Nach der äusserst gelungenen Gespannfahrt vom letzten Wochenende in den südlichen Vogelsberg habe ich mich ja entschlossen, diese Gegend häufiger heimzusuchen. Und obwohl die Wetterprognose für den heutigen Sonntag eher durchwachsen ist, entschliesse ich mich zu einem Ausritt. Aber das Gespann bleibt stehen, denn heute geht’s solo in den südlichen Vogelsberg.
Habe eine schlechte Nacht mit chaotischen Träumen, in denen erschreckend häufig meine Job vorkommt, ein Motorrad hingegen überhaupt nicht. Und auch der Kreislauf scheint am frühen Morgen noch etwas zu schwächeln. OK, es ist immerhin noch nicht einmal 6:30, als ich den Rotax zum Leben erwecke, da wird ja der müde Kreislauf noch irgendwann in Schwung kommen. Es ist recht kühl, die Strassen sind sehr nass vom nächtlichen Regen und trocknen zunächst aufgrund der extrem hohen Luftfeuchtigkeit überhaupt nicht. Irgendwie fahre ich die erste Stunde reichlich wackelig, aber ich kämpfe mich durch und allmählich wird die Sache besser.
Gegen 9:00 sind fast alle Strassen trocken, Regen bekomme ich fast gar nicht ab, der Kreislauf stabilisiert sich – es kommt doch noch richtiger Fahrspass auf. Während der ersten 3 Stunden gehört die Strasse mir auch quasi allein, habe also keine Zeugen für mein anfängliches Herumgeeiere.
Atzenhain, Lehnheim, Weickartshain, Freienseen, das Horlofftal - heute will ich nur schnell durch und werde die ersten 70-80 km nicht anhalten - das ist der Plan. Aber ein hübscher Regenbogen im Horlofftal zwingt mich dann doch zu einer Mini-Foto-Pause. Es geht jedoch sofort weiter in den Wetteraukreis, um dann noch einmal in den Zipfel des Vogelsberges bei Eichelsachsen einzutauchen.
Bindsachsen, Kefenrod und schon gehts wieder los mit den weissen Flecken auf meiner persönlichen Landkarte. Immer weiter südlich lasse ich mich treiben und finde mich plötzlich in der Altstadt von Wächtersbach wieder. Soll eigentlich ein schmuckes Städtchen sein, aber ich bin nicht wirklich begeistert. Kann aber gut sein, dass mir um diese Zeit noch nichts so richtig gefällt.
Jetzt gehts ein Stückchen die Barbarossastrasse entlang in Richtung Gelnhausen. Ich möchte eigentlich weiter über Biebergemünd in den Hessischen Spessart und dann Richtung Bayern, aber eine Vielzahl von Umleitungen machen mir einen Strich durch die Rechnung. Hier nahe Haitz bin ich völlig desorientiert und lande beinahe in Gelnhausen und Linsengericht. In letzter Sekunde gelingt es mir, wieder in eine bekannte Richtung zu kommen: Ins Brachttal.
Das Brachttal im Main-Kinzig-Kreis ist eine sehr angenehme Ecke mit vielen Tälern und Auen. Markante Bäume wie diese beeindruckende Eiche finden sich recht häufig. Und der Verkehr ist wieder herrlich dünn geworden. Diese Wächtersbach/Gelnhausen-Ecke war nix für mich, aber jetzt passt wieder alles.
Tief im Brachttal nahe dem Ort Neuenschmitten finde ich ein nettes Plätzchen für meinen Schock-Riegel und sehe, dass dies hier ideal für ein kleines Video mit der Silverstar ist. Wie üblich drehe ich eine Kickstart-Session und wie üblich springt der Rotax nicht beim ersten mal an - was mir sonst fast immer gelingt. Nur nicht, wenn ich ein Filmchen mache.
Hier das Silverstar-Filmchen:
Plötzlich lautes, aber sonores und angenehmes Motorengeräusch - produziert von diesem Fiat 500. Ist ein "echter" 500er, kein Retro-Fiat, aber dieses Geräusch kann nur von einem Abarth-getunten Motor kommen. Und der kleine graue Flitzer schiesst vorbei wie ein Blitz. Klasse!
Über Steinau an der Strasse ziehe ich weiter ins Kinzigtal. Mittlerweile kenne ich die Gegend dort schon ein wenig und mir gelingen sehr gute Routen wie diese in Richtung Wallroth. Beim Anblick der herrlich langen und flachen Feldscheune denke ich sofort, wieviele Ostböcke ich hier unterbringen könnte. Leider passt der Standort nicht, aber die Bauform ist ideal.
Hinten am Horizont die bekannte Silhouette der grossen Kalihalde von Neuhof. Bei deren Anblick weiss ich sofort, wo ich (ungefähr) bin und bewege mich jetzt ein wenig im Grenzgebiet der Kreise Fulda, Vogelsberg und Main-Kinzig.
Irgendwo zwischen Hof und Haidt und Buchenrod entdecke ich weit abgelegen diesen hübschen Ruheplatz mit Bank, den ich ansteuere. Der Ort inspiriert zu einem zweiten Video, mit dem ich nachweisen werde, dass der Rotax ein "One-Kick-Wonder" sein kann - aber es misslingt wieder. Aber auch zu diesem Versagen stehe ich!
Mein One-Kick-Wonder-Versuch:
Der Platz ist nicht ohne Grund als Aussichtsplattform eingerichtet! Der Blick ist trotz des leicht diesigen Wetters grandios und Du kannst bis weit in die Kuppige Rhön hinein sehen. Wäre ich besser drauf, würde ich heute noch bis in die Schwarzen Berge bei Mellrichstadt fahren.
Ein geschlagenes halbes Stündchen halte ich an diesem schönen Flecken aus und spüre, wie ich mich danach besser fühle.
Nach der geballten Ladung an Mittelgebirge, Tälern, Bergen und Auen spüre ich ein wenig Lust auf Wasser und besuche daher den Nieder-Mooser See. Der bietet inzwischen durchaus ausreichend Marina-Gefühl - zumindest für einen Mittelgebirgler. Der Küstenbewohner hingegen wird sich mit Grausen abwenden.
Und auch meine Blümchen will ich heute nicht völlig vergessen - aber zu mehr als diesen gelben und blauen Winzlingen reicht es nicht. Eher beachtenswert die Alu-Felgen und VA-Speichen an der Silverstar sowie die BT45 Reifen. Die kommen mir aber heute gar nicht mehr so toll vor: Das Motorrad wirkt unhandlicher als mit den alten Heidenau-Reifen. Entweder ist mein Fahrempfinden heute leicht gestört (durchaus nicht unwahrscheinlich) oder Bridgestone hat die Reifenmischung geändert und verschlechtert. Muss ich verifizieren - bei der nächsten Fahrt.
Letzter Stop des Tages an einem meiner Lieblingsorte im Vogelsberg, der Mini-Toskana. Keine Ahnung, was mich hier an die Toskana erinnert, aber es ist so. Umso erstaunlicher, als ich noch nie in der Toskana gewesen bin. Jetzt bin ich beinahe wieder zuhause, gerade noch pünktlich zum Mittagessen. Die 300 km haben mich prima aufgebaut und für den Rest des Sonntages ist Chillen angesagt.