Carla? Welche Carla? Natürlich nicht Carla Bruni, aber beinahe ebenso schön: Carla ist der Name meiner Vespa Cosa mitsamt Cozy-Seitenwagen. Italienische Fahrzeuge müssen einen Namen haben und Vespa-Roller natürlich einen weiblichen Namen. Also Carla! Den heutigen Tag werde ich komplett mit Carla verbringen. In den letzten Tagen habe ich an der Vespa doch einige Macken, Fehler, Schlampereien und Defekte entdeckt, denen ich heute zuleibe gehen werde. Der schlimmste Fehler ist die Gangschaltung: Ich bekomme den ersten Gang nicht mehr hinein und das ständige Anfahren im Zweiten ist Mist.
So werde ich heute ein paar Stunden „leichte Arbeit“ einlegen. Diesen Begriff gab es während meiner Lehrzeit im Bergbau und wenn man krank geschrieben war, aber noch für bestimmte Aufgaben zu gebrauchen, dann gab es vom Arzt eben „leichte Arbeit“ statt eines Krankenscheins. Gar nicht so dumm, diese Einrichtung.
Irgendwie traue ich mich nicht an die Einstellung der Gangschaltung heran und beschäftige mich erst einmal mit einfachen Aufgaben wie der Kontrolle und Instandsetzung der elektrischen Anlage. Die vordere Kaskade ist einfach zu entfernen, wenn man weiß, dass die beiden Schrauben unten und eine unter dem Piaggio-Zeichen entfernt werden müssen.
Weiter gehts mit der Lenkerschale. Vier Schrauben von unten auf jeder Seite sind zu lösen, wobei die inneren Schrauben M5-Gewinde haben und die äußeren Blechschrauben sind. In meinem Fall fehlt auf jeder Seite eine Schraube und später sehe ich, dass die entsprechenden Gegengewinde aus dem Plastik heraus gebrochen sind. Jetzt noch die beiden Spiegel entfernt und dann sollte die obere Schale abzunehmen sein. Ist sie aber nicht! Zwar ist die Schale beweglich, geht aber nur etwa 5 mm nach oben. Mit Gewalt würde ich jetzt bestimmt noch mehr zerstören, also gemach und überlegt handeln.
Während ich so vor mich hin grübele und zu keinem Ergebnis komme, erscheint der Postbote und bringt die bei ebay gekaufte Vespa-Fibel. Das ist die Rettung, hier muss einfach etwas zu meinem Problem geschrieben stehen. Und so ist es!
Hier steht es: Zum Abbau der oberen Lenkerschale MUSS die Tachowelle unten am Vorderrad gelöst werden.
Wenn man’s weiß, ist es kein Problem mehr: Die Halteschraube der Tachowelle entfernt und die Welle herausgezogen, anschließend die Welle etwas nach oben gedrückt …….
……. und schon kann ich die Schale anheben. Nun sehe ich die Enden von Schalt- und Gaszug, das innere der elektrischen Schalter und die Tachometer-Platine vor mir. Zunächst reinige ich alles und schmiere dann alles Bewegliche ab, ganz besonders intensiv den Schaltungszug.
Interessanter Warnhinweis zur Vorderradbremse, schön versteckt unter der Lenkerschale. Wahrscheinlich sollen nur Werkstätten diesen Hinweis lesen.
Das habe ich heute gelernt: Diese kleine Schraube mit Schlüsselweite 7mm muss keineswegs gelöst werden, wenn die Lenkerschale abgenommen wird. Es handelt sich hier um die Verstellschraube für den Scheinwerfer.
Nun gehts nach unten hinter die rechte Backe, die natürlich abgenommen wird. Dann entferne ich das Abdeckblech der Schaltung und löse den Drahtzug für die Verstellung. Dazu hat die Klemmschraube oben einen Inbuskopf mit 2,5 mm Durchmesser. Dort wird die Schraube gelöst, dabei mit einem Schlüssel 7 mm die Mutter gegen gehalten. Jetzt die Schaltklinke in die Einkerbung für den ersten Gang gesetzt und oben den Drehgriff ebenfalls in die Stellung für den 1. Gang gebracht. Dazu musste ich das Drahtseil ein paar Millimeter aus der Hülle heraus ziehen. Wenn alles passt, wird das Drahtseil mit der Klemmschraube wieder angezogen. Danach fette ich die gesamte Schaltmimik ordentlich mit Molykote.
Und tatsächlich habe ich jetzt meinen ersten Gang wieder! Alles funktioniert und durch die intensive Schmierung meinerseits flutschen jetzt Schaltung, Kupplung und Gas nur so.
Dennoch ist eine längere Probefahrt jetzt unumgänglich. Ich baue also alles wieder zusammen und es bleiben keine Teilchen übrig. Kurz gewaschen und dann starte ich zu einer Probefahrt, die mich nach Schotten zum Kawasaki-Händler Dirk bringen soll – rein zufällig ist der nämlich auch Piaggio-Commerciante.
Interessante Maschine sehe ich heute bei Dirk, besonders diese alte 350er EMW. Allerdings ist auch mein Cosa-Gespann für einige Aufmerksamkeit gut. Ich bestelle ein paar Teile, denn am Lager ist nichts aus meiner Liste. Besonders wichtig: Ein neuer Hinterreifen, denn der jetzige ist glatt, absolut glatt. Die gewaltigen 12 PS reiben im Gespannbetrieb den kleinen 10-Zöller im nu herunter.
Über die berüchtigte Strecke Schotten-Laubach und vorbei am Falltorhaus ziehe ich zurück in die Heimat. Die Schaltung flutscht immer noch bestens, so gut ging sie noch nie. Bei herrlichem Wetter tuckern wir mit 60-75 km/h durch den goldenen Oktober. Bei dem Tempo füllt das Rollerchen sich wohl.
Zwischen Ilsdorf und Gross-Eichen staut sich plötzlich der Verkehr, scheinbar durch einen dicken, lahmen Schlepper. Aber falsch: Vor dem Schlepper schleicht eine niedliche Piaggio Ape mit 40 km/h durch die Landschaft. Der Schlepper, die nachfolgenden PKW und ich überholen die Ape, wir Piaggio-Fahrer winken uns kurz zu und dann ziehe ich vorbei – aber nur, um in Gross-Eichen zu stoppen, die Kamera zu schnappen und auf die Ape zu warten. Und so entstand dieses nette Foto mit zwei roten Dreirädern aus dem Hause Piaggio.