Die Größte unter den Kleinen

Natürlich habe auch ich eine Modelleisenbahn-Vergangenheit. Aber die liegt Jahrzehnte zurück und ein richtiger Eisenbahn-Fan war ich nie. Aber als sich unlängst die Gelegenheit bot, zusammen mit Claus eine Fahrt mit der Brockenbahn zu unternehmen, war ich sofort dabei. Claus als ehemaliger Bahner hat natürlich eine ganz andere Beziehung zur Eisenbahn und besonders zu Dampflokomotiven.
Dem Kalender nach ist es ein Vorfrühlingstag, aber in der Realität ist es ein arschkalter Wintertag. Je näher wir dem Harz kommen, umso kälter ist es und umso mehr Schneereste zeigen sich am Strassenrand. Aber was soll’s: Wir sind vorbereitet und entsprechend warm angezogen.
Angekommen am Startpunkt in Drei-Annen-Hohne wählen wir die komplette Route hin und zurück. Die Bahn steht schon bereit und kaum eingestiegen, setzt sich die Harzer Schmalspur Bahn in Bewegung. Der Höllenritt beginnt.

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Die HSB wirbt unter dem Motto „Die Grösste unter den Kleinen“ für die nostalgische Reise mit der Schmalspurbahn.

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Hier die Routenführung. Der Ritt beginnt in Drei-Annen-Hohne und führt über Schierke auf den Brocken. Anschliessend geht es auf dem gleichen Wege zurück.

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Der nostalgische Zug ist in perfektem Zustand und mir gefällt sofort die gelungene Farbgebung in weinrot und beige. Dies entspricht exakt der Farbe meines Kawasaki W650 Gespanns und wird in Fachkreisen als „Blut und Eiter“ bezeichnet. Gerade setzt sich der Zug langsam in Bewegung und nimmt Fahrt auf.

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Claus als alter Bahner springt in letzter Sekunde auf den anrollenden Zug.

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Zunächst unternehmen wir einen Bummel durch den Zug und stellen fest, dass der innere Zustand der Waggons genau so gut ist wie der äussere. Wir kämpfen uns durch bis ins letzte Abteil, dass wir (fast) für uns alleine haben. Die junge Familie mit dem plärrenden Säugling klammern wir einfach aus: Wir werden ohnehin die meiste Fahrzeit außerhalb des Waggons verbringen…..

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….. und zwar hier, wo es die schönsten Ausblicke gibt und wo es natürlich auch am kältesten ist. Ab und zu zurück in das schön geheizte Abteil tut deshalb not.

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Sofort hinter dem Bahnhof Drei-Annen-Hohne geht die Fahrt durch den dichten Wald. Und ebenfalls sofort steigt die Strecke allmählich an. Überall liegt noch ein wenig Schnee, aber wirklich viel ist es nicht mehr.

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Die Rauchentwicklung wird stärker und insgesamt zieht die Harzer Schmalspur Bahn einen ordentlichen Schweif hinter sich her, der wohl aus einer Mischung von Rauch, Nebel und aufgewirbeltem Schnee besteht – ein spektakulärer Anblick für einen Bahnmuffel wie mich. Meine letzte Bahnfahrt dürfte so um die 20 Jahre zurück liegen.

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Die Landschaft rast nur so vorbei und wir haben viel Spaß bei dieser Höllenfahrt. Die Waldbrandgefahr dürfte aber im Moment eher gering sein.


Ein winziges Stückchen der Fahrt wird auf Film gebannt.

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Habe ich weiter vorn noch von „ein wenig Schnee“ gesprochen, so ändert sich das von Höhenmeter zu Höhenmeter. Inzwischen liegt der Schnee überall und ordentlich hoch. Die Schienen mussten freigeschoben werden und diese Spur ist deutlich zu erkennen.

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Waghalsig lehnt sich Claus über die Brüstung und fotografiert den Zug bis zur Lokomotive in seiner gesamten Länge. Der eiserne Lindwurm ist schon ein imposanter Anblick.

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Inzwischen kann schon von Schneemassen gesprochen werden.

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Wir erreichen die einzige Zwischenstation Schierke. Wie auf meinen Motorradfahrten drängt es mich zu einer Pinkelpause und ich haste auf das weit abseits liegende WC.

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Claus dagegen schreitet gelassen den Bahnsteig entlang.

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So, alles erledigt, die wilde Fahrt kann weitergehen. Wir nehmen wieder unseren Platz auf dem Trittbrett des letzten Waggons ein. Wie Claus es versprochen hat, ist der Blick von dort aus einfach klasse.

