Tag 2: Thüringen und das Eichsfeld

Untertitel: Wir sind hier weder in Netto noch im Irland

Der lange Abend im Maharadscha, der späte Spaziergang durch Vacha, Flaschenbier im Garten und Dartspiele in der Küche machen ja eigentlich ein langes Ausschlafen erforderlich – aber daraus wird nichts, weil wir die Motorräder um 9:00 aus der Garage holen müssen: Der Putzer hat sich für diese Zeit angesagt. Aber wir kriegen das hin.

Das Frühstück nehmen wir gegenüber im Netto-Markt ein – und es wird wahrlich nicht das schlechteste Frühstück meines Lebens: Die Bagels mit Lachs und Salat schlagen jedes McDonald-Frühstück um Längen. Nur unsere Zungen sind ein klein wenig schwer und so entstehen skurile Sätze wie beispielsweise der heutige Untertitel. Wer wann was gesagt hat, lässt sich nicht mehr sicher rekonstruieren.

Gute Laune am frühen Morgen, Suse ist kein Morgenmuffel.

Garage räumen, Gepäck verstauen – ruckzuck verlassen wir das schöne Vacha und machen uns auf den kurzen Weg nach Oberzella. Dort müssen sich Kolonnenwege befinden.

Kurze Diskussion: Welchen Weg sollen wir nehmen?

Suse schafft Fakten und fährt auf einen Kolonnenweg, der in den Wald führt und offensichtlich oben auf dem Bergkamm weiter verläuft.  Nach einiger Zeit wird der Weg immer schlechter, meterweise fehlen komplette Steinplatten und dort sind schmierige Löcher entstanden.

An einem dieser Löcher muss ich anhalten – und finde mit dem linken Fuß keinen Halt mehr – ich tappe ins Leere. Suzi und ich rutschen unaufhaltsam und kippen langsam in die Büsche. Zum Glück ist meine DR400 leicht und ich bekomme sie ohne Probleme aus dem Loch heraus und zurück auf den Kolonnenweg. Der Motor springt auch gleich wieder an und schnell habe ich Suse und Thomas wieder erreicht – bevor einer der beiden Bilder von meinem peinlichen Patzer machen kann.

Wir ziehen weiter den Kolonnenweg hoch in Richtung Bergkamm. Die Löcher in den Betonplatten werden größer und an einer Stelle, wo auf mehrere Meter die Platten komplett fehlen, passiert es dann:  Suse stürzt mit ihrer Honda. Unserer Lady passiert dabei zum Glück nichts Schlimmes und auch die Schäden am „Kätzchen“ sind reparabel.

Die notwendigen Reparaturen nehmen wir direkt an Ort und Stelle vor: Ein neuer Handbremshebel, richten von Fußbremshebel und Fußraste – und auch ein wenig seelische Aufbauarbeit für das angekratzte Selbsbewußtsein.

Fertig, alle Schäden beseitigt. Suse ist mental bereit für die Weiterfahrt ……

….. und das Kätzchen lässt sich wieder fahren und bedienen wie zuvor. Sind schon robuste Teile, diese Enduros.

Händewaschen mitten im Wald auf dem Kolonnenweg ist aber leider nicht möglich, das wird im nächsten Ort erledigt.

Nach ausgiebiger Begutachtung des weiteren Streckenverlaufes entscheiden wir uns für den Abstieg – nach oben hin wird der Weg nämlich immer schlechter und steiler, wobei die Löcher im Weg noch mehr zunehmen und auch tiefer werden. Mit Gepäck wollen wir uns das nicht antun – sehr vernünftig.

Einen Teil des Abstiegs hat Thomas mit der Lenkerkamera mitgeschnitten. Bis auf einige kritische Passagen ist der Weg locker zu nehmen, wobei natürlich die psychologischen Aspekte nach einem Sturz nicht ausser acht gelassen werden dürfen. Kriegen wir aber alle hin und am Ende sehen wir es gar als eine positive Erfahrung.

Über Feld- und Wirtschaftswege erreichen wir dann das Städtchen Heringen, wo wir uns erst einmal reichlich Getränke und ein gutes Mittagessen gönnen. Ein ganz kleines bisschen ist Suse der Schreck noch anzusehen, aber das ändert sich mit zunehmender Kalorienzufuhr.

Suses Motorradhose hat es aber richtig erwischt: Aufgeschrammt, angebrannt und zerrissen. Da muss bei der nächsten Möglichkeit ein neues Exemplar gekauft werden. Das gibt es aber nicht in Heringen. Schön zu sehen, wie die Hose Haut und Knochen geschützt hat: An der zarten Haut ist nichts zu sehen. Arm und Schulter jedoch werden Suse noch ein paar Tage lang zwicken.

