Tag 6: Nördliches Harzvorland, Fallstein und Huy

Untertitel: Noch anderthalb Zyklen, und wir menstruieren gemeinsam …..

Wie verabredet holen mich meine Mitreisenden um 10:00 bei Ingrid und Wolfgang ab. Sie überzeugen mich, vor der Weiterfahrt einen Bummel durch die Altstadt von Quedlinburg zu unternehmen – und ich bin wirklich froh, auf die beiden gehört zu haben.

Suse und Thomas haben die Altstadt bereits gestern Abend erkundet und fungieren heute als Führer. Der kleine Stadtbummel beginnt am historischen Marktplatz, wo wir die Maschinen abstellen und das Gepäck in einem netten Cafe ablegen können.

Wer Fachwerk und historische Gebäude mag, wird Quedlingburg lieben – und ich mag beides. Die Altstadt ist in einem hervorragenden Zustand und viele der alten Häuser sind wunderbar restauriert.

Natürlich könnten wir stundenlang durch die Gassen bummeln, aber durch die Vorarbeit meiner Begleiter bekomme ich in einem kurzen Überblick die Highlights gezeigt.

Malerische Hofeinfahrten und viel Grün geben der Altstadt ihr spezielles Gesicht.

Überall springt dir das Mittelalter förmlich ins Gesicht.

Nach der Altstadtbesichtigung gibts einen schönen heißen Kaffee und dann soll es weiter gehen – aber Suse entdeckt kleine Undichtigkeiten am Zylinderkopf ihrer Honda und wir beschließen, einen geeigneten Ort zu suchen, um dem Problem auf den Grund zu gehen.

Den geeigneten Ort finden wir an einer Tankstelle am Stadtrand. Hier können wir tanken, eine defekte Scheinwerferlampe auswechseln, die lockere Kerze an Suses Honda festziehen und die Zylinderdeckelschrauben etwas anziehen. Aber zwei der Schrauben fühlen sich schon etwas „weich“ an – da müssen wir dran bleiben.

Zwischen Ilsenburg und Vienenburg geraten wir etwas aus der Richtung und müssen uns neu einnorden, um wieder in Richtung Grenze, Kolonnenwege und Grünes Band zu kommen.

Wieder auf Kurs …….

….. und bald darauf stehen wir wieder an der ehemaligen Grenze.

Beim Betrachten dieser Karten kommt der Gedanke auf, dass auch der ausserdeutsche Teil des Eisernen Vorhangs sehr schön zu befahren sein müsste. Österreich hat schliesslich auch eine lange Grenze zum ehemaligen Ostblock.

Der erste Versuch, hier auf Kolonnenwege zu kommen scheitert und wir geraten zunächst auf landwirtschaftliche Trampelpfade. Schnell jedoch erwischen wir einen schönen alten Grenzweg, der sogar eine Flußdurchfahrt ermöglicht – wenn man das will. Thomas versucht es zumindest, aber das Flußbett ist aalglatt.

Wie die meisten Flecken am Grünen Band haben wir auch hier eine idyllische Landschaft, völlig menschenleer und herrlich einsam. Nicht mal ein Jogger taucht auf.

Aber das Wetter macht uns Sorgen, es wird deutlich schlechter und ein Blick zum Himmel kündigt Regen an. Wir schaffen es gerade noch, Kaffee und Kuchen in diesem Lokal trocken zu verputzen. Dann jedoch gelingt es uns tatsächlich für längere Zeit, dem Regen davon zu fahren und immer ein Stück voraus zu sein. Es fährt sich nicht übel mit Regen im Nacken 🙂

Erst in Hornburg erwischt uns das Unwetter und wir retten uns in einen kleinen Park am Ortsmuseum. Hier bekommen wir auch eine Karte dieser Gegend, warten den dicksten Regen ab und ziehen dann weiter – bisher immer noch ohne Regenklamotten.

In der Gegend des Großen Fallsteins kommen wir wieder direkt an die alte Grenze und erkennen sofort: Kolonnenwege!

Bevor wir uns auf die Kolonnenwege begeben, möchten wir ein kleines Video drehen. Thomas gibt die Regieanweisungen, aber dann vermasselt eine kleine Fliege diesen ersten Versuch. Es hat eben keinen Sinn, derart gestellte Aufnahmen zu produzieren.

Zwischenbemerkung: Was wir fest gestellt haben ist, dass wir drei mehr und mehr zu einer Einheit verschmelzen, was durch dieses Foto symbolisiert werden soll. Aber es zeigt sich auch an anderen Dingen: Mittlerweile starten wir unsere Maschinen morgens im Gleichklang meist mit dem ersten Kick, unsere Pinkelpausen verlaufen synchron wie bei einem eingespielten Team und unsere allabendliche Alkoholmenge pegelt sich auf einem gemeinsamen Level ein. Und so entsteht das Motto des heutigen Tages, dass ein gemeinsames Menstruieren vorher sieht.

Jetzt aber begeben wir uns real auf einen schönen Kolonnenweg, den Thomas zu einem kleinen Teil filmt.

Nach der Kolonnenweg-Einlage bemerken wir aber (wieder alle drei synchron), dass es zu dämmern beginnt und dass uns der Regen wieder auf der Fährte ist. Wir beschließen daher, im nächsten Ort nach einer Unterkunft zu suchen und kommen nach dem Durchfahren einiger winziger Dörfer in das Örtchen Hessen. Dort entdecken wir einen Hinweis auf die Pension „Zur Bahn“ und wir folgen diesem Hinweis – was sich als sehr gute Entscheidung heraus stellt.

Ein Gebäude, dass an die Polizeiruf-Filme mit Wachtmeister Krause und seinem Gespann erinnert, ein sehr nettes Vermieter-Ehepaar, dass sofort eine Garage für unsere Motorräder räumt und prima Zimmer zum mehr als fairen Preis. Prädikat: Empfehlenswert, sehr empfehlenswert sogar.

Zwei kleine Kätzchen bieten uns putzige Unterhaltung ….

… und nachdem Thomas sich 10 Minuten mit den beiden Tierchen beschäftigt hat, springen sie bald darauf durch brennende Reifen und sitzen auf kleinen Podesten.

Inzwischen hat Susi, die Vermieterin, in der „Weinschenke“ angerufen, die normalerweise früh schließt, und dafür gesorgt, dass das Lokal für uns geöffnet bleibt. In diesem ältesten Gasthaus Sachsen-Anhalts erleben wir dank des Inhabers einen sehr schönen Abend mit vorzüglicher Verpflegung.

Die Geschichte des Ortes Hessen und speziell der Gaststätte ist in einem schön gemachten Dokument aufbereitet und es bereitet uns viel Vergnügen, darin zu lesen.

Bereits die Vorspeise Soljanka macht klar: Das wird ein kulinarisch vorzüglicher Abend.

Und so kommt es tatsächlich. Ich will aber nicht verhehlen, dass auch der vorzügliche Lockstedter seinen Anteil dazu beiträgt. Und so wird es auch am heutigen Abend im Dreiklang heißen: „Ich bin schon wieder betrunken.“

Am Ende des Tages sind wir beinahe bereit zu glauben, dass der sozialistische Weg der richtige war – aber eben nur beinahe.

Die Route des heutigen Tages hat uns durch Landschaften geführt, von denen ich vorher noch nie etwas gehört habe: Kleine Höhenzüge wie der Fallstein oder Huy, das Nördliche Harzvorland, das Große Bruch, der Elm – bisher alles böhmische Dörfer. Wir haben uns quasi in einem weißen Fleck zwischen Wolfenbüttel, Wolfsburg und Magdeburg bewegt.

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