Heute solls bis Mittag noch recht ordentliches Wetter geben, bevor dann der Regen kommt. Deshalb nach einem kleinen Morgenspaziergang los. Polja ist ja quasi fertig, da muss nichts vorbereitet werden, der Tank ist voll, die Kette geölt. Der Tag beginnt herrlich diesig und grau, ein Herbsttag par excellence. So muss das! Aber nach einiger Zeit wirds immer schöner, ich erweitere meine Kreise und gehe auf die Suche nach den udmurtischen Elementen im Kreis Marburg-Biedenkopf.
Bin kaum unterwegs, da versagt der hintere rechte Blinker. Kurzer Check: Spannung vorhanden, Masse vorhanden, also Birnchen defekt. Sind diese elenden Halogen-Blinkerbirnchen, die man kaum aus dem Blinker herausbekommt. Wird zuhause repariert und bei der Gelegenheit kommen gleich andere Blinker dran. Diese Fahrt werde ich auch ohne diesen Blinker überstehen.
Als die Planeta so loszieht und die ersten Steigungen gewohnt souverän nimmt, habe ich bei dem dumpfen, sonoren Motorgeräusch das Gefühl, mit diesem Motorrad bis ans Ende der Welt fahren zu können – und dabei immer anzukommen. Natürlich ist mir klar, dass dem nicht so ist und das die russischen Überraschungen noch kommen werden. Gerade heute morgen noch vom kapitalen Lagerschaden an Rogers Jupiter-Gespann erfahren – und das bei einer Kurbelwelle mit 40 km Laufleistung. Also keinen Übermut!
Der breite Fehling-Superbikelenker nervt mich heute ein wenig, denke, er passt nicht zur Planeta. Alternativen sind ja vorhanden.
Das erste udmurtische Element des Tages haben wir hier: Einen Stall oder ein Häuschen nahe Wäldershausen.
Von Mardorf aus halte ich auf Amöneburg zu, dass fast im Morgennebel verschwindet. Jetzt bin ich bereits im Landkreis Marburg-Biedenkopf.
Eine russisch-orthodoxe Kirche ist das hier natürlich nicht - wäre auch überraschend im Kreis Marburg-Biedenkopf.
Die Ohm bei Grossenseelheim, hier völlig gezähmt und lange nicht mehr so schön wie in Mücke, direkt hinter unserem Haus. Aber dafür kann in diesen Ebenen das Hochwasser schön auslaufen.
Grosser Aussiedlerhof bei Anzefahr - fast wie eine Kolchose in Udmurtien. Einige Kilometer bleibe ich auf solchen asphaltierten Wirtschaftswegen.
Über Stausebach und Himmelsberg jetzt in Richtung Rauschenberg. Hier beginnt der dichte Wald und die Strasse windet sich in Serpentinen den Berg hinunter. Mit dem zu strammen Steuerkopflager und den müden Bremsen ist das nicht das geeignete Revier für meine Planeta.
Umgepflügte Äcker und strenger Güllegeruch sagen eindeutig: Das Jahr 2009 ist so gut wie gelaufen - zumindest aus Sicht der Landwirtschaft.
Ehemalige Werkstatt für Landmaschinen in Ernsthausen - ein Traum für meine Ostböcke. Auch das kleine Fachwerkhaus im Hintergrund hat was.
Von Speckswinkel in Richtung Neustadt fahre ich fast in diesen Feldweg - aber nur fast. Rechtzeitig fällt mir ein, wie meine Polja nach der letzten Einlage dieser Art aussah. Also zurück auf den harten Asphalt der Strasse.
Etliche leere Häuser im Kernbereich von Neustadt, aber kaum eines ist derart vergammelt wie dieses hier.
Der Ruf des Wassers erreicht mich und ich fahre zum dunklen See im Kirtorfer Wald. Mittlerweile scheint die Sonne ganz gewaltig, völlig entgegen den gestrigen Vorhersagen.
Die Angler und Fischer haben sich diese nette Hütte gebaut, an der ich mir einen Augenblick die Sonne aufs kahle Haupt brennen lasse. Ist heute wesentlich wärmer und schöner als Gestern.
Noch schnell ein Schlückchen Wasser und einen Müsliriegel verputzt und dann weiter durch den Kirtorfer Wald.
Mitten im Wald dieser wilde Garten - seltsam und schön. Weniger schön, dass an diesen romantischen Ort die Fahrgeräusche der nahen A5 dringen.
Vor der Schutzhütte macht meine Planeta eine gute Figur - wie eigentlich überall. Heute muss ich oft daran denken, wie es wäre, mit einem Planetagespann durch Udmurtien zu fahren. Kein sehr realistischer Tagtraum, aber wer weiss. Ach ja, dazu müsste ich ja noch ein Planetagespann aufbauen. Schöner Gedanke.
Am Bahnhof von Ehringshausen ein Blick über Poljas spartanische Armaturen und den Schienenweg entlang. In 2 Tagen kommt die Transsibirische Eisenbahn hier vorbei - oder doch nicht? Nach knapp 150 km sind wir am frühen Nachmittag wieder in der heimatlichen Werkstatt. Jetzt wird noch der Blinker repariert und das war's dann für heute. Ein schöner Tag!
Meine Tagträume von einer Reise nach und durch Udmurtien lassen mir keine Ruhe und ich spinne mir regelrecht etwas zusammen. Das Ergebnis ist eine virtuelle Reise des udmurtischen Elektrikers Bogdan, der mit seiner IZH Planeta 5 von seinem Heimatort bei Yar in die Hauptstadt Izhevsk fährt. Er wird dort Ersatzteile für die Planeta holen und dabei seine alte Freundin Polina besuchen. Hier gehts zu Bogdans Reise durch Udmurtien.