Nach diesem Mittagessen haben die beiden Bruchpiloten das Ereignis mental und körperlich verarbeitet und sind bereit zu neuen Taten.

Zwischendurch zieht ein kleines Unwetter durch Heringen, dass wir einfach an diesem netten Platz aussitzen. Als der Regen aufhört, geht es weiter und wir lassen die Regenklamotten in den Taschen.

Ein letzter Blick auf Heringen und den Monte Kali und dann ziehen wir weiter die Werra entlang und dann in Richtung Creuzburg.

Nentershausen 8 km: Jetzt könnten wir einen Besuch bei Sven aus Weißenhasl machen – aber wir müssen weiter, die nächsten Kolonnenwege warten auf uns.

Eigentlich wollen wir Creuzburg links liegen lassen, aber die gewaltige Burg lockt zu sehr und ein Kaffee im Burg-Restaurant kann nicht schaden. Auch ein Blick auf unsere Karten erscheint notwendig, damit wir wieder auf Kurs kommen.

Hardcore-Endurotreiber besichtigen die Putten im Lustgarten des Schlosses – wir können eben auch Kultur.

Über Treffurt und Wahnfried halten wir nun auf das Eichsfeld zu. Die Bewölkung nimmt stark zu, aber noch fallen nur einzelne Tropfen. In der Nähe von Frieda geraten wir auf eine extrem schöne Strecke, die wir gleich zweimal befahren.

Suse hat viel Freude an diesem Streckenstück. Aufgrund der zunehmenden Bewölkung und der herein brechenden Dunkelheit beschließen wir, nach einem Quartier zu schauen. Irgend etwas wird sich schon am Wegesrand finden – und sei es ein geschlossenes Wartehäuschen.

Bei Großtöpfer erwischt uns ein gewaltiger Regenguß, wir fahren noch in den nächsten Ort, wo gleich am Ortseingang ein großes Werbeschild den gemütlichen Landgasthof bewirbt. Aber zunächst halten wir an einem Tor einer großen Mühle, um uns vor dem Regenschutt zu schützen. Die kleine Lady mit ihrem Fahrschul-Chopper hat dort ebenfalls Schutz gesucht. Und was für ein Glück, dass wir dort angehalten haben: Thomas erhält den Tip, auf gar keinen Fall den Landgasthof anzulaufen …….

….. sondern statt dessen diese Gastwirtschaft mit Pension. Das war einer der besten und wichtigsten Tipps der gesamten Reise. Noch ist der Gasthof zwar geschlossen, aber in wenigen Minuten werden wir eingelassen.

Unsere Motorräder bekommen einen geschützten Platz im Innenhof unter dem Dach.

Alte Werbeschilder vermitteln ein sympathisches Ambiente.

Und wunderbare Zimmer im alten Stil geben uns berechtigte Hoffnung auf eine erholsame Nacht.

Umgezogen, ein frisches Bier auf dem Tisch und die Ankündigung einer warmen Mahlzeit lassen die Stimmung gewaltig steigen. Ich glaube, wir sind richtig glücklich – und das zu Recht. Das Essen ist unglaublich und danach sind wir neue Menschen. So einen Tagesabschluß haben wir heute gebraucht.

Gutes Essen, kühles Bier, ein paar Schnäpse, Poolbillard und dummes Zeug reden – das ist der Ablauf unseres Abends. Ab heute gibt es keinen Abend mehr, an dem  nicht die bedeutungsschweren Worte „Ich bin betrunken“ fallen.

Und dieser Göttin der Gastronomie haben wir all das zu verdanken: Klärchen. Wir sind sicher: Hier sind wir nicht zum letzten mal eingekehrt.

Noch an diesem Abend beschliessen wir, einen weiteren Tag im Eichsfeld zu verbringen und somit eine Übernachtung bei Klärchen anzuhängen. Für diese Entscheidung gibt es gute Gründe:

  • Es gefällt uns unglaublich gut bei Klärchen
  • Wir können das Eichsfeld von hier aus erkunden
  • Wir sind in Grenznähe und Kolonnenwege liegen vor der Haustür
  • Die Motorräder können ein paar kleinere Wartungsarbeiten gebrauchen
  • Wir können das EM-Halbfinale Deutschland-Italien sehen

Nach dieser Entscheidung kann der Abend so lang werden wie er will. Und wir lernen Ershausen kennen und schätzen.

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