Meine Planeta ist im Vogelsberg angekommen

Die Planeta steht ganz vorn im Sprinter und damit wir nicht drei weitere Motorräder (darunter eine MZ RT 125) ausladen müssen, heben wir das gute Stück mithilfe von Nachbar Egon aus der seitlichen Schiebetür. Geht recht easy, dann noch ein wenig Smalltalk mit dem netten Fahrer, kurz die 125 Euronen gelöhnt (dafür hätte ich keine Fahrt nach Hamburg machen wollen) und der Sprinter zieht weiter. Jetzt kann ich mir meine Planeta genauer ansehen. Die gesamte Aktion einschliesslich Ausladen findet natürlich  bei strömendem Regen statt.
Schon seit einiger Zeit ist mir völlig klar, dass dieses Motorrad einen weiblichen Namen bekommen wird, und jetzt weiss ich auch, welchen: Die Planeta heisst ab sofort Polina, kurz Polja. Neben Kathy, der MZ TS 250/1 habe ich also jetzt mit Polja ein weiteres weibliches Wesen in meiner Werkstatt. Mal sehen, was meine liebe Gattin dazu sagen wird.

Izh Izh
Da steht sie vor unserem kleinen Natursteinhaus: Polja ist in ihrer neuen Heimat, dem Vogelsberg, angekommen. Hoffe, sie wird sich so wohl fühlen wie im heimatlichen Udmurtien. Ich werde jedenfalls alles dafür tun und womöglich dankt sie es mir mit langen, treuen Diensten. Doch, ich spüre, dass Polja und ich uns gut vertragen werden. Poljas Zustand entspricht der Beschreibung des Verkäufers und ich bin sehr zufrieden damit. Die gesamte Erscheinung spricht mich total an. Diese gewagte Mischung aus 30er Jahre DKW-Technik, 80er Jahre Japan-Barock und einem unverkennbaren sozialistischen Touch - das ist genau das richtige Motorrad für mich. Oder wie Schraubaer42 auf seiner Izh-Webseite zu diesem Design sagt: "Einfach toll!".
Izh Izh
Als erstes bemerke ich, dass der Ständer ein wenig kurz geraten ist und das Motorrad auf unebenem Grund etwas wackelig steht. Die vordere Duplexbremse sieht ungemein vertrauenerweckend aus - der Zug am Bremshebel ist hingegen ernüchternd. Aber das Teil ist bestimmt nur schlecht eingestellt ....... Ein wunderbarer Motor, der immer noch aussieht wie der von der DKW 350 NZ. Der gewaltige Krümmeranschluss und die Deckel an den Überströmkanälen sind alte DKW-Schule.
Izh Izh
Als wir uns 1980 einen funkelnagelneuen Lada Kombi gekauft haben, habe ich mich ähnlich gefühlt: Kyrillische Bezeichnungen an den Kontrollleuchten und den Bedienelementen. Etwas schlecht zu erkennen: Polja hat 8845 km auf dem Tacho - vom Verkäufer zugesichert. Der Heckbürzel erinnert an die alte Honda CX500, die Güllepumpe - eben 80er Jahre Japan-Barock. Auch auf den zweiten Blick macht meine Polja einen gepflegten und guten Eindruck. Wenn ich da morgen mal mit Lackpolitur und Elsterglanz drangehe, wird meine Planeta in ungeahntem Glanz erstrahlen.
Izh Izh
Jetzt möchte ich erste Lebensäusserungen von Polja hören! Die Kontrollleuchten für Lichtmaschine und Leerlauf funktionieren, ich finde heraus, welche Stellung des Benzinhahns die offene ist, Sprit ist im Tank. Erste Kicks ergeben keine Resultate. Als ich jedoch den Killschalter in die richtige Position bringe und den K65-Vergaser flute, springt Polja sofort an. Der sonore Zweitakt-Spruzz hallt durch die Untergasse - daran werden sich die Nachbarn gewöhnen müssen.  Dann läuft der Motor mit wunderbar langsamem Standgas und pufft dicke weisse Wolken in den Vogelsberg - Polja lebt! Aufgrund des etwas wackligen Ständers gibts erstmal eine Bodenplatte als Unterlage. Diese erste Nacht muss meine Polja draussen verbringen, die Werkstatt ist absolut überbelegt. Die Bereifung ist übrigens neu - schöne Heidenau-Reifen hinten und vorn.
Izh Izh
Der Flachschieber-Vergaser Typ K65 ist wohl alte Mikuni-Bauart. Man beachte den braunen Bakelit-Luftfilterkasten, der zur Reinigung eine kleine Ölfüllung bekommt. Und der Benzinhahn ist in der gerade gezeigten Stellung natürlich geschlossen. Jetzt verstehe ich, warum bei den Planetas immer die Markenembleme auf dem linken Seitendeckel kaputt sind: Bei jedem 3. Kick verhakelt sich der Kickstarter und bleibt am Seitendeckel hängen oder schlägt gegen das PLANETA5-Emblem. Aber das sind doch alles nur Peanuts, oder?


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