Nach dem gestrigen 100% verregneten Tag lautet die Vorhersage für heute: „Bis vormittags noch Bewölkung und Regen, ab mittags aber trocken.“ Diese Prognose gefällt mir und deshalb glaube ich sie auch. Ich werde aber noch sehen, was ich davon habe.
Grob geplant ist eine Oberhessen-Tour: Zunächst ist eine Aufgabe in Reiskirchen zu erledigen, von dort aus soll es über Schotten und komplett durch den Vogelsberg nach Fulda gehen, wo ich im Louis-Store eine Roleff-Jacke aus dem aktuellen Angebot kaufen möchte. Dann will ich versuchen, die schöne Nebenstrecke von Fulda nach Schlitz zu finden und von dort aus ins Haunetal fahren. Den Rückweg könnte ich am Knüll-Gebirge entlang und über den Altkreis Alsfeld nehmen. Das müssten dann so circa 270 km sein.
Zum Spaziergang mit Yellow geht es heute etwas früher und um 9:00 laufen wir die stark angestiegene Ohm entlang. Immer wieder verblüffend und erschreckend wie dieses kleine Flüsschen es schafft, ganze Landstriche zu überfluten. Und das, was wir hier sehen, ist garantiert noch nicht alles – die Ohm kann noch mehr.
Wasser, Match, Schlamm – das mag mein Kumpel Yellow und so saut er sich heute ordentlich ein. Normal!
Überall sattes Grün. Und Yellow geht seiner Lieblingsbeschäftigung „Markieren“ nach.
Das angenehme Wetter heute lässt uns den Spaziergang ordentlich ausdehnen. Aber das Wetter entspricht nicht der Vorhersage, und das hätte mich warnen sollen.
Da ich aber das aktuelle Wetter und die Vorhersage nicht vergleiche, begebe ich mich gegen 11:00 auf große Fahrt durch unser Oberhessen. Die erste Zwischenetappe ist die Apotheke im REWE-Markt in Reiskirchen, wo mir der Apotheker erzählt, wie er vor 30 Jahren ein Dnepr-Gespann aus Wien hierher überführt hat. Das Wetter ist übrigens recht nett, es ist heller geworden und man sieht sogar ein wenig von der Sonne – prima Reisewetter.
Reiskirchen, Ettingshausen, das Horlofftal, Stornfels, Rainrod, Schotten – eine schöne Fahrt bei immer noch trockenem Wetter. Aber hinter Schotten muss ich über das Gebirge und hier hängen dicke Wolken, hinter denen sich die beiden höchsten Berge Taufstein und Hoherodskopf verstecken – es ist nichts von den beiden 750ern zu sehen. Immerhin regnet es nicht.
Meine Kleidung scheint gut gewählt, nicht zu warm und nicht zu kalt. Nur lange regnen darf es nicht, denn ich imprägniere meine Motorradbekleidung grundsätzlich nicht. Also weiter in Richtung Rhön.
Von dem netten Klima in Reiskirchen ist das Wetter hier um den Hoherodskopf herum meilenweit entfernt. Es wird jetzt richtig kalt, und es fallen immer wieder Regentropfen. Aber ich denke, dass es am Rande der Rhön wieder besser wird.
Das ist aber leider ein Irrtum und hier bei Stockhausen wird es jetzt richtig gemein: Der Himmel öffnet alle Schleusen und dazu wird auch der Nebel immer dichter. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt und ich verzichte immer noch auf die Regenbekleidung, die im Boot bereit liegt.
Kurz vor Blankenau geht es aber nicht mehr: Ein Starkregen prasselt herunter und ich spüre bereits, wie das Wasser durch die Hose kriecht. Also kurz gehalten und ab in die Regenklamotten.
Beim Anziehen der Regenbekleidung bin ich kurz davor, mich total aufzuregen: Wie kann jemand so einen Schrott bauen und wie kann Hein Gericke so einen Schrott verkaufen. Ich kenne natürlich mein Regenzeug und auch dessen Schwächen, aber im Moment habe ich dieses Wissen verdrängt. Die Überschuhe sind quasi überhaupt nicht zu befestigen, weil die Klettbänder zu kurz sind. Die Jacke geht zwar gut über die normale Bekleidung, aber die Klettbefestigung des Kragens ist so unmöglich kurz, dass hier immer eine Lücke bleibt – eine Lücke, in die garantiert das Wasser fliessen wird. Und die Handschuhe sind ein schlechter Witz weil zu kurz und im Fingerbereich zu lang. Es ist echt zum Heulen, was Du heute für einen Müll verkauft kriegst.
Aber klar ist natürlich, dass auch diese jämmerlichen Regenklamotten dafür sorgen, dass ich nicht weiter nass werde.
Ein paar Kilometer fahre ich noch weiter in Richtung Fulda, aber 15 km vor dem Ziel breche ich ab und kehre um. Der Regen ist derart stark, dass das Visier so gut wie undurchsichtig ist und ich das Gefühl habe, in einem Goldfischglas zu sitzen. Und dann müsste ich mich bei Louis aus den schrecklichen Regensachen herausschälen – also nein, das wird nix. Also stop, gewendet und wieder ab in Richtung Vogelsberg.
Bereits bei Rixfeld lässt der Regen ein wenig nach und macht mir Hoffnungen auf eine halbwegs erträgliche Rückfahrt.
Kopflose Riesen: Das sind keineswegs Schornsteine, sondern es handelt sich um die Windmühlen zwischen Meiches und Helpershain. Der Regen ist zwar schwächer geworden, der Nebel aber dafür noch dichter. Ich beschliesse, dem Totenköppel bei Meiches mal wieder einen Besuch abzustatten und von dort aus ins weite Land zu blicken.
Am Totenköppel hat der Regen jetzt vollständig aufgehört und ich gönne mir eine kleine Rast miit Powerriegel und Fruchtsaft.
Der Blick ins weite Land fällt aber nur kurz aus: Nebel, wohin das Auge blickt. Und da ist keine Richtung, in der es besser aussieht.
Das Ende des Regens scheint immerhin stabil zu sein und so schäle ich mich wieder aus dem miesen Regenzeug heraus.
Es geht weiter über Meiches und Köddingen nach Stumpertenrod. In der Nähe der Volkssternwarte wird der Nebel etwas dünner und ich schaue von hier aus ins Land hinein. In Richtung Osten sieht das Wetter genauu so aus, wie ich es in der Rhön erlebt habe: Dunkelgrau, diesig, regnerisch.
Schaue ich aber in Richtung Westen, ist sogar ein heller Streifen am Horizont zu sehen: Sonne! Darauf halte ich zu und fahre in einem grossen Bogen Richtung Heimat. Zwischendurch schnorre ich noch einen Kaffee und etwas Wärme bei Reinhard in Ilsdorf, wo ich auch erfahre, dass die Bremsanlage des MG fertig ist. Immerhin eine gute Nachricht. Ansonsten habe ich heute 180 km gefahren, das Gespann ist vollkommen versaut, ich selbst bin leicht feucht und etwas verfroren und die Roleff-Jacke habe ich nicht kaufen können – kurzum: Ein wunderbarer Motorradtag. Und morgen soll es deutlich besser werden, ehrlich.