Frankfurter Speckgürtel, der Main und ein Motorrad namens G80

Seit der Entdeckung der ebay-Kleinanzeige mit der G80 schlafe ich nicht mehr gut! Dann musste auch noch der erste Besichtigungstermin verschoben werden, aber heute, am Tag der Deutschen Einheit, ist es soweit. Bereits um 7:00 bin ich mit der gelben SV startklar, denn ich muss vor 10:00 am Ziel sein. Dazu muss man wissen, dass ich mich im Rhein-Main-Gebiet quasi überhaupt nicht auskenne und mit einigen Verfahrern rechne.

Um 7:00 ist es noch dunkel, kalt und nebelig – andererseits sind die Strassen noch menschenleer. Da fahre ich eigentlich am liebsten und auch heute gefällt mir diese Fahrt in den beginnenden Tag hinein.

Der Tank reicht noch für ca. 100 km, das sollte genügen. Aber meine Geldbörse ist ziemlich leer und das kann mir nicht gefallen. Wer weiß, ob ich nicht doch ein wenig Bares benötige. Also erst einmal nach Grünberg an den Geldautomaten der Sparkasse. Auch hier bin ich um diese Zeit völlig allein.

Über Grünberg und Hungen geht's in die Wetterau. Auf den Wiesen und Äckern hängt überall der Frühnebel - ein hübscher Anblick. Hier entschliesse ich mich, in Wölfersheim und bis Bruchköbel auf die Autobahn A45 zu fahren.

Auf den gut ausgebauten und um diese Zeit noch leeren Strassen der Wetterau komme ich gut voran - natürlich unter völliger Missachtung des Landstrassen-Limits von 100 km/h. Jetzt geht die Sonne als glutroter Ball auf und verspricht erneut einen warmen und schönen Tag.

Sehr schnell erreiche ich die Auffahrt Wölfersheim und tuckere zwischen 130 und 150 km/h in Richtung Hanau. Auch die Autobahn ist noch herrlich leer, aber es wird wieder nebeliger und der Asphalt ist stellenweise richtig nass.

Eine Pinkelpause gönne ich mir auf dem leeren und leicht verschmuddelten Parkplatz wenige Kilometer vor der Abfahrt Erlensee. Dort verlasse ich aber die A45 und quäle mich durch etliche schlecht beschilderte Orte und grauenhafte Umleitungen über Erlensee, Bruchköbel, Mittel- und Wachenbuchen nach Maintal. Dort muss ich in Dörnigheim die Fähre über den Main finden, was auch nicht gerade einfach ist.

Aber es gelingt - ohne Navi und ohne Karte, aber mit der freundlichen Unterstützung einiger Einheimischer. Eine nette Dame in Bruchköbel versetzt mich beinahe in Panik als sie berichtet, dass die Fähre in Dörnigheim wegen Wartungsarbeiten nicht fährt, aber das erweist sich zum Glück als Irrtum. Später erfahre ich, dass die Rumpenheimer Fähre gerade still steht , also war es nur eine kleine Verwechselung. Hier habe ich die Anlegestelle gefunden und warte auf die Rückkehr der Fähre, was nur wenige Minuten dauert.

Für 60 Cent bringt mich der Fährmann über den Main. Ich liebe Wasser und Fähren und geniesse auch diese kurze Fahrt entsprechend.

Bereits die letzten Kilometer waren wieder sehr nebelig und auf dem Main ist der Nebel noch stärker.

Der Ferryman bringt uns heil über das wilde Gestade und nach ein wenig Sucherei finde ich auch den Ortsteil Dietesheim. Ich erinnere mich, hier vor ein paar Jahren mal eine Hessische Meisterschaft im Grosskaliberschiessen mitgemacht zu haben und es fällt mir ein, dass ich damals ähnlich intensiv suchen musste. Habe aber sehr gut geschossen und einige Titel geholt und das gibt mir Hoffnung auf einen erneut erfolgreichen heutigen Tag. Jetzt habe ich mein Ziel erreicht und es ist noch nicht einmal 9:00.

Und das ist der Grund meiner heutigen frühen Fahrt: Eine Harris Matchless G80 aus den 80er Jahren mit dem 500er Rotax-Motor, wie er mir aus meinen Emmen wohlbekannt ist. Ralf, der Anbieter, wollte damals unbedingt und um jeden Preis dieses Motorrad besitzen und hat auf der Veterama das Prachtstück gekauft. Gefahren hat er es aber so gut wie nie - aber haben wollen reicht auch für mich als Grund völlig aus.

Wir schieben die schöne G80 aus dem engen Hausflur und ich betrachte sie mir ausgiebig. Die englische Schule ist klar erkennbar, obwohl viele italienische Zutaten benutzt wurden: Del'Orto Vergaser (36mm), Pailoli Gabel und Federbeine sowie Brembobremsen. Nach wenigen Sekunden - es mögen auch Milisekunden gewesen sein - bin ich entschlossen, die Matchless zu kaufen.

Das Konzept der Matchless ähnelt durchaus dem der MZ Silverstar, scheint aber konsequenter und mit besseren Zutaten umgesetzt zu sein. Dazu ist die englische Linie sehr gut getroffen und das passt einfach.

Die hintere Bremsanlage kommt mir extremely british vor .....

.... wozu besonders die konische Radnabe beiträgt. Also was soll ich sagen: Ralf und ich sind uns ruckzuck handelseinig, ich hinterlasse eine Anzahlung und packe dafür schon mal etliches an Dokumentation in den Tankrucksack. Abholen werde ich die G80 später.

Zufrieden mit der Aktion trete ich gegen 10:00 wieder die Heimreise an. Jetzt finde ich die Mainfähre sofort und freue mich auf eine weitere kleine Überfahrt.

Der Nebel hat noch einmal an Intensität zugenommen. Für die Rückfahrt verzichte ich auf die Autobahn-Benutzung und quäle mich anfangs wieder durch den Frankfurt-Hanauer Speckgürtel und halte dann über Nidderau auf Friedberg zu. Spätestens ab da kenne ich mich wieder ganz gut aus.

Einmal verfranse ich mich aber noch und bemerke erst hier, am EON-Wasserkraftwerk, dass ich mich quasi schon in Hanau befinde. Also zurück nach Maintal.

Nidderau, Niddatal, Wöllstadt, Friedberg, Reichelsheim, Echzell - ohne Pause treibe ich die SV jetzt bis hoch auf den Berg von Stornfels, dem letzten Ort der Wetterau. Dahinter beginnt schon wieder der Vogelsberg und nun bin ich sehr bald zu Hause. Das muss auch so sein, denn in Lardenbach ist heute Oktoberfest und da will ich mir eine schöne knusprige, salzige und fette Haxe holen. Und so geschieht es.

Rein lesetechnisch sind die nächsten Abende gerettet - und die Themen werden dabei nur Matchless und Rotax heissen. Die nächste Frage ist jetzt aber, was ich nun verkaufen und abgeben soll - denn im Prinzip reite ich nach wie vor auf der Welle der Vernunft und reduziere meinen Fuhrpark. Das mag im Moment anders aussehen, aber es gilt nach wie vor. Ihr werdet sehen!