Berichte von alltäglichen Erlebnissen mit meinen Motorrädern
27.3: Corniche des Cevennes
In dieser Nacht hören wir alle den Regen aufs Dach prasseln und ab und zu rüttelt auch eine Sturmboe an den vielen Erkern und Vorsprüngen des Steinhauses. Daher erwarten wir von dem kommenden Tag rein klimatisch betrachtet nicht sehr viel. Und tatsächlich scheint der erste Blick aus dem Fenster die Vermutung zu bestätigen, dass es heute eher mäßig mit dem Wetter wird.
Sieben Uhr: Der erste Blick aus dem Fenster verheißt nichts Gutes. Dennoch verlasse ich das behagliche Bett und schaue mir das Ganze etwas genauer an.
Von den Berggipfeln ist nichts zu sehen, alles liegt unter einem dichten Nebelschleier. Die Luft ist noch feucht, aber es ist nicht kalt.
Von den gestrigen Gesprächen mit Jean-Pierre wissen wir, daß das Wetter in den Bergen sehr schnell umschlagen kann und dass eigentlich auf nichts so richtig Verlaß ist, besonders nicht auf den Wetterbericht.
Die Motorräder sind beschlagen und mit Morgentau überzogen.
Während ich so um Mas Juesol herumstreune, ändert sich der Himmel und es gibt ein Loch in der dichten Wolkendecke: Die Sonne! Sollten wir doch Glück haben und einen schönen Tag bekommen? Ich kann’s noch nicht recht sagen.
Auch Hubert ist wach und macht sich auf den Weg hinunter nach Anduze, um alles Notwendige für unser französisches Frühstück zu organisieren.
Inzwischen habe ich den Kamin angefeuert und bald darauf ist Hubert vom Einkauf zurück. Jetzt wird gefrühstückt, und zwar lange und ausgiebig.
Und siehe da: Nach dem Frühstück ergibt der Blick aus dem Fenster ein solches Bild: Strahlende Sonne verspricht erneut einen wunderbaren Tag. Wir lieben das Wetter in den Bergen!
Das Ziel des heutigen Tages ist Florac, wobei weniger die Stadt von Interesse ist, sondern vielmehr der Weg dorthin. Der führt nämlich über den Corniche des Cevennes, also den Kamm der Cevennen. Dabei werden wir zu großen Teilen im Nationalpark Cevennen fahren. Die ersten Kilometer kennen wir noch von der Fahrt nach St. Jean du Gard und danach wird die Gegend immer wilder und einsamer.
Glasklare Flüsse und Bäche säumen unseren Weg, hier ist nichts von Umweltverschmutzung zu sehen.
Es ist spürbar: Wir gewinnen an Höhe. Dabei wird es kühler, der Verkehr lässt noch mehr nach und die Vegetation wird karger. Fahrerisch ist die Strecke unglaublich: Kurve an Kurve, bis hin zu Spitzkehren und Serpentinen. Wir schwelgen im Fahrgefühl.
Ein Stückchen der Route entlang des Corniche des Cevennes haben wir gefilmt.
Nach einem harten Ritt gibt es alles mögliche, nur keine Zigarette.
Neulich in den Rocky Mountains …..
Auf rund 1200 Höhenmetern fühlen wir uns wie am Ende der bekannten Welt. Aber halt: Tief im Tal sind noch Spuren menschlichen Lebens zu sehen.
Die kleine Ansiedlung verkörpert Huberts Traum: In so einer Ansiedlung mit mehreren Generationen nachhaltige Landwirtschaft betreiben.
Den Weg hinunter nach Follaquier muten wir unseren etwas übergewichtigen Donnervögeln nicht zu: Da wäre eine Enduro das Maß der Dinge.
Auch ein Stückchen der Straße bis Follaquir haben wir gefilmt.
Mittlerweile herrscht hier außer uns überhaupt kein Strassenverkehr mehr. Einerseits sehr schön, andererseits könnte es aber auch bedeuten, dass ein früheres Warnschild doch auf einen geschlossenen Tunnel hingewiesen hat.
Und so ist es tatsächlich: Der Tunnel ist wegen Bauarbeiten geschlossen. Nun wären wir mit den Motorrädern sicher dort durch gekommen, aber der Lärm von Baumaschinen hält uns vom Versuch ab. Also ein paar Kilometer zurück und dann die Umleitung genommen.
Und welch ein Glück, diese Umleitung genommen zu haben! Diese Strecke ist zwar wesentlich länger als die Tunneldurchfahrt, aber von atemberaubender Schönheit. Die schmale Straße fällt steil ab ins Tal und ist voller Spitzkehren. Ein Traum!
Grandiose Bergwelten! Nichts gegen unseren heimischen Vogelsberg, aber dieses majestätische hat er nicht.
Auf dieser Route hätte ich alle 5 Minuten anhalten und fotografieren können. Aber das konnte ich meinen Begleitern natürlich nicht zumuten.
Mitten im Nichts dann diese Anlage, vermutlich ein Kloster. Menschen sehen wir hier nicht, aber die Häuser und Stallungen sind gut in Schuß.
Diese Route, also der erzwungene Umweg, ist einfach nur genial. Trotz enger Kurven und Serpentinen machen unsere etwas übergewichtigen Engländerinnen hier sehr viel Spaß. Und der Schnee täuscht: Es ist nicht wirklich kalt, die Temperaturen sind wahrscheinlich immer noch zweistellig.
Daß der Film an einigen Stellen stark wackelt, liegt an der Befestigung der Kamera: Sie wurde mittels eines kleines Astes als Füllmaterial am langen Spiegelarm befestigt.
Aufgrund dieser Felsformationen hat der Landstrich seinen Namen Corniche des Cevennes erhalten: Ein steinerner Kamm.
Nun erreichen wir das Städtchen Florac mit seinem hübschen Zentrum. Aber wir haben eine todsichere Methode entwickelt, Restaurants, Cafes, Bars oder Bistros immer dann zu erreichen, wenn sie gerade geschlossen werden. So ist es auch hier in Florac und wir müssen hungrig und durstig weiter ziehen.
Dennoch sehen wir uns den hübschen Ort ein wenig an – immer die Hoffnung im Hinterkopf, doch noch ein geöffnetes Lokal zu finden. Diese Hoffnung erfüllt sich aber nicht.
Hinter Florac verlassen wir den Corniche des Cevennes und dann verlieren die Berge etwas an Höhe. Dadurch wird es wieder etwas wärmer und wir kommen zügig voran in Richtung Ales, eine größere Stadt, die wir eigentlich umfahren möchten.
Kurz vor Ales rasten wir in einem kleinen Ort am Boule-Platz. Dort spielt eine Gruppe älterer Herren, also in unserem Alter, eine gepflegte Kugel. Wir bewundern die virtuose Kunst der Spieler und die Spieler schauen bewundernd auf unsere schönen Engländerinnen. Und nur ein paar Meter entfernt entdecken wir einen Bio-Metzger, bei dem wir uns mit tollem Fleisch für die nächsten Tage eindecken.
Das war eine Ausfahrt der Superlative heute, aber auch lang und anstrengend. Vorzügliche Entrecotes vom Bio-Metzger und leckerer Rotwein wecken aber ruckzuck unsere Lebensgeister wieder.