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Die Reise durch den märchenhaften Winterwald wird noch märchenhafter durch die schattenhafte Gestalt eines einsamen Wanderes, …..

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….. während die Landschaft nur ein Stückchen weiter unheimlich und finster wirkt. An dieser Stelle erwarte ich geradezu eine teuflische Gestalt, die sich mit Feuer und Schwefel aus den dicken Wolken schwingt. Den Aberglauben und den Glauben an Dämonen und Hexen kann ich in diesem Umfeld gut nachvollziehen.

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Jetzt wird der Bewuchs dünner, aus dichtem Wald werden nur noch vereinzelte Büsche und Bäume – ein Zeichen, dass wir uns dem Gipfel des Brocken nähern. Hier oben ist aus dem Wind ein starker Sturm geworden, der die Bäume kräftig in seine Richtung zwingt.

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So muß es im ewigen Eis aussehen! Fast gar kein Bewuchs mehr, der Sturm heult und dichter Nebel hüllt die Landschaft in eine düster-amorphe Masse.

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Kurz darauf erreicht die Bahn auch ihr Ziel, den Brocken. Hier sieht es nicht wesentlich anders aus und an einen weiten Ausblick über den Harz ist nicht zu denken. Der eiskalte Wind in Sturmstärke verleitet aber ohnehin dazu, ein geschütztes Plätzchen aufzusuchen.

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Hier oben auf dem Brocken ist von einem Ende des Winters noch nichts, aber auch überhaupt nichts zu sehen.

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Statt einer kleinen Winterwanderung auf dem Brocken schauen wir uns lieber an, wie die Lokomotive jetzt an das andere Ende des Zuges kommt und dabei auch gewartet wird. Das Hauptmittel für die Wartung ist Fett und Öl, denn wer gut schmärt, der gut fährt. Alles wird für die Rückfahrt vorbereitet.

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Wir behalten unseren alten Platz am Ende des Zuges bei, aus dem aber jetzt zwangsläufig der Anfang des Zuges geworden ist. Damit sind wir der beeindruckenden Zugmaschine 99 7241 -5 ganz nah.

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Alte Technik, die begeistert. Da haben die Konstrukteure und Mechaniker aus dem Dampflokwerk Meiningen ganze Arbeit geleistet. Denn welche Maschine diesen Alters ist heute noch Tag für Tag in Betrieb?

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Der Schubstangenantrieb funktioniert noch wie am ersten Tage – so etwas ist nur mit bestem Service zu erreichen. Und nicht umsonst hat der Ingenieur Röder in den 50er Jahren einen solchen Antrieb für die obenliegende Nockenwelle der NSU Max konstruiert. Und waren nicht diese Motoren für ihre Langlebigkeit und Zuverlässigkeit weltberühmt?

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Perfekte Verbindungstechnik! Bisher hat die Harzer Schmalspur Bahn auch noch keinen Waggon verloren.

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Die Kälte treibt uns sporadisch zurück in den Waggon. Durch die Wärme sind die Scheiben der Waggontür stark angelaufen und durch ein kleines Loch gelingt Claus eine bemerkenswerte Aufnahme. Sicher ein Ergebnis des Fotokurses auf Burg Fürsteneck vor zwei Jahren. Fortbildung lohnt eben auch im hohen Alter noch.


Unsere HSB fährt auf ein kurzes Stück Abstellgleis, um den entgegen kommenden Zug vorbei zu lassen.

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Auf der Rückfahrt zeigen diese Eiszapfen am Schierker Bahnhofsgebäude das Ausmaß der heutigen Kälte.

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Die wundersame Reise ist beendet und wir befinden uns wieder am Bahnhof Drei-Annen-Hohne. Aufgrund der Mittagszeit steht gerade die komplette Flotte der HSB im Bahnhof: Drei perfekte Züge in „Blut und Eiter“, ein Zug schöner als der andere.

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Ein letzter Blick und wir verschwinden in der Bahnhofsgaststätte, wo es herrlich heiße Soljanka gibt. Natürlich versäumen wir nicht, für die Lieben daheim einen ausreichenden Vorrat an Schierker Feuerstein zu beschaffen. Insgesamt war die Fahrt mit der Harzer Schmalspur Bahn ein wunderbares Erlebnis, dass seinen Preis unbedingt wert ist und das wir nicht missen mögen. Jedem Harzer Besucher sei eine Nachahmung dringend ans Herz gelegt.