Ein herbstlicher Nachmittag in der Rabenau

Morgens und vormittags heisst es, diverse Angelegenheiten zu erledigen - das geht heute leider nicht mit dem Motorrad. Gegen 14:00 ist aber alles erledigt, das Gespann habe ich schon bereitgestellt, noch schnell in die Motorradklamotten und es kann losgehen. Die Temperaturen sind extrem angenehm, gefühlt über 20 Grad. Dickes Einmummeln entfällt also auch. Das zwischendurch immer wieder richtig schwarze Wolken über den Vogelsberg ziehen, macht mir nichts: Soll es doch regnen! Aber das tut es heute nicht - es bleibt wunderschön.

ES 250/1 Gespann ES 250/1 Gespann
Nachdem gestern 2 Bäume im Garten gefällt und der dritte stark beschnitten wurde, habe ich richtig Platz und schiebe meine aktuell zugelassen Kräder mal wieder zum Fotoshooting zusammen. Zwei Rotax-Viertakter und zwei klassische MZ-Zweitakter - dazu der stolze Besitzer - haben sich vor der Gartentür meines Natursteinhauses in Position gebracht.
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Eigentlich sollten hier schon 5 Motorräder mit DQ-Kennzeichen stehen, aber das fehlende Russenkrad wurde von der Motorrad-Spedition noch nicht angeliefert. Nicht, dass meine 4 Emmen nicht reichen würden, aber ein Russe würde schon gut dazu passen! Jetzt das ES250/1-Gespann bereitgestellt, denn gleich soll die Herbstausfahrt beginnen. Auf der Wäscheleine trocknet derweil die Gespann-Abdeckplane von der Gespann-Zeitung. Während der letzten Tage hatte dieses Riesenteil keinerlei Chance, mal trocken zu werden: Immer wieder Regen im Vogelsberg.
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Jetzt gehts ab in die Rabenau, eine kleine und stark bewaldete Landschaft am Rande des Vogelsberges. In Londorf fahre ich einfach mal auf das Schlossgelände und fotografiere das Gespann vor den Gesindehäusern. Als hinter mir ein dicker Daimler ankommt, hält der tatsächlich an und wartet ab, um nicht ins Bild zu geraten. Höflicher Adel! Zwischen Allendorf/Lumda und Staufenberg-Treis entsteht ein neuer und riesiger EDEKA-Markt. Einkaufsmässig ist die Rabenau extrem gut bestück: EDEKA, REWE, Aldi - alles da und alles recht dicht zusammen. Habe das Gefühl, dass die Discounter gerne mal einen neuen Markt aus dem Boden stampfen, damit ein paar Jahre dann vor der Konkurenz liegen und wenn's schwächelt, wird ein neuer gebaut.
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Selbst in dem kleinen Ort Treis gibts ein Schlösschen! Die Reste davon wurden zu Wohnungen umfunktioniert und so wohnen jetzt ganz normale Menschen in dieser schönen Umgebung. Den gewaltigen Steinbruch bei Treis wollte ich schon immer mal befahren, und heute mach ich das. Die Anlage ist noch voll in Betrieb und hier wird gut abgebaut. Ist übrigens auch nicht der einzige Steibruch in dieser Gegend - der Boden hier ist stark basalthaltig. Es heisst jedoch, dass zu viel Basalt die Menschen depressiv macht. Hmmh...
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Mitten im alten Ortskern von Allendorf sitzt dieser metallene Leser - hab ihn doch wahrhaftig zunächst für einen Menschen aus Fleisch und Blut gehalten. Und direkt gegenüber der Leseratte befindet sich das Heimatmuseum mit Kulturscheune im Erdgeschoss. Hier finden Musikveranstaltungen statt, Dichterlesungen oder auch Vernisagen.
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Wie so oft nehme ich auch heute zwischendurch immer wieder mal ein paar Kilometer Wirtschaftswege unter die Räder, so wie hier zwischen Londorf und Allendorf. Hier kannst Du weit hinein ins Marburger Land blicken. Bei Gailshausen fahre ich an den Stürmer See. Das ist ein sehr tiefes Gewässer, das aus einem ehemaligen Steinbruch entstanden ist - allerdings vor sehr langer Zeit. Viele Geschichte, meist gruselige, ranken sich um das düstere Gewässer und es heisst, dass hier schon etliche Rabenauer ihrem Leben ein vorzeitiges Ende gesetzt haben. Vom Weg aus ist der See auch nicht zu sehen und überall stehen Schilder, die auf grosse Gefahren hinweisen.
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Ich missachte jedoch alle Warnungen und klettere den steilen Hang hinauf, um den Stürmer See zu sehen. Zum Schluss muss ich sogar noch über einen Stacheldraht klettern. Und dann liegt der See zu meinen Füssen: Wunderschön, vollig ruhig und trotzdem etwas unheimlich. Mehrere Kormorane fliegen immer wieder über den See - die haben hier ein Paradies gefunden, denn Menschen verirren sich nur ganz selten hierhin. Langsam halte ich mich wieder in Richtung Mücke und komme dabei durch Weitershain, das Pferdedorf. Auf dieser Wiese grast eine Herde besonderer Ponies: Fjordpferde.
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Bei Weitershain ändere ich dann doch noch einmal die Richtung und fahre nicht nach Hause. Statt dessen gehts in Richtung Ebsdorfergrund, und bei Rüddingshausen schwenke ich erneut über Wirtschaftswege querfeldein. Hier herrscht plötzlich eine besonders starke Herbststimmung - aber eine sehr positive. Die Luft ist jetzt extrem klar, die Sicht sehr weit. In der Nase habe ich den Geruch von lehmiger Erde, ein leichter Wind treibt teils schwarze Wolken heran. Es ist eine unglaublich schöne Situation, die mir aber wie ein Dejavu erscheint: Vor etwa 40 Jahren im Münsterland mit meiner alten Maico hatte ich genau diese Empfindungen.
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Weiter treibt uns der Herbstwind nach Deckenbach zu den Alpakas. Hier ist die Herbststimmung wieder verschwunden. Ein dicker Kater liegt im Gras und beobachtet schläfrig die Andenbewohner. Die weiblichen Tiere beobachten mich interessiert und kommen freundlich näher. Der einzige Hengst jedoch benimmt sich abweisend und verbietet seinen Ladies offensichtlich, sich weiter mit mir einzulassen. Ein echter südamerikanischer Macho! Den letzten Stop gibts heute auf der Anhöhe bei Büssfeld. Hier knallt die Sonne und wirft die Landschaft in gleissendes Licht.
Die kleine Ausfahrt - es waren nur 70 km - hat mir heute besonders viel Spass gemacht und so viele Pausen hab ich wohl noch nie eingelegt. Auch die letzten 15 km absolviert mein gutes Gespann ohne Probleme. Und dabei hab ich bei Fahrtantritt kurz darüber nachgedacht, die Fahrt ausfallen zu lassen - weil ich mein Handy vergessen habe. Da hätte aber doch was versäumt an diesem Tag.


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