Berichte von alltäglichen Erlebnissen mit meinen Motorrädern
30.3: In den Schluchten der Tarn
Gorges du Tarn – die Schluchten der Tarn: Das klingt doch wie der Titel eines Abenteuerromans. Oder wie ein Karl-May-Roman: In den Schluchten des Balkan. Einen Teil der Schluchten haben wir schon einmal befahren, aber heute wollen wir diesen Teil der Cevennen bewusst und komplett genießen.
Was für ein Morgen! Ein derart schönes Wetter haben wir bis dato um diese frühe Stunde noch nicht erlebt. Da treibt es mich geradezu aus dem warmen Bett.
Strahlend blauer Himmel, sattes Grün und die ersten Blüten an den Bäumen. Aber Obacht: Wir haben ja gelernt, dass das Wetter in den Cevennen blitzschnell kippen kann.
Beim sorgsamen Auswählen der heutigen Motorradbekleidung entdecke ich im mit alten Zeitungen ausgelegten Kleiderschrank einen uralten Bericht der 125er Vespa. Nur der Tatsache, dass ich so erbärmlich schlecht Französisch spreche hat es Jean-Pierre zu verdanken, dass ich die alte Zeitung nicht mitgenommen habe.
Den alten Vespa-Bericht nehme ich zum Anlaß, mein Chambre etwas detailierter vorzustellen: Holzverkleidung und Computerarbeitsplatz mit Internetzugang über das Stromnetz.
Nette alte Accessoires verbreiten viel Charme. Der Franzose an sich und Jean-Pierre im besonderen hat eine Ader für geschmackvolle Elegance.
Habs ja schon früher mal erwähnt: Diese Unterkunft empfehle ich jedem Cevennen-Besucher. Mehr über Mas Suejol gibts HIER.
Jetzt geht es aber los auf unsere Gorges du Tarn Reise. Über Ales fahren wir zuerst unseren Bio-Metzger an und packen die Satteltaschen voll mit feinstem Fleisch von Rind und Lamm. Die heutige Fahrt wird die wertvolle Fracht durch die Fahrtwindkühlung sicher unbeschadet überstehen.
Noch sind wir nicht in den Schluchten der Tarn, aber die alte Burg am Wegesrand ist auch einen Fotostop wert.
Hubert merkt es als erster: Eine steife Brise kommt auf, Wolken ziehen heran und die Temperatur sackt etwas ab. Das wird doch wohl keinen Regen geben wollen?
Mal ist’s hell, dann wieder dunkel – wir können die Wetterkapriolen noch nicht deuten, fahren einfach weiter und genießen die Landschaft.
Als wir die Schluchten der Tarn erreichen, fallen die ersten Tropfen. Und innerhalb weniger Minuten wird daraus ein richtig fetter Landregen. Der Schönheit der Landschaft tut das aber keinen Abbruch.
In Pompidou zwingt uns der Regen dann zu einer kleinen Pause. Ich nutze die Gelegenheit zu einem Mini-Einkauf im örtlichen Tante-Emma-Laden.
Während des Platzregens diskutieren wir über die Schönheit von Unwettern mit Gewitter in den Cevennen, und ob es erstrebenswert ist, so etwas mal zu erleben. Eigentlich mag ich ja Unwetter …..
Meine grüne Thunderbird schütze ich unter dem Eingang der Kirche, deren Tür im gleichen Farbton gehalten ist: British-Racing-Green. Das passt!
Als der Regen auch nur ein wenig nachlässt, starten wir wieder und schlängeln uns durch die Serpentinen der Gorges du Tarn.
Es ist eine wahre Augenweide zu sehen, wie der Tarn sich sein Bett gegraben hat.
Der Regen wird schwächer und schwächer. Die Handschuhe, die gerade beginnen wollten, quatschnass zu werden, bekommen eine schnelle Trocknung durch den Fahrtwind. Und schon ist die Welt wieder in Ordnung. Die wunderbaren Schluchten der Tarn kann ich aber insgesamt ohne Regen etwas besser genießen.
Die nächste kleine Pause wird unterschiedlich genutzt: Der eine zieht Fäden mit einem durchgeweichten Mars-Riegel, ……
….. ein anderer füllt Wasser nach, um die Anzahl der Pinkelpausen auf keinen Fall zu reduzieren, …..
….. Fotografierverbote werden angedeutet ……
….. um die (fast) einzige Zigarette des Tages nicht unnötig zu dokumentieren. Und natürlich bestaunen wir alle die Tarn und ihre Schluchten.
Die heutige Fahrt hätte ich auf keinen Fall missen mögen. Zweifellos sind die Schluchten der Tarn eine der spektakulärsten Landschaften der Cevennen.
Ein kleines Stück könnt ihr uns durch den Gorges du Tarn begleiten.
An die Gorges du Tarn schließt sich eine interessante Hochebene an. Hier ist der Wind so stark, dass es selbst unsere dicken Dreizylinder manchmal einen Meter weit zur Seite schiebt. Mit einem leichten Motorrad wie meiner DR400 wäre das sicher nicht lustig gewesen. Aber unsere Ladies ziehen weiter ihre Spur.
Auf der Hochebene treibt der starke Wind die Wolken blitzschnell zusammen und wieder auseinander. Zweimal taucht fast schlagartig ein Regenbogen auf und färbt einen Teil der Landschaft ein. Aber genauso schnell verschwindet das Ereignis auch wieder und es gelingt mir nicht, das Farbspiel auf die Linse zu bannen. Nur bei genauem Hinsehen ist ein bunter Streifen in Bildmitte zu erkennen.
Der Rückweg führt uns über Thoiras und wir biegen kurz ab in den Ortsteil Massies. Hier wollten wir ursprünglich eine Unterkunft suchen.
Marie-Laure hat aber herausgefunden, dass in Massies derzeit nichts mehr vermietet wird: Die Vermieter sind zu alt geworden. Hubert findet zwar noch das Haus, in dem er vor Jahren einmal übernachtet hat, aber wir treffen niemanden an.
Andere Häuser stehen offensichtlich leer, die Fensterscheiben fehlen bereits teilweise und die Blendläden klappern im Sturm. Schade, denn Massies liegt sehr schön abseits der Strasse von Anduze nach St. Jean du Gard und direkt am Ufer des Gardon.
Verlassene Gebäude können aber auch einen herrlich morbiden Charme ausstrahlen.
Zurück in Anduze bei einem Kaffee in “unserem” Cafe Centre wollen wir trotz der relativ späten Stunde noch eine winzige Runde drehen. Das Wetter ist wieder richtig schön geworden und so machen wir uns auf den kurzen Weg in die Bambousserie, die vor den Toren von Anduze liegt.
Bei der Bambousserie handelt es sich um das größte europäische Anbaugebiet für Bambus. Von hier beziehen fast alle westliche Tiergärten und Zoos ihr Futter für die Pandabären, die ja bekanntlich nichts anderes als Bambus zu sich nehmen. Für Biologen sicher eine interessante Sache, aber uns reicht es, die Bambousserie von außen zu sehen.