergrund zurück nach Mücke fahren. Dann hätte sich der heutige Kreis geschlossen.

Im Wald nach Höingen liegt ein Hochbehälter für das Ebsdorfergrunder Wasser. Hier beschliesse ich, ein Päuschen zu machen. Das wird sich als gute Idee herausstellen.

Vom Soziussitz des Gespann aus gelingt ein Bild des leicht transpirierenden Gespanntreibers. Aber im Boot liegen ausreichend fahrtwindgekühlte Getränke.

Dann erscheint ein PKW und der Fahrer fragt mich, ob ich hier Geocaching betreibe. Zufällig habe ich gerade gestern in einem Motorrad-Reisebuch von Rainer Janneck über Geocaching gelesen, weiss aber nicht wirklich, was das ist. Erfahre, dass hier ein Geocaching Ort ist und bekomme den Ort gezeigt. Ein paar Meter in den Wald herein an einem Baum soll der Ort sich befinden. Ich sehe aber nichts, nur diesen Ast.

Aber der Ast ist die Lösung! Du kannst ihn aufklappen und innen liegen die Zettel von erfolgreichen Geocachern, die den Ort gefunden haben. Der Betreiber leert dann regelmässig den Ast und trägt die neuen Entdecker in ein Weblog unter www.geocaching.de ein. Klingt alles ganz interessant. Du lernst deine Heimat kennen, bist an der frischen Luft und hast immer ein Ziel vor Augen. Werde heute abend mal ein wenig auf der Webseite stöbern. Jetzt aber heim, heute wird (fast) pünktlich gegessen. Bin eigentlich nur ein wenig durch die nähere Heimat gebummelt und habe dabei 150 km gefahren.