Nachdem das Wetter während der letzten Tage immer besser wurde, gibt es heute einen echten meteorologischen Höhepunkt: Sonne und Temperaturen um die 15°C. Um 3:00 halt ich es im Büro nicht mehr aus, es geht ab nach hause und da schnappe ich mir direkt die W650. Hatte ja bereits vor ein paar Tagen den Rollout vorbereitet, d.h., die Reifen sind mit Luft gefüllt, die Kette ist geschmiert und die Batterie geladen. Leute, ihr glaubt nicht, wie ich mich auf diese Fahrt mit der W650 gefreut habe.
Noch gestern war ich messerscharf davor, mir eine zweite W zu holen, um daraus ein Gespann zu bauen. OK, diese W war schon verkauft und ich bin noch nicht sicher, ob das gut oder schlecht war. Obwohl, jetzt beim Tippen dieser Zeilen und nach der heutigen Ausfahrt denke ich, es war schlecht – schlecht, dass ich diese Kawa nicht bekommen habe. Denn jetzt bin ich absolut und 100%ig sicher: Die W ist das richtige Motorrad für mich.
Kawa auf den Hof geschoben, den Tankrucksack von der Silverstar genommen und aufgelegt, den Motor 3 mal durchgetreten, Choke betätigt, 1 Kick – der Motor läuft. In Flensungen mache ich noch den Tank voll und dann treibe ich den Twin in Richtung Romrod. Ach nee, treiben ist nicht das richtige Wort für unsere Fahrweise.
Bis Romrod nehme ich die B49 und bin dort recht flott unterwegs. Ist auch wenig Verkehr und die Bundesstrasse lässt such gut befahren. Wälder, Steigungen, Kurven – zum Gewöhnen an die W ist das keine schlechte Route. Am Romröder Schloß halte ich kurz an, weil ich nach dem Tanken vergessen habe, den Tageskilometerzähler zu nullen.
Die Gelegenheit, die hübsche Lady mit ihren beiden Möpsen abzulichten, lasse ich mir natürlich nicht entgehen. Zur Klarstellung: Möpse sind eine Hunderasse, ja, eine Hunderasse!
Über Zell halte ich mich in Richtung Antrifttal um mal wieder einen Blick auf See und Staumauer zu werfen. Nebenbei bekomme ich ein Wolkenpanorama geboten, dass es in sich hat. Und die Farben in der Natur empfinde ich heute als ebenso schön wie den Indian Summer, meine Lieblingsjahreszeit.
Mittlerweile stelle ich fest, dass ich zu warm angezogen bin: Die Thermohose und die Thermo-Boy-Handschuhe sind zu warm. Andererseits ist der Antrifttal-Stausee noch zu großen Teilen zugefroren. Verrückt.
Nun durch den Arnshainer Wald – eine wunderbar kurvenreiche Strecke. Die Leistungscharakteristik des langhubigen Königswellenmotors begeistert mich. Drehzahlen von 5000 überschreite ich heute nicht, und bin dennoch gut unterwegs. Klar, verglichen mit meiner (verkauften) Suzuki SV650 ist das W-Fahrwerk zäh und etwas wabbelig und dem Motor fehlt jede Menge Leistung – aber soviel Spass wie mit diesem Motor hatte ich bisher noch mit keinem Maschinchen. Bei Drehzahlen, wo der SV-Motor gerade anfing, überhaupt Leistung abzugeben, kann ich mit der W schon in den nächsten Gang schalten. Der Motor ist wie für mich geschaffen.
Mein Auspuff ist noch völlig original und da ist nichts entfernt – entsprechend leise ist der Motor. Er hat aber trotzdem einen tollen Klang und den halte ich hier am Ende des Kurvengeschlängels zwischen Arnshain und Kirtorf kurz fest.
Nach 90 km habe ich das Gefühl, dass der BT45-Hinterreifen, der sehr eckig abgefahren war, langsam wieder rund an den Kanten wird. Vorn hatte ich im Winter ohnehin schon einen neuen BT45 aufgezogen. In den Waldstücken um Kirtorf und im Feldatal erlebe ich zeitweise fast einen Blindflug: Die tiefstehende Sonne blendet gewaltig, was aber mein Vergnügen an dieser Fahrt nicht im geringsten schmälert.
Letzter Stop bei Freienseen, jetzt gehts heim. Aber diese 2 Stunden mit der W hab ich wirklich gebraucht. Hab ja bisher nur die Überführungsfahrt im Dezember gemacht und danach nichts mehr. Während der Tour habe ich immer wieder die W mit meiner ehemaligen Suzuki GR650 verglichen, und das Resume ist, dass die W alles besser kann und natürlich viel schöner ist. Ich denke, jetzt begebe ich mich ins Internet und schaue nach einer Zweit-W für den Gespannumbau. Die W (oder die W’s) ist das Motorrad, das ich nicht mehr hergeben werde, da bin ich ganz sicher.