Geplanter Start: 4:00 in der Früh. Wecker brauch ich nicht, auf meine innere Uhr kann ich mich verlassen. Als ich dann die Augen aufschlage und auf den schweigenden Wecker blicke, sehe ich dort die Ziffern 5:00. Hmm, ja, OK, nix mit 4:00. Aber was kann ich gegen 6:00 haben? Das schaff ich und kann dann sogar noch die Tageszeitung lesen. Also den leise aufkommenden Zorn gegen mich selber weggewischt und in aller Ruhe gefrühstückt und Zeitung gelesen. Dann aber raus, noch ein paar Kleinigkeiten wie Geld, Handy, Fahrzeugschlüssel usw. geschnappt und ab in die Werkstatt. Dort steht mein braves Silverstar-Gespann und scharrt bereits mit den Hufen. Alles ist fertig bepackt und verzurrt, nur noch rausschieben, starten und los. Bye bye liebe Gattin, wir sehen uns in ein paar Tagen wieder.
Um 6:00 ist es noch stockfinster im Vogelsberg - und auch verdammt kühl. Deshalb eine gefütterte Jacke an und eine ungefütterte ins Boot gelegt. Das Boot ist übrigens pickepacke voll, an der Mitnahme meines grossen 4-Mann-Zeltes und der Armeeliege bin ich schmählich gescheitert: Nur das kleine Kuppelzelt und die Luftmatratze kommen mit. Peinlich, aber eines ist klar: Mein Boot ist zu klein. Eine Erkenntnis, die mir aber jetzt nicht weiter hilft.
Starten - wenige Minuten vor 6:00 bollert der Rotax mit seinem Guzzi-Auspuff los und weckt mit höchster Sicherheit ein paar Nachbarn. Aber wer liesse sich nicht gern von solch lieblichen Tönen wecken? Jetzt gehts quer durch den Vogelsberg an den Rand der Rhön und ab Neuhof nur noch strack nach Osten. Go, Rotax, go!
40 km weiter, am Rande des Vogelsberges, geht dermassen schön die Sonne auf, dass ich anhalten muss. Glutrot kommt der Planet hinter den Kuppen hervor und verkündet drohend, dass es heute bestialisch heiss wird. Aber noch ist es richtig kalt, was mir sehr entgegen kommt.
Bekannte Landschaftspunkte fliegen und rauschen an mir vorbei - so empfinde ich den Beginn der Fahrt heute: Die scharfe Rechtskurve bei Elpenrod, die Fachwerkkirche in Kestrich, die Schwalmquelle bei Köddingen, der Totenköppel in Meiches, der alte Papp-Polizist in Schadges, die Nanotechnologiefabrik in Hosenfeld, die verzwickte Abfahrt in Neuhof, der Enfieldhändler in Kalbach - und schwupp, bin ich in Döllbach an der B279, die mich nun fast direkt und komplett bis nach Heiligenstadt bringen soll.
Vorbei an Gersfeld/Rhön, lasse die Schwedenschanze links liegen und bin nun bereits im Bayrischen. Bisher ist nicht viel Verkehr, fast keine LKW. Das war im letzten Jahr auf der gleichen Strecke auf der Fahrt nach Sosa ganz anders: Unmengen LKW. Heute fast nix, ein Zeichen der Wirtschaftskrise - ein positives? Muss ein paar Minuten über die unendlichen Wachstumstheorien unserer Gesellschaft nachdenken .......
Hier muss ich einfach kurz anhalten: Schliesslich ist dieses Sulzdorf an der Lederhecke der Ort, an dem Trabbimotorrad Achim alljährlich ein Motorradtreffen anlässlich seiner zweiten Geburt abhält. Hier muss er irgendwo sein Wissen um den Grossen Biker erworben haben. Also eine Kultstätte!
Weiter durchs unterfränkische Grabfeld. Ganz allmählich wirds heiss, was beim Fahren noch ganz OK ist, bei jedem Stop jedoch Kreislaufprobleme bei mir hervorruft. Der kleine Teich bringt leider überhaupt keine Kühlung.
Deshalb nur ein Drink, ein Powerriegel, die gefütterte Jacke kommt ins Boot und ich schlüpfe in die leichte und dünne AJS-Jacke. Besser so, noch schnell ein Foto und wieder den Asphalt der B279 unter die drei Räder genommen.
Hatte nur eine Grobplanung der Route gemacht, aber es war klar, dass ich nicht durch Bamberg fahre. In Breitengüsbach gehts querfeldein - bis zu einer unerwarteten Umleitung. Frage einen Transporterfahrer nach einem alternativen Weg. Er und sein Beifahrer sind offensichtlich Biker und bieten an, mir vorausfahrenderweise eine herrliche Strecke über Scheslitz zu zeigen. Und so geschieht es. Strassen wie auf diesem Bild, Null Verkehr, ein wunderbarer Abschluss der Fahrt. Und ich komme direkt in Heiligenstadt an.
