Eine verdammt kalte Oktoberfahrt

Oha, 10 Wochen lang habe ich mein Eisenschwein nicht bewegt, diese lange Zeit musste die Arme in der neuen Motorradhalle bei Egon verbringen. Das bedeutet ohne Tor, zwischen Baumaterialen und mit viel Dreck und Staub. Diese Phase muss heute ein Ende haben und bereits am gestrigen Samstag habe ich den Plan für eine Sonntag-Morgen-Ausfahrt geschmiedet. Genau so mach ich das auch, aber es wird eine verdammt kalte Oktoberfahrt.

Auch wenn das ES 250/1-Gespann jetzt 10 Wochen nicht gelaufen ist, mache ich mir keine grossen Sorgen. Erstmal schöne warme Motorradklamotten angezogen und dann rüber in die Motorradhalle. Benzinhahn auf, Choke gezogen und ohne Zündung fünfmal langsam den Kickstarter durchgetreten. Jetzt Zündung an, ein beherzter Tritt und sofort tuckert die gute MZ los. So muss das sein.

Es ist kurz vor 9:00, als ich die ES aus der Halle schiebe. Auf dem gestern gerüttelten Untergrund rollt das Gespann einwandfrei. Mit wenig Gas rolle ich vom Hof, denn ich vermute, dass Ruth und Egon noch ein wenig schlafen möchten. Das haben sie natürlich verdient.

Nach wenigen Metern kann der Choke raus und ich steuere das Gespann in Richtung Hoher Vogelsberg. Vorher jedoch drehe ich auf dem leeren Penny-Parkplatz ein paar Runden und zum ersten mal schaffe ich es, einige Meter mit gelupftem Seitenwagenrad zu fahren. Dann aber erstmal 25 km gefahren, bis ich hier bei Wohnfeld einen ersten Stop einlege.

Es ist verdammt kalt, ca. 3 Grad schätze ich. Dazu feiner Nieselregen und Nebel - beides nimmt zu, je höher ich mich in Richtung Hoher Vogelsberg bewege. Dazu sind die Strassen nasss und schmierig vom abgefallenen Laub. Kurz gesagt: Es ist ein herrlicher trüber Tag - fast ein Wintertag.

Regen und Nebel nehmen weiter zu, die Sicht wird schlechter. Mit dem Wischen des Visiers komme ich kaum nach und der Schuberth J1 neigt stark zum Beschlagen. Deshalb drifte ich über Altenhain ab und verlasse den Vogelsberg in Richtung Westen.

Und ruckzuck lässt der Regen nach und der Nebel verschwindet - beinahe so, als hätte ich die Gegend von Avalon verlassen. Goldene Oktober oder gar Indian Summer Gefühle kommen dennoch nicht auf, dazu ist der Tag insgesamt zu trübe. Unterwegs in Richtung Wetterau halte ich kurz am Laubacher Schloss - denn alte Gebäude im Herbst haben was.

Und ein Teil des alten Schlosses vermittelt doch tatsächlich ein Restgefühl vom Goldenen Oktober. Der scheint mir dieses Jahr generell ein wenig kurz geraten zu sein - aber vielleicht gibts ja noch richtig goldene Tage. Und wenn nicht, solls mir auch recht sein.

Von Laubach aus gehts weiter in Richtung Wetterau und dazu suche ich mir heute einige Wirtschaftswege aus. Hier bin ich völlig allein und kann die reizvolle Landschaft geniessen.

Mitten im Wald, weitab von jeder Siedlung, finde ich dieses wunderbare Anwesen mit Holzhaus, Bienenhäusern und altem Garten.

Jetzt komme ich an den Rand der Wetterau und die Häuser hier sind die ortstypischen Torhäuser ........

....... oder wie bei der Pforte geht die Strasse sogar durchs ehemalige Rathaus hindurch.

Langsam treibe ich das Gespann wieder in Richtung Heimat und wähle dazu die Route über Reiskirchen. Aber bevor es an den Mittagstisch geht, fahre ich noch den Wirrberg hinauf.

Kurz vorm höchsten Punkt des Wirrbergs gibts das Gruppenfoto mit dem winterlich gekleideten Fahrer und dann weiter zum Kloster Wirrberg.

Am ehemaligen Kloster Wirrberg ist es noch ruhig - denke ich. Aber zwei grosse, wenn auch alte Hofhunde kommen zu mir und nerven mit ununterbrochenem, wachsamen Gebell. Nach ein paar Minuten gebe ich auf und verlasse das Kloster wieder. Die alten Wachzausel haben gewonnen.

Ein Stückchen vom Koster entfernt erlauben mir die Mistviecher, zu halten und ein wenig über die Geschichte des Klosters zu lernen.

Möchte jemand mehr über das Kloster Wirrberg wissen? Ist ganz spannend und kann hier und hier nachgelesen werden.

Jetzt aber ab in Richtung Heimat. Bei Burggemünden schaue ich mir die jetzt beendete Autobahnbaustelle an. Neue Brücke, neue Auffahrt, mehr Spuren und sogar Entwässerungsmassnahmen wie dieser hübsche Ablauf, der sich in einem künstlichen Bett durch die Wiesen mäandert.

Und dann fahre ich zum ersten mal mit einem meiner Fahrzeuge direkt in die neue Motorradhalle. Nicht ganz 100 km haben wir heute gefahren - nicht viel, aber dafür gabs viele Stops. Hat mir gut gefallen, aber ich hatte schon immer ein Faible für leicht graue Herbsttage.

Bevor es an den Mittagstisch geht,will ich noch schnell ein kleines Kontingent Oldtimer ablichten, die Egon im Auftrag verkaufen soll. Da ist einmal diese DKW SB350 Bj. 1938, leider völlig verbastelt mit Junakgabel und einer Hinterradschwinge anstelle des Starrrahmens. Für mich dadurch uninteressant. Aber vielleicht kann jemand Motor, Tank, Bleche, Auspuffanlage usw. gebrauchen.

Dann eine 30er Jahre Zündapp 200 im Hintergrund an der Wand - nach meiner Enschätzung der blanke Kernschrott und nur als Teileträger interessant. Anders dagegen die kleine DKW RT 3 im Vordergrund: Eine 98 ccm Maschine mit Doppelport-Auspuff und immerhin dreht der Motor. Könnte sogar ziemlich komplett sein. Hmmh, irgendwie reizt mich das kleine Maschinchen .....