Zur Bleiwäsche nach Westfalen

Den heutigen Feiertag begehe ich mit einer Solotour mit der Silverstar. Um 8:00 höre ich Nachbar Egon mit der F800 wegfahren. Er hat eine Spessarttour mit Bekannten aus dem F800 Forum ausgemacht. 30 Minuten später brummt auch der Rotax und auch ich werde Hessen heute verlassen. Schon seit geraumer Zeit schwebt mir aus gegebenem Anlass ein spezielles Ziel vor: Zur Bleiwäsche nach Westfalen.

Über Frankenberg will ich Richtung Medebach und Willingen fahren und dann irgendwie zum Diemelsee kommen. Von da aus ist es nicht mehr weit zur Bleiwäsche, aber richtig geplant habe ich die Tour nicht. Ab Lichtenfels kenne ich mich auch nicht mehr aus und muss entsprechend häufig halten und die Karte zu Rate ziehen. Bis Frankenberg fahre ich den Rotax und mich warm und nehme die bewährte Route durch den Burgwald. Das Wetter ist richtig herbstlich, so kühl, dass zum ersten mal die Funktionsunterwäsche zum Einsatz kommt. Die Strassen sind fast überall noch feucht bis nass und schmierig vom Laub und dem Lehm der landwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge. Verhaltenes Fahren ist deshalb meist angesagt, aber ein paar Abschnitte sind schon trocken und da fliegt meine Sylvie. Kanns garnicht oft genug sagen: Der Herbst ist genau meine Jahreszeit.

Hinter Frankenberg biege ich ab nach Nieder-Orke und ab da verliere ich nahezu jede Orientierung. Aber das war klar, heute werde ich etliche für mich weisse Flecken erforschen. Ab Lichtenfels bis nach Marsberg bin ich in Gegenden, die mein Auge noch nie geschaut hat. Aber genau das macht ja den Spass heute aus. Das gab ein paar Anregungen für zukünftige Touren, da werden Ruth und Egon die Augen aufgehen. Insgesamt passiere ich heute die Landesgrenze zwischen Hessen und Westfalen mindestens 4 mal. Aber was tut man nicht alles für eine Bleiwäsche. Bis ich wieder zu Hause bin, habe ich den Silverstar-Tank zweimal vollgetankt und bin ca. 350 km gefahren.

Im Wohratal halte ich kurz an, um das Langendorfer Ortsschild abzulichten. Aus dieser Perspektive habe ich 1978 den Ort das erste mal gesehen. Da habe ich in diesem netten Örtchen unser erstes Fachwerkhaus gekauft - für 28.000 DM. So kam ich nach Hessen.

Jetzt schon deutlich weiter in fremden Gefilden. Die Igelstadt Fürstenberg sehe ich zum ersten mal. Der Sage nach hat ein Igel dem Fürsten von Waldeck im Mittelalter das Leben gerettet und dafür musste der Bürgermeister von Fürstenberg den Igel bis an dessen Lebensende hegen und pflegen.

Im Hochsauerlandkreis (HSK) empfängt mich dichter Nebel, die Strassen sind klatschnass - und das ohne einen Tropfen Regen. Seltsamerweise macht mir das Fahren trotzdem Spass, auch wenn ich langsam tun muss. An dieser Stelle brüllt von der Bundesstrasse jemand herüber: "Ist das eine Norton?" Bin geschmeichelt, aber meine Sylvie ist eben eine Schönheit - wie eine Norton auch.

Ein Blick auf Willingen. Die Städtchen hier wie Willingen, Ussel, Medebach und Winterberg kommen mir alle gleich vor: Hotels, Pensionen und Gasthäuser ohne Ende, viele davon in geschmacklosem bayrischen Stil. Tourismus ohne Ende, was ja an sich nicht schlimm wäre, aber alles wirkt übertrieben, wie aus dem Fernsehen in diversen Volksmusiksendungen. Seppelhose, Wildlederweste, ein bisschen Gejodel und irgendeinen Pseudodialekt - fertig ist rustikale Landmann. Nur schnell durch die Orte und ab auf die Nebenstrecken.

Und diese Nebenstrecken haben es in sich. Kilometerweit fahre ich neben diesem Wildbach her, immer in Richtung Diemelsee und Diemeltalsperre.

Am Diemelsee angekommen! Dieser See ist wesentlich schöner als der Edersee, und hier ist vergleichsweise wenig los. Sehe zwar am Ufer eine Bikerkneipe mit mindestens 20 Maschinen davor, aber das ist nix im Vergleich zum Edersee. Sehr schöne Ecke!

Weiter Richtung Padberg und Bredelar, die Orte werden jetzt wieder normal. Extrem viele und grosse Wälder fallen auf.

Hier der erste Hinweis auf mein Ziel: Bleiwäsche! Was ich da will? Eigentlich nix, aber es gibt dennoch einen Bezug: Habe seit Jahren sehr hohe Bleiwerte im Blut und will deshalb zur Bleiwäsche. Ist für mich quasi wie eine Wallfahrt nach Lourdes oder nach Mekka. Einmal nach Bleiwäsche, und das Blei verschwindet aus meinem Körper - oder auch nicht.

Geschafft. das Ziel ist erreicht, ich bin in Bleiwäsche angekommen. Ist ein unspektakulärer kleiner Ort mit weniger als 1000 Einwohnern. Früher wurde hier tatsächlich Blei abgebaut und gewaschen, daher der Name. Nicht weit von hier befinden sich auch Ort und Fluss Hoppecke und da gabs mal den bekannten Batteriehersteller gleichen Namens. Alles wegen des Bleis. Zu sehen entdecke ich in Bleiwäsche allerdings nichts besonderes. Überraschend für mich, dass ich mich schon im Kreis Paderborn befinde.

Von Bleiwäsche sinds nur wenige Kilometer zur Aabachtalsperre, auch ein sehr schönes Ziel. Allein die Strasse dahin ist die Reise schon wert.

Über Marsberg und Leitmar ziehe ich nach Korbach, ab Leitmar weiss ich wieder, wo ich bin. Hab schliesslich in Leitmar schon etliche Deutsche Meisterschaften geschossen. Am Edersee brettere ich schnellstens vorbei, um dann an diesem Imbiss eine gute Currywurst mit Pommes zu verdrücken. Ein paar Holländer (der Edersee lässt grüssen) wollen sich eine Zigarette anstecken, aber der jugoslawische Wirt besteht auf dem Rauchverbot - richtig, ab 1.10 darf ja in Restaurants nicht mehr gequalmt werden - wie schön.

Bei Schmittlotheim verlasse ich die Bundesstrasse und nehme die wunderbare Strecke nach Frankenau und Haina. Eine Herbstlandschaft wie gemalt. Nicht weit von hier lebt übrigens der "Wena" aus dem MZ Forum.

Mit einem Blick auf den Sender am Hohen Lohr verlasse ich diese schöne Ecke. Die letzten 60 km über Gemünden, Kirchhain und Homberg werden schnellstmöglich abgerissen, der Tacho zeigt meist 120 bis 130 km/h an. Gegen 16:00 bin ich wieder zu Hause, Egon ist noch nicht zurück, der dürfte noch im Spessart herumgurken. Hat sicher auch einiges zu berichten.