Der gestrige Feiertag: Völlig verregnet; der freie Tag vorher ebenfalls. Aber heute, an diesem Freitag, der ein Brückentag und damit frei ist, heute siehts sehr gut aus. Die Wettervorhersagen sind auch nicht schlecht und ich muss unbedingt mal wieder eine etwas grössere Gespannrunde drehen. Am Dienstag hab ich noch mit meinem Kollegen über mögliche Touren in Hessen diskutiert und seitdem ziehts mich mit aller Gewalt mal wieder in den Kellerwald.
Hab ja vor längerer Zeit schon mal geschrieben, wie gern ich den Kellerwald mit einem meiner Oldies befahren möchte. Daran muss ich auch heute wieder denken und stelle mir viele Stellen mit der 175er Jawa, der 350er Junak oder mit Kathy, der TS 250/1 vor. Der Haken dabei ist, dass keines dieser Motorräder fertig und fahrbereit ist. Muss also damit noch warten, aber das Rotax-Gespann ist keinesfalls nur ein müder Ersatz für meine leichten Kräder. Im Gegenteil habe ich damit heute sehr viel Fahrspass und so gesehen ist es auch das richtige Fahrzeug für die Kellerwaldtour.
Am Vormittag wird gestartet und wie meist nehme ich den Weg durch den Kirtorfer Wald und Neustadt. Damit ist bereits die Anfahrt von ca. 60 km ein reiner Fahrgenuss. Das längste Stück ohne Kurven dürfte diese Gerade kurz vor Wahlen sein. Da fällt mir auch erstmalig heute auf, wie stark der Wind ist - richtige Sturmböen. Also etwas runter mit dem Tempo.
Bei Lischeid gehts für wenige Kilometer auf die B3 und dann hinter Gilserberg links ab in den Kellerwald. Nun beginnen die winzigen und teilweise sehr schlechten Strässchen sowie die stark bewaldeten Berggipfel. Ich bin im Kellerwald!
Ein zeitlang fahre ich am Rande des Kellerwaldes entlang und habe hier die Gemündener Senke vor mir. Aber dann heisst es ab in Richtung Haina, und das ist wieder Kellerwald pur.
In Haina fahre ich auf das Gelände des Psychiatrischen Krankenhauses, weil dort auch das historische Kloster liegt. Hier ist das schöne Gebäude zu sehen. Auf dem Gelände befinden sich weitere sehr schöne und historische Gebäude, unter anderem auch ein Tischbein-Museum. Was hat der Maler Tischbein hier zu suchen?
Kurz hinter Haina, in Richtung Battenhausen, halte ich auf diesem winzigen Strässchen, weil rechts im Wald ein See glitzert.
Kaum zu erkennen ist der dunkle Waldsee, der sich in Kaskaden in mehrere Gräben ergiesst.
Über die kleine Brücke kann ich direkt in den See laufen. Der ideale Ort für eine Tragödie: Wer hier ins Wasser gehen will, hat's leicht. Gute Voraussetzungen für einen gelungenen Abgang. Seltsam makabere Gedanken, aber im mystischen Kellerwald kommen solche Anwandlungen schnell.
Nun gerate ich in Richtung Bad Wildungen und bin hier auf einer Anhöhe bei Amsfeld. Von hier verläuft eine unglaubliche Strasse nach Bergfreiheit, die ich heute aber nicht nehme. Die Strecke ist aber wohl in Fachkreisen bekannt, denn eine grössere Gruppe Motorräder brummt langsam unten an mir vorbei.
Nach meinem Empfinden geht hier der Kellerwald ganz allmählich ins Ederbergland über. Das tut der Schönheit der Gegend keinen Abbruch, aber es scheint ab hier ein bischen wilder zu werden.
Noch schnell ein Foto des Gespanntreibers geschossen und dann fahre ich zurück nach Battenhausen. Das Hohe Lohr zieht mich an, die zweithöchste Erhebung im Kellerwald.
Und nach wenigen Kilometern ist das Hohe Lohr bereits zu sehen, unverkennbar durch den (ehemaligen) Fernsehturm. Vor vielen Jahren waren Bruder Sigi und ich mal mit 2 Maicos ganz oben am Turm, aber heute sind alle Zufahrten für den Verkehr gesperrt. Müsste also zu Fuss hoch gehen ......
Der jetzt geschlossene Lift sagt, dass hier im Winter richtig Ski gefahren wird. Der Skilift führt durch eine breite Schneise im Wald aufs Hohe Lohr. Fast ein wenig alpin!
Da haben wir wieder unseren Künstler Tischbein, dem ein Wanderweg gewidmet ist. Aha, ein Spross der weit verzweigten Künstlerfamilie kam aus Haina. Daher weht also der Wind.
Inspiriert durch Wilhelm Tischbein versuche ich ein künstlerisches Motiv mit der Kamera zu erfassen. Erkennt jemand die gewagte Kombination aus Natur und Technik, versinnbildlicht durch das Blatt und ein Stückchen Goretex?
Wesentlich attraktiver als mein jämmerlicher Kunstansatz ist dieser Hengst auf einer blumigen Wiese am Fusse des Hohen Lohrs. Sieht aus wie eine Nachzüchtung der berühmten Przewalsk-Pferde, der mongolischen Wildpferde.
Weiter nach Haddenberg in die Nähe der keltischen Kultstätte. Herrlich unprofessionell dieses Schau-ins-Land-Schild, aber mir ist sowas lieber als eine kommerzielle Hinweistafel mit Danksagung an alle Sponsoren und Werbung.
Das ist ein möglicher Blick vom Schau-ins-Land in Richtung Ederbergland. Fast keine Zeichen der Zivilisaion sind zu erkennen und ich stelle mir vor, wie es hier aussieht, wenn unsere Rasse es geschafft hat, sich komplett auszulöschen. Ha, das sind sie wieder, die seltsamen Gedanken im mystischen Kellerwald.
Am Zufahrtsweg zum Wüstegarten, dem höchsten Berg des Kellerwaldes, banne ich meinen Rotax samt Treiber auf die Linse und hoffe, damit etwas von der Keltenmystik auf uns zu übertragen.
So ist es heute den ganzen Tag: Mal sonnig, dann verdunkeln Wolken den Himmel, es fallen auch mal ein paar Tropfen und es stürmt ziemlich. Die Temperaturen sind gemässigt, das Futter muss in der Jacke bleiben. Insgesamt das ideale Wetter für mich.
Über Moischeid und Gilserberg gehts nun zurück in den Vogelsberg, nicht ohne in der Schwälmer Bäckerei in Gilserberg noch einen ordentlichen Kucheneinkauf zu tätigen. Hier bin ich schon wieder am Rande des Vogelsberges in der Nähe von Arnshain.
Die obligatorische letzte Rast vor der heimischen Werkstatt gibt es im Kirtorfer Wald bei der kleinen Schutzhütte. Heute ist der wilde, dazugehörige Garten besonders schön.
Und zum ersten mal seit 3 Jahren bin ich nicht allein an der Schutzhütte. Ein älterer Herr hat sich zu einer Vesper niedergelassen. Wir stören uns nicht weiter und nach kurzer Pause fahre ich die letzten 20 km bis nach Hause. Das waren dann heute gute 200 km Kellerwaldtour, die ich sehr genossen habe.