Wärmeeinbruch im November

Nach dem völlig verregneten gestrigen Samstag soll der Sonntag etwas besser werden – die Regenwahrscheinlichkeit ist deutlich geringer. Aber was dann in der Realität tatsächlich aus diesem Tag wird, ist beinahe unglaublich. Das kündigt sich bereits am frühen Morgen an und ich nutze ihn aus, den unerwarteten Wärmeeinbruch im November.

Morgens um 7:00 treibt mich die altersgeschwächte Prostata aus dem Bett. Aber was sonst eher lästig ist, ist heute sehr gut. Denn was entdecke ich um diese unchristliche Stunde beim Blick aus dem Fenster: Trockene Strassen, die Sonne kommt bereits hervor und es wird bereits hell. Da fällt der Entschluss leicht, nicht zurück ins warme Bett zu krabbeln, sondern nach einem schnellen Frühstück die Motorradklamotten anzuziehen.

Gewaschen, gekämmt (symbolisch zu betrachten), gefrühstückt - jetzt noch schnell in die Werkstatt und dort in die Motorradklamotten geschlüpft. Und dann ums Haus in die Motorradhalle, wo nach dem zweiten Kick das brave Eisenschwein anspringt. Noch eben den Tank voll gemacht und dann geradewegs in Richtung Süden.

Über das schöne Tal der Horloff schraube ich mich hoch nach Einartshausen, was die ES im 2. Gang schafft. Den noch steileren Aufstieg nach Stornfels erspare ich uns aber und halte mich weiten Richtung Süden - dort soll das Wetter noch besser sein, was aber kaum möglich ist.

Zu dieser frühen Stunde sind die Temperaturen bereits unglaublich: Gefühlte 15 Grad. Die Sonne knallt aber auch gleissend vom Himmel und trocknet die letzten nassen Strassenabschnitte ruckzuck durch. Mittlerweile bedauere ich, den Integralhelm aufgesetzt zu haben - mit dem Schuberth J1 wär's jetzt viel angenehmer.

Inzwischen bin ich in der Wetterau angekommen und fahre hier die schöne, von knorrigen Eichen gesäumte Zufahrtsstrasse ins Heilbad Bad Salzhausen bei Nidda.

Bad Salzhausen ist ein richtiges Kurbad mit alten (und neuen) Kurkliniken und einer schönen Salztherme. Jetzt bin ich in dem Alter, in dem ich zum ersten mal ernsthaft über eine Kur nachdenke - und wenn schon, warum dann nicht in Bad Salzhausen?

Die "Seenplatte" um Hungen wollte ich mir sowieso mal in Ruhe anschauen und ich beginne mit dem alten Wasserkraftwerk der OVAG in Inheiden. Weiter entfernt sehe ich auch den Inheidener See, aber die Zufahrten sind komplett gesperrt. Überall zeigen Ver- und Gebotsschilder, dass hier alles auf Dauercamper und Wohnmobile zugeschnitten ist. Eine durchaus unsymphatische Szene - jedenfalls nix für mich.

Dennoch verweile ich ein wenig im Hungener Seenland und das Wasser ist hier allenthalben present: Ein Hochbehälter bei Obbornhofen.

Dem Obbornhofener See komme ich immerhin recht nahe - zwar nicht ganz ans Ufer, aber wenn ich die paar Schritte zu Fuss machen würde ..........

Allmählich halte ich wieder auf den Vogelsberg zu und komme in Reinhardshain an dieser verfallenen Wohnsiedlung vorbei. Zuerst sollten hier teure Nobel-Wohnungen entstehen, dann wurde ein Asylantenheim daraus und jetzt zerfällt der Billigbau. Vermutlich ein reines Abschreibungsobjekt - möge es schnellstmöglich wieder verschwinden.

In Richtung Rabenau sieht die Gegend ein wenig aus wie die Niedrigalmgebiete der Teichalm in der Steiermark - eine erstaunliche Ähnlichkeit oder nur ein Dejavu?

In den Waldstücken der Rabenau sind alle Zeichen des Indian Summer verflogen und finden sich als zentimeterdicke Laubschicht auf dem Boden wieder.

Die letzten Kilometer bis an den Rand des Vogelsberges nutze ich Wald- und Wirtschaftswege.

Kurz vor dem heimatlichen Hafen ein letztes Päuschen. In der letzten Stunde ist es richtig stürmisch geworden - ein paar mal hat es mein leichtes Gespann ordentlich versetzt. Den heute morgen gefüllten Tank habe ich quasi komplett wieder geleert - sind heut gute 130 km geworden. Aber diese Fahrt musste sein und ich glaube nicht, dass es in diesem Jahr noch einmal so schön wird wie heute.