Tag 1: In der Rhön

Untertitel: Wischi-Wischi

Zwischen 10:00 und 11:.00 wollen wir uns bei mir zu Hause treffen. Trotz meines Alters ist mir eine gewissen Ungeduld zu eigen und so bin ich um 10:15 fertig, das Motorrad steht bepackt in der Einfahrt und ich sitze geschniegelt und gebügelt auf der Hofbank.

Um Punkt 10:30 höre ich das bekannte Geräusch von zwei heran nahenden Honda-Einzylindern – und glaubt mir: Mit der Akustik von Motorrad-Motoren kenne ich mich aus. Lässig schlendere ich also zum Tor und sehe – einen Dautel Schachtkuli. Dieses Nutzfahrzeug von Multicar tuckert die Strasse entlang und macht sich über jeden Gulli her. Und ich hätte geschworen, es wären die beiden Hondas …..

Kurz vor 11:00 tauchen die Mitfahrer dann tatsächlich auf. Eine letzte, kurze Lagebesprechung, eine allerletzte Zigarette und dann starten wir – endlich. Über den Vogelsberg und Hünfeld steuern wir die Rhön an, wo wir die ersten Kolonnenwege erwarten. Das Wetter ist sehr angenehm und nach Tagen des Regens könnte es sein, dass wir heute trocken ans erste Etappenziel kommen – wo immer das auch sein wird.

Das ist Suses Honda XL250 am Morgen der Abfahrt …..

…. und das der dazugehörige Kilometerstand. Die kleine Honda, genannt „Kätzchen“, hat mit ihren Stollenreifen schon einige Kilometer gemacht.

Auch Thomas liefert ein Foto seiner Honda XL500 vom heutigen Morgen. Die rote Gepäcktasche von Ortlieb macht einen sehr guten Eindruck und bewährt sich im Laufe der Fahrt aufs Beste.

Auch die XL500 hat schon einiges auf dem Buckel, aber die Maschine ist prima in Schuss und Thomas hat den Zylinderdeckel vorher noch abgedichtet – erfolgreich.

Auch meine Suzuki DR400 steht am Morgen des Starttages bepackt und mit dem dicken 18l-Acerbistank bereit.

Meinen Tachostand habe ich allerdings erst später fotografiert und muss die bis dahin gefahrenen Kilometer abziehen. Für mich beginnt die Reise also bei Kilometerstand 1037 – und sie wird 1517 km später beendet sein.

OK, jetzt aber Schluß mit dem tuntigen Geplänkel – Enduro Hardriders: Aufgesessen.

Gute 100 km weiter gibt es bereits den ersten Stopp: Pinkelpause bei Hünfeld. Aber wer sich mit Mädchen und alten Männern abgibt, darf sich über solche Dinge nicht wundern. Diese relativ häufigen Pausen werden uns übrigens während der gesamten Reise erhalten bleiben. Gerade sind alle in den Büschen verschwunden.

Wir haben die Rhön erreicht und befinden uns jetzt erstmals ganz dicht an der ehemaligen Grenze. Wo wir schon einmal hier sind, zeige ich Suse und Thomas die „Heile Schern“, ein bekanntes Ausflugslokal in Spahl.

Die Lokalität ist heute geschlossen, aber wir schauen uns dennoch auf dem Hof um und kuscheln ein wenig mit dem dicken Hofhund. Der will uns dafür gar nicht mehr fort lassen und jault bei der Abfahrt hinter uns her.


Zwischen Haselstein und Spahl befahren wir eine wunderschöne kleine Strasse und sehen auch die ersten Kolonnenwege. Die Gegend ist derart traumhaft, dass Thomas diesen Streckenabschnitt komplett filmt. Wer genau hin sieht, erkennt auch, dass wir bei 2:14 an einem alten Grenzturm vorbei fahren.

Die nächste Station ist die Gedenkstätte Point Alpha bei Geisa. Bin ich nun schon einige male gewesen und empfehle nach wie vor jedem, der in die Gegend kommt, einen Besuch hier. Schon beängstigend, dass hier, am Fulda Gap, unsere Verbündeten uns mit Atomwaffen vor einem Angriff der Warschauer-Pakt-Staaten schützen wollten.

An und um Point Alpha gibt es zwangsläufig jede Menge Kolonnenwege, aber aufgrund des hohen Publikumverkehrs verzichten wir auf eine Befahrung. Unsere Chance wird schon noch kommen.

Allmählich stellen sich Hungergefühle ein, die wir in Rasdorf erfolgreich bekämpfen. Während wir unser Essen mampfen, macht Thomas eine überraschende Entdeckung ……

….. nämlich seinen Vater, der – rein zufällig – hier einen Serviceeinsatz erledigt. Erstaunlich!

