Beschwerliche Fahrt in die grosse Stadt

Neulich ermahnt mich mein liebes Eheweib und erinnert an fehlende Haushaltsware, die für das karge Landleben dringenst benötigt wird. Um des lieben Friedens willen gab ich nach und versprach für den heutigen Samstag eine Fahrt mit dem starken Motorade in die grosse Kreisstadt. Es ist eine lange Fahrt und beim ersten Hahnenschrei starte ich meine brave Emilie zur beschwerlichen Fahrt in die grosse Stadt.

Mein braves Ehegespons hatte auf einem grossen Stück Papier alles niedergeschrieben. Alles Dinge, die unser kleiner Haushalt bereits einige Zeit schmerzlich entbehren musste. Zuerst muss ich in die grosse Kreisstadt Grünberg. Dort benötige ich vom Eisenwarenhändler einige Ersatzteile für die Emilie. Ich weiss, dass der Grossist in Grünberg solche Teile für den Kradisten immer vorrätig hat. Dann muss ich zu Freund Roland in den Flecken Ober-Ohmen. Roland will mir sein neues Zweirad zeigen, dass er um wenige Taler vor ein paar Tagen erworben hat. Und zum guten Schluss wird mich meine lange Fahrt in die Marktgemeinde Gross-Felda führen, wo der Kolonialwarenhändler eine besondere Auswahl ausgesuchter Lebensmittel bereit hält. Ich werde viele Stunden für die beschwerliche Fahrt brauchen, die sicherlich 50 Kilometer lang sein wird. Aber der wackere Kradist ist guten Mutes und vertraut der Kraft aus der Zschopauer Motorradfabrik.

Beschwingt trägt mich die gute Emilie in die grosse Kreisstadt zum Eisenwaren Grossisten. Noch vor dem Mittagsmahle ist die gewaltiige Strecke von 15 Kilometern gemeistert. Wie beinahe immer hat mich mein gutes Krad nicht im Stich gelassen. Der Grossist hat wahrhaftig alle Teile vorrätig, so dass ich flugs alles in den Rucksack packe und das brave Krad wieder starte.

Gut ausgebaute Kraftfahrstrassen führen uns nun gen Ober-Ohmen. Unser moderner Landkreis tut viel für die Kraftfahrer, die ja auch immer mehr werden. Allein auf der Kraftfahrstrasse nach Ober-Ohmen begegne ich 2 weiteren Kradisten und sogar einem Automobil.

Wenngleich die gute Kraftfahrstrasse uns geschwind voranbringt, so bin ich, angekommen im Flecken Ober-Ohmen, doch rechtschaffen müde von der langen Reise. Freund Roland reicht sogleich seinen guten Kräutertee und wir plaudern ein wenig über die alten Zeiten. Angesichts der grossen Entfernung zwischen Ober-Ohmen und Nieder-Ohmen sehen wir uns leider nur sehr selten. Dann zeigt er sein neues Kraftrad, eine starke und schwarze Maschine aus dem fernen Japan. Ich erlaube mir leise Zweifel, ob der Stahl aus Japan unserem guten deutschen Kruppstahl vergleichbar ist. Die Zukunft wird es zeigen.

Auch wenn es mich im Herzen betrübt, so muss ich Feund Roland dennoch bald wieder Lebewohl sagen, alldieweil ich noch eine grosse Entfernung vor mir habe. Der Kolonialwarenhändler in der Marktgemeinde Gross-Felda ist so weit und die Strecke so beschwerlich, dass ich auf halbem Wege eine Rast nahe dem Orte Zeilbach einlegen muss.

Auch die Kraftfahrstrasse, die in die Marktgemeinde Gross-Felda führt, ist modern und gut ausgebaut. Zeigt sie doch, wie fortschrittlich unsere Obrigkeit im Vogelsbergkreise ist.

Beim Kolonialwarenhändler gebe ich meinen Bestellzettel ab und kann bereits 2 Stunden später die Säcke mit den frischen Waren abholen. Vor dem Geschäfte treffe ich noch den Medicus aus der grossen Kreisstadt Grünberg, welcher hier zu einer zu einer Sommerfrische weilt. So bekomme ich gratis und ohne Hornorar einige gute medizinische Ratschläge, wie der moderne Kradist sich trotz seiner gefährlichen Maschine gesund erhält.

Obgleich mich eine grosse Müdigkeit übermannt, starte ich meine brave Emilie, denn jetzt gilt es, den langen Weg heim zu meistern. Die schwere Last im Seitenwagen fordert der starken Maschine alles ab und der Kradist muss bis an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit herangehen. Die Sonne geht bereits unter, als wir zu Hause bei unserem kleinen Hause ankommen. Der graue Staub der Fernstrassen bedeckt Mann und Maschine, aber wir haben es wieder einmal geschafft. Mein liebes Gespons empfängt mich überglücklich und prüft sogleich die mitgebrachten Waren. Ich hingegen schiebe das gute Krad in die Maschinenhalle, wische den Staub von der Guten und öle alle Schmierstellen auf das sorgfältigste. Es ist sehr schön, eine solch starke und zuverlässige Maschine zu besitzen und es macht mich stolz. Und so endet dieser beschwerliche Tag, von dem ich euch hier berichten kann. Nach einer guten Kanne Bier strecke ich die müden Glieder unter der karierten Daunendecke. Noch im Schlafe höre ich das sonore Brummen der Zschopauer Maschine.