David vs. Goliath oder Rotax vs. BMW

Gerhard Vesulak erzählt die schöne Geschichte eines siegreichen Rotaxmotors:


Hallo Bernhard,

habe im „Motorradmagazin“, die neben dem „Reitwagen“ größte Motorradzeitschrift in Österreich und vom Format mit der deutschen MO vergleichbar, eine recht amüsante Geschichte gelesen. Zumindest dann amüsant, wenn man nicht gerade ein BMW-Freak ist. Ich hoffe, dass Du sie nicht schon kennst.

Es geht dabei um das wahrscheinlich spektakulärste Bergrennen der Welt, das Rennen auf den Pikes Peak im Bundesstaat Colorado. Dabei werden die Fahrzeuge, Autos und Motorräder, möglichst rasch über eine ca. 20 Kilometer lange Strecke über 165 Kurven auf den 4.303 (!) Meter hoch gelegen Gipfel getrieben. Immerhin hat auch der legendäre Walter Röhrl vor genau 20 Jahren mit einem 600 PS starken Audi Quattro einen, jahrelang gültigen, Streckenrekord aufgestellt.
Auch wenn in der Zwischenzeit leider ein großer Teil der Strecke bereits asphaltiert wurde, gibt es noch immer lange Schotterpassagen.

Da im letzten Jahr BMW in der Motorradklasse nur außer Konkurrenz teilgenommen hat, wurde vom Motorsportverantwortlichen der Bayern eine eigene Klasse bis 1200 ccm angeregt und von den Veranstaltern auch gerne eingeführt. Um nun ja nichts dem Zufall zu überlassen, wurden gleich die Sieger der letzten Jahre verpflichtet um mit dem Besten aus dem Hause BMW, der HP 2 Megamoto (1200 ccm und deutlich über 100 PS) ausgerüstet. Ein Wehrmutstropfen war, dass der Lieblingsgegner KTM mit den großen Zweizylindern (am „steirische Pikes Peak“, dem Erzberg, hatte ja bisher BMW die Nase vorne) nicht nach Colorado gekommen ist.

Das nun BMW die große Klasse gewinnen würde, war nicht zu bezweifeln, waren doch alle anderen Konkurrenten in der Klasse 750 ccm oder kleineren Klassen unterwegs und fast ausschließlich mit nur einem Zylinder ausgestattet. Somit war klar, dass das leistungsmäßig haushoch überlegene blau-weiße Team alles in Grund und Boden fahren, einen neuen Streckenrekord aufstellen und die Podestplätze untereinander aufteilen würde.
Und so kam es dann doch nicht.

Schuld daran war ein gewisser Davey Durelle. Der zwar nur ca. 160 cm große und leichtgewichtige Amerikaner und mit 42 Jahren nicht mehr der Jüngste, hat das Rennen immerhin bereits 10 mal gewonnen und stellte sich der Übermacht entgegen. Dazu griff er zu einer „Geheimwaffe“ – seiner Siegermaschine aus dem „vorigen Jahrhundert“ – eine Ron Wood Rotax Bj. 1985 und der eigentliche Grund warum ich Dir darüber berichte.

Im Grunde ist dies der selbe Motor, der in deinen MZ eingebaut ist, nur mit 600 ccm und auf 65 PS leistungsgesteigert. In der SOS-Rennklasse haben diese Motoren, mit einem DOHC-Kopf sogar an der 90 PS-Marke gekratzt.

Und dieser Davey Durelle zeigte nun den Bayern „wo der Bartl den Most holt“ (wie man in der Steiermark zu sagen pflegt). Er driftete durch die Kurven und trieb den ehrwürdigen Rotox mit einer fabelhaften Zeit den Berg rauf, nahm mit einer Zeit von 11:41:756 dem zweitplatzierten Gary Trachy auf dessen BMW HP2 Megamoto noch 5 Sekunden ab und gewann, wenn man die besten Zeiten nimmt (eine Gesamtwertung gibt es nicht, sondern nur Klassenwertungen), vor vier Landsleuten, die alle auf der Megamoto angetreten sind. Das Ergebnis erinnert stark an „David gegen Goliath“ und die Gesichter bei BMW sollen jedenfalls sehr lang gewesen sein.

Wenn Du also bei der nächsten Gelegenheit vor Deiner Silver Star stehst, „halte inne und betrachte den Motor mit Ehrfurcht“, denn er ist noch immer ein echter Siegertyp.

Weitere Fotos sind auf www.ppihc.com abrufbar.

Mit den besten Grüßen aus der Steiermark
Gerhard

Als kleine Ergänzung zur Geschichte über das Pikes Peak-Rennen noch ein besonders schönes Foto vom „europäischen Pikes Peak“, dem Erzberg in der Obersteiermark. Während es beim Erzbergrodeo am 3. Tag über Steilhänge, Geröllfelder und durch den Wald zum Gipfel geht (das ist die pure Brutalität und nur ganz wenige der 500 Qualifizierten schaffen es), erfolgt der Gipfelsturm an den Vortagen über die Trassen wie bei einem Bergrennen. Dabei kommt es zu einem beinharten Wettkampf zwischen den besten Fahrern der Welt. Auch die Stimmung im Fahrerlager ist toll und am Abend geht’s rund. Wenn auch die Profis mit Werksunterstützung anrücken, kann natürlich auch jeder Hobby-Fahrer ebenfalls daran teilnehmen. Eine gute Kondition und ein intensives Training wären unbedingt zu empfehlen.

Übrigens hat es einige Jahre lang sogar eine Gespannklasse gegeben.
Nähere Informationen gibt’s auf www.erzbergrodeo.at.