In Richtung Buttlar müssen sich nach unseren GPS-Informationen Kolonnenwege befinden und wir machen uns auf die Suche. An dieser alten Brücke werden wir gleich mehrfach fündig.

Etwas schlecht zu erkennen führt ein steiler Kolonnenweg direkt den Hang hinauf. Unwahrscheinlich, dass wir dort mit unseren Enduros hinauf kommen. Später erfahren wir, dass genau auf diesem Weg sogar ein Panzer versagt hat und rücklings den Berg herunter gestürzt ist. War natürlich ein West-Panzer …..

Während wir noch grübeln, in welche Richtung wir nun müssen, erscheint ein Schwalbe-Fahrer – ortskundig, und schon haben wir einen Führer, der uns über den nächsten Ort auf den richtigen Kurs in Richtung Pferdsdorf bringt, und zwar genau auf den Kolonnenwegen.

So kommen wir tatsächlich bereits am Spätnachmittag des ersten Reisetages zu vielen Kilometern Kolonnenweg. Es ist eine herrliche Fahrt durch offene Wiesen, dichte Wälder, bergauf und bergab und vorbei an Bächen und Teichen. Wenn wir nicht weiter wissen, fragen wir in einer Ortschaft nach und die Einheimischen geben uns gern Auskunft – oft verbunden mit der Bemerkung, dass die empfohlene Strecke für unsere Motorräder sehr gut geeignet sei.

Das Grüne Band ist ein herrliches Biotop und gespickt mit informativen Hinweisen. Das allerdings Unmengen von Insekten sich die dottergelbe Warnweste von Thomas als Ziel suchen, sobald die Dotterblume zum Stehen kommt, gefällt nicht so recht.

Mit so ein paar Käfern, Mücken und Fliegen fängt es an und innerhalb von Sekunden verfärbt sich das geschmackvolle dottergelb der Weste in ein trübes grau-schwarz.

Irgendwann erreichen wir wieder die Zivilisation und orientieren uns hier am Kaliwerk Unterbreizbach neu. Dabei kann ich beobachten, wie meine beiden Begleiter vollkommen synchron ihre Tankdeckel öffnen, die Nasen in den Tank stecken …….

….. wieder aus dem Tank hochkommen und den Spritbehälter sanft zum Schwappen bringen. Und es ist wirklich 100%ig synchron – wie bei lange aufeinander eingespielten Synchron-Schwimmer-Paaren. Faszinierend! Aus solchen Tankspielereien kann ich mich mit dem 18 l Acerbic-Fass erst einmal raushalten.

Langsam wird es Zeit, nach einem Schlafplatz zu suchen. An der Tankstelle in Vacha fragen wir zwei Arbeiter und einer davon kennt jemanden, der Zimmer vermietet. Fahrt einfach in die Altstadt und klingelt dort gegenüber vom Netto-Markt. Tatsächlich hat man dort etwas für uns und für die Motorräder wird sogar die Garage leer geräumt.

Uns erwartet eine wunderbare Hinterhof-Idylle mit Gartenbenutzung, eine perfekt renovierte Wohnung mit bequemen Betten, Dusche, Kaffeemaschine, Bier im Kühlschrank und ein elektronisches Dartbrett in der Küche. Besser hätten wir es nicht treffen können!

Erst einmal setzen wir uns in die Sonne und kippen ein Bierchen ab, dann wird geduscht, ein weiteres Bierchen muss dran glauben und später machen wir uns auf den Weg in die Altstadt, die keine 5 Minuten entfernt ist.

Vacha kenne ich bisher nur vom Durchfahren und bereits dabei erkennt man, dass sich da ein kleines Juwel verbirgt. Schöne alte Fachwerkhäuser, ein Schloß, die Werra – all das schauen wir uns in Ruhe an.

Für das Abendessen entscheiden wir uns für das „Maharadscha“, ein indisches Restaurant, in dem wir exotische Gerichte verspeisen. Und wir erleben Günther (oder hieß er doch Dieter?), der wohl schon ein paar Stündchen unterwegs ist. Zu allen wichtigen Fragen die das Leben, das Universum und überhaupt alles betreffen, weiß er die richtige Antwort – und die lautet nicht 42, sondern „Wischi-wischi“. Nachdem wir die tiefe, innere Weisheit dieser Worte verstanden haben, begeben wir uns nachdenklich in unsere Unterkunft, wo wir den Abend mit ein paar Dartrunden beenden.

 

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