Im Ort sehe ich an einer Abzweigung Clemens (Bausenbeck), wie er gerade MZ-Hinweisschilder anbringt. Mit einem Schraubenzieher im Mund höre ich Clemens meinen Namen rufen und da weiss ich, wo ich abbiegen muss. Hätte aber auch ohne MZ-Schilder geklapt, der Platz ist perfekt ausgeschildert. Also hoch den Berg und die letzten 3 km abgerissen. Ich bin am Ziel!
Angekommen, ich bin am Ziel auf dem Jugendzeltplatz der fränkischen Gemeinde Heiligenstadt. Ein grünes MZ-Gespann steht bereits dort: Die ETZ251 von Matthieu, einem der Organisatoren des Treffens. Wie immer an neuen Orten orientiere ich mich zunächst ein wenig. Aha, Heiligenstadt liegt also in der Fränkischen Schweiz und in Oberfranken, nicht jedoch in Unter- oder Mittelfranken. Und natürlich schon gar nicht in Bayern. Kompliziert!
Ein wunderbarer Ort, völlig ab vom Schuss und inmitten der typisch fränkischen Waldlandschaft. Drei Seiten sind vom Wald umsäumt und eine Seite bietet eine fantastische Aussicht ins bewaldete Mittelgebirge. Ich glaube, hier kann man's aushalten.
Weiter mit dem kleinen Erkundungsgang: Die Sanitäranlagen in einem festen Häuschen im Wald. Alles in bestem Zustand. Wichtig, ohne diese Dinge kann ein Treffen auch mal schnell unerfreulich werden. Aber nicht hier in Heiligenstadt.
Matthieus grünes ETZ-Gespann. Aber dessen Anwesenheit zählt eigentlich nicht, da er ein Funktioner ist. Also bin ich eindeutig der erste Besucher auf dem Treffen. Ist ja auch erst halb elf.
Kann mir also den besten Platz suchen: Schön am Waldrand mit Blick auf bewaldete Hügel der fränkischen Schweiz. Mittlerweile kocht der Planet richtig, es ist sehr unangenehm heiss und ich sehe zu, dass ich mein Zelt aufbaue. Muss ein wenig nachdenken: Wie war das noch? Aber dann klappts und ruckzuck steht das Domizil für die nächsten Tage.
Bin kaum fertig, da trifft der nächste Besucher ein: Wolfgang (Paule56) mit seinem erst vor wenigen Tagen fertiggestellten Rotax-Gespann. Wolfgang nimmt das Plätzchen direkt neben meinem Zelt. Aber erst mal eine rauchen, dann wird schnell das Zelt aufgebaut. 2 Stunden später raucht Wolfgang dann immer noch, wir reden über Gott und die Welt, aber das Zelt liegt noch platt neben dem Gespann.
Besucher Nr. Drei: Stegro mit der TS 250/1. Der hat sein Zelt dagegen in kürzester Zeit aufgebaut, während Wolfgang immer noch die letzte Zigarette durchzieht.
Aber irgendwann, nach der wirklich allerletzten Zigarette, stehen dann alle drei Zelte: Mein Aldi-Kuppelzelt ......
.... Stegros luxuriöses Riesenzelt .......
.... und selbst Wolfgangs Kuppel in dezenten Brauntönen. Dass bei der Aktion eine der Fiberglasstangen gebrochen ist, macht ein wenig missmutig. Das Zelt hat dadurch aber den Stil spätgotischer Quedlinburger Stadthäuser. Immer ein Stück Heimat dabei.
Während unserer stundenlangen Quatschereien, Schmauchereien und den kurzen Zeltaufbauunterbrechungen hat das Orga-Team ein gewaltiges Rotkreuzzelt auf die Stangen gestellt.
Weitere Organisatoren des Treffens: Martin H. und Gattin Katrin. Der gemeinsame Zeltaufbau ist von konstruktiven Dialogen der beiden begleitet.
Das ist Martins Silverstar mit mittlerweile 113.000 km auf der Uhr. Aber jetzt ist ein Schaden aufgetreten .....
.... und zwar eine Undichtigkeit an der Handbremspumpe. Wenn das nicht mal ein Fall für die berühmte MZ-Kulanzabteilung ist. Mit der Silverstar wird Martin morgen eine der 3 Touren anführen - aber ohne Bremse? Gemach, Hilfe ist unterwegs.
Wir Besucher sind mittlerweile weiter vorgedrungen und haben das logistische Zentrum des Treffens entdeckt: Überdachte Plätze, eine perfekte Küche, ein Grillplatz mit Dach. Wunderbar, denn am Freitag soll es Regen geben.
Schraubi mit seiner schön umgebauten Rotax trifft ein. Aber auch er ist kein Besucher, sondern organisiert zusammen mit Bausenbeck, Martin H., Matthieu und weiteren Helfern das Geschehen. Aber mit reinem Organisieren ist es nicht getan, es muss überall kräftig mit angefasst werden. Und alles zum Wohle der Foristi!
Unter einem Baldachin steht verhüllt die berühmte Forumsemme FE1. Keines gewöhnlichen Sterblichen Blick darf diese Wunderemme vor der Zeit sehen.
Das werden für die nächsten Tage unsere Grundnahrungsmittel sein. Von besonderem Interesse ist das einheimische Kanone-Bier, und davon speziell das Zwickl. Stegro trinkt sofort eines davon, aber Wolfgang und ich beschliessen, uns an die alte Maurerweisheit: "Kein Bier vor Vier" zu halten. So machen wir das während des gesamten Wochenendes, aber um 4:00 greifen auch wir zum Zwickl. Sehr gut, Zwickl von Kanone erhöht das Wohlbefinden.
Aufgrund meines Gejammers erbarmt sich einer der Funktioner und deckt die Forumsemme ab. Tja Leute, so sieht sie aus, sehr schön geworden, ohne überrestauriert zu wirken. Wie komme ich an diese Emme? Wahrscheinlich überhaupt nicht, denn ich gewinne (fast) nie was vernünftiges.
Langsam laufen weitere Gäste ein: Cheffe Andreas und ETZChris sind beide mit ihren Japanern gekommen. Sind recht exotische Yamaha XZ550, aber ich muss der Wahrheit die Ehre geben und gestehen, dass mir die V-Twins ganz gut gefallen. Die beiden Piloten allerdings sind rechtschaffen platt: Die glühende Hitze hat sie zermürbt. Zwar hätte man sich durch Entfernen diverser Funktionsbekleidungsstücke etwas erleichtern können, aber das wurde in der Hitze vergessen.
Katrin ist leider nur kurzzeitiger Gast und muss das Treffen noch am gleichen Tag verlassen.
Die beiden Erfurter Colossos10 und und Mueboe. Colossos diesmal mit einer sehr schicken Skorpion Traveller. Mueboe ist einer der ETZ-Treiber mit einem von Lang getunten Motor, nämlich von der Firma LM (Lang Motorenentwicklung).
Motorradfahrerwill Kurt und Magsd laufen vor dem Zeltaufbau das Logistikzentrum an - könnte mit dem Kanone-Bier zu tun haben. Ach ja: Magsd ist der zweite mit einem von Lang getunten Motor, diesmal aber LT (Lang Tuning). Beide Eigner schwören auf ihre Motörchen.
Nach der völlig unproblematischen Anreise aus Erfurt gibt es auf den brandgefährlichen 150 m zwischen Logistikzentrum und Zeltplatz ein kleines Malheur für die Skorpion von Colossos10. Aber nix Schlimmes!
Shadow-Witch Gabi engagiert Wolfgang und mich für den Zeltaufbau. Alleine wäre dieses Riesending aber auch wirklich nicht aufzustellen gewesen. Jetzt gehts an die Inneneinrichtung, und das überlassen wir Gabi allein.
Angemessen: Cheffe Andreas mit einer edlen Luftmatratze in Samt und Seide. Aufgepumpt werden muss sie aber auf die gewöhnliche Art und Weise.
Ankunft der ersten Südwestler: Trabbimotorrad Achim und Cbronson Andy.
Achim hat nur ganz kurz Zeit für die Begrüssung: Die mitgebrachten Maultaschen müssen artgerecht untergebracht werden. Diese Massnahme duldet keinen Aufschub.
Der Rotax-Spezial-Reparaturdienst in Form von Martin H.'s Vater bringt alle notwendigen Dichtungen für die defekte Bremspumpe von Martin. Die Reparatur klappt und der Ausfahrt am Samstag steht nichts mehr im Wege.
Der Zeltplatz bietet eine Aussichtsplattform mit den typischen Felsformationen der Fränkischen Schweiz.
Unten im Tal liegt das Städtchen Heiligenhaus. Das werde ich mir anschauen, morgen ... oder auch übermorgen. Ich spüre, wie die Stille und Harmonie des Ortes auf mich überspringt. Zeit spielt hier fast keine Rolle mehr.
Ungewöhnlich auf einem MZ-Treffen ist diese Ducati. Aber schööööön!
Muffel Uwe erreicht zu kühlerer Stunde das Treffen. Muffels Geschichten über kleine Ereignisse während seiner diversen Auslandsaufenthalte sind hörenswert - für mich besonders die Geschichte seines Besuches der Motorradwerke in Izhewsk.
Lorchen auf TS250/0 und 2TaktPit mit der der ETS erreichen gewohnt unproblematisch den Ort. Später entstehen wieder brisante technischen Diskussionen zwischen den beiden Cracks. Spektakulär entwickelt sich ein Fachgespräch über die Schaltbarkeit von MZ-Viergangmotoren und die notwendigen Schaltschuhe dafür.
Magsd wird uns am Samstag abend von seiner abenteuerlichen Nordkapreise mit der kleinen ETZ berichten. Eine Gruppe Holländer auf schweren Zweirad-Boliden hat er auf der Reise jeden Abend wieder eingeholt - wirklich jeden Abend.