Heute ist einer der Tage, die ich am liebsten vergessen würde: Mein Geburtstag. Verdammt, wieder ein Jahr älter und tatsächlich fühl ich mich auch so: Gealtert! Um dem Trubel in der Firma zu entrinnen, hab ich mir an diesem Montag frei genommen und da das Wetter besser aussieht als die Vorhersage, schwing ich mich gegen 9:00 aufs Silverstar Gespann. Vielleicht kann ich ja mithilfe des Rotax meinen Gedanken eine andere Richtung geben als die Vergänglichkeit des Seins. 57 Jahre, was für ein Scheiss-Alter! Versuchen wir ein Gegenmittel mit einer 300 km Geburtstagfahrt.
Fahrten an Wochentagen haben schon etwas, besonders auf den kleinen Strässchen dritter Ordnung, die ich bevorzuge. Da ist wirklich sehr wenig los. Auf den Bundesstrassen siehts schon anders aus: Moderne Logistik müllt diese Routen mit dem Schwerverkehr gnadenlos zu. Ich werde heute über Lich zunächst nach Linden fahren. Dort haben wir einen Hein-Gericke und einen Polo Shop und ich suche dringend nach einem Tankrucksack für den etwas seltsam geformten Acerbis Tank des Gespanns. Und nach den Shop-Besuchen werde ich mich einfach ein wenig treiben lassen – der Weg ist das Ziel und die Hauptsache ist das Fahren.
Undeutlicher Blick auf Lich aus dem Wald von Burkhardsfelden heraus. Auf dem Weg nach Linden überraschen greusliche Umleitungen, die mich eine geschlagene halbe Stunde kosten. Und das schlimmste .......
.... in beiden lausigen Shops gibts keinen passenden Tankrucksack für meinen gekrümmten Kunststofftank. Nur noch Magnet- oder Spezial-Clip-Befestigungen an der Tankdeckelverschraubung. Enttäuschend! Also ohne Ergebnis raus aus dem Lindener Moloch und erst mal ein Stück in die Wetterau hinein. Die ist hier wirklich wie aus dem Bilderbuch: Topfeben und langweilig. Aber es gibt natürlich auch wunderschöne Ecken hier.
Grossräumig schwenke ich zurück in Richtung Vogelsberg und passiere auf der Limes-Strasse das herrliche Hofgut Güll. Die nächsten 25 km bis weit hinter Nidda bewege ich mich auf schrecklich befahrenen Bundesstrassen. Könnte natürlich irgendwo abbiegen, aber ich will die Übung nicht verlieren und nicht vergessen, wie nervig es ist, von den PKW und Kleinlastern auf den Bundesstrassen geschoben und gehetzt zu werden.
Bis zum Niddaer Stausee bleibe ich auf Bundesstrassen und mache zum ersten mal in meinem Leben einen Stop an diesem See. Er gilt als gut besuchtes Örtchen für maritime Freunde aus dem Umland von Wetterau und Vogelsberg. Schauen wir uns das Drama mal an, ein Vergleich mit dem Edersee drängt sich zunächst auf.
Aber dieser Vergleich hinkt und ist eine Beleidigung für den Edersee. Der Niddaer Stausee ist nur ein sehr kleines Gewässer, das mit Gewalt in ein maritimes Ausflugsziel gepresst wurde. Fast ein wenig lächerlich, wie die Betreiber es schaffen, diese Pfütze zu kommerzialisieren. Aber immerhin ist die Currywurst mit Pommes vom Stausee-Imbiss sehr gut.
Und mit dem Stausee ists noch nicht genug: Jetzt treibe ich das Gespann auf den höchsten Punkt des Vogelsberges, den Hoherodskopf. Ein ähnliches Touristenziel und vielleicht noch mehr überlaufen. Nach 30 Jahren im Vogelsberg schaue ich mir diese Touristenmekka erstmalig so richtig an. Aber ehrlich: Lange halt ich es da nicht aus.
Jetzt den hohen Vogelsberg hinab und über Lautertal nach Lauterbach zum Nachtanken. Suche dort nach einem Motorradladen um doch noch zu einem Tankrucksack zu kommen, aber den Laden gibts wohl nicht mehr. Dann weiter durchs Schwalmtal bis zu diesem Parkplatz zwischen Storndorf und Meiches.
Auf diesen Parkplatz habe ich vor über 20 Jahren meine erste Probefahrt mit der frisch restaurierten Adler M100 gemacht. Was damals fast eine Weltreise war, geht mit dem 500er Gespann natürlich deutlich flotter. Kein Wunder: 4,5 gegen 34 PS. Damals habe ich leider keine Fotos gemacht, das wird heute nachgeholt.
Trotz der Tatsache, dass es Mitte August ist, also Hochsommer, erscheint mir heute alles schon leicht angeherbstet. Das gilt sowohl für die Landschaft, die Luft als auch für meine Stimmung. Der Herbst kommt!
Und weiter in Richtung Ullrichstein auf diesen hohen Punkt zwischen Stumpertenrod und Unterseibertenrod. Sehr schönes Fleckchen! Hier verweile ich 35 Minuten und es kommt nicht ein Fahrzeug vorbei.
Mein letzter Schwenk heute geht über Homberg und bei Wäldershausen verlasse ich die Strasse und komme an die Ohm. Die fliesst zwar auch direkt hinter unserem Haus vorbei, aber hier wirkt sie doch etwas unberührter. Ob das da hinten ein Biberdamm ist?
Einsame kleine Stallung. Bei solchen Gebäuden möchte ich am liebsten direkt einziehen und das Leben eines MZ-Eremiten führen. Aber halt, Reality Check und zurück in die harte Wirklichkeit. Nach über 300 km gehts jetzt nach Hause. Immerhin hat die Tour es geschafft, meine Gedanken etwas in eine andere Richtung zu